# taz.de -- Fragen und Antworten zur Netzsperre: Unerwünschtes Stoppzeichen
       
       > Der Bundespräsident hat das Netzsperren-Gesetz unterzeichnet. Damit tritt
       > nun ein Gesetz in Kraft, für das keine der im Bundestag vertretenen
       > Parteien mehr offen eintritt.
       
 (IMG) Bild: Stopp will so gut wie niemand mehr.
       
       Wann tritt das Zugangserschwerungsgesetz in Kraft? 
       
       Das Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.
       Das ist jetzt nur noch eine Frage von wenigen Tagen.
       
       Ist dem Bundespräsident nach der Unterzeichnung ein politischer Vorwurf zu
       machen? 
       
       Nein, es ist nicht Aufgabe des Bundespräsidenten, beschlossene Gesetze
       inhaltlich zu bewerten. Auch seine rechtliche Prüfungskompetenz ist
       begrenzt. Im wesentlichen kann er kontrollieren, ob das Gesetz auf dem
       richtigen Wege beschlossen wurde und ob der Bund zuständig war. Letzteres
       war bei den Internetsperren zwar zweifelhaft, aber nicht eindeutig. In den
       letzten 60 Jahren haben Bundespräsidenten nur acht Mal die Unterschrift
       unter ein Gesetz abgelehnt. Schwierige rechtliche Fragen sind vom
       Bundesverfassungsgericht zu entscheiden.
       
       Was regelt das Zugangserschwerungsgesetz? 
       
       Das Gesetz sieht vor, dass das Bundeskriminalamt (BKA) täglich eine Liste
       der zu sperrenden kinderpornographischen Seiten zusammenstellt und die
       Internetprovider diese Sperrung für ihre Kunden binnen sechs Stunden
       umsetzen. Wer als Internet-Nutzer auf eine derartige Seite stößt, soll nur
       ein Stopp-Zeichen mit Erläuterungen sehen.
       
       Wird das BKA nun also doch Sperrlisten erstellen? 
       
       Vermutlich wird das BKA vorher durch einen Erlass der Bundesregierung an
       der Anwendung des Gesetzes gehindert. Rechtstaatlich ist es zwar
       bedenklich, wenn die Exekutive anordnet, dass ein vom Parlament
       beschlossenes Gesetz einfach nicht angewandt wird. Politisch ist das aber
       in Ordnung, da ja keine Partei im Bundestag mehr offen für das
       Zugangserschwerungsgesetz ist.
       
       Ist das Gesetz, wenn es eh nicht angewandt wird, noch relevant? 
       
       Ja, schließlich könnte es durch bloßen Erlass der Bundesregierung wieder
       für anwendbar erklärt werden. Dann müsste das BKA am nächsten Werktag eine
       Sperrliste vorlegen, die die Provider binnen sechs Stunden umsetzen müssen.
       Das heißt, die Provider müssen ihre Sperr-Infrastruktur arbeitsbereit
       halten, solange das Gesetz formell in Kraft ist.
       
       Wie kann man das Gesetz wieder loswerden? 
       
       Durch einen Gesetzesbeschluss des Bundestags. Schon am nächsten Donnerstag
       (25. Feb.) werden im Bundestag zwei Gesetzentwürfe von Linken und Grünen
       behandelt, die das Zugangserschwerungsgesetz wieder aufheben wollen. Die
       SPD will bis dahin auch noch einen Gesetzentwurf einbringen. Wie die
       Koalition sich verhält, ist noch unklar.
       
       Welche Bedeutung hat die vom AK Zensur angekündigte Verfassungsbeschwerde? 
       
       Wenn das Zugangserschwerungsgesetz schnell wieder aufgehoben wird, dürfte
       sich eine Verfassungsbeschwerde erübrigen. Falls sie kurz vor Aufhebung
       trotzdem eingelegt wird, dürfte ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Es
       müsste auch ein persönlich betroffener Kläger (z.B. ein Provider) gefunden
       werden.
       
       Sollte das Gesetz bestehen bleiben, könnte eine Klage interessant sein.
       Erfolgversprechend sind aber vor allem formale Aspekte, wie die fragwürdige
       Zuständigkeit des Bundes für ein Gesetz der Gefahrenabwehr. Wegen
       mangelnder Eignung lässt Karlsruhe selten ein Gesetz scheitern. Auch die
       Befürchtung, dass das Gesetz irgendwann später zu einem allgemeinen
       Zensurinstrument erweitert werden könnte, dürfte für einen aktuellen Erfolg
       in Karlsruhe nicht ausreichen. Einen Richtervorbehalt für die Sperrung von
       Internet-Inhalten schreibt das Grundgesetz ebenfalls nicht vor.
       
       Die Bundesregierung will nun vorrangig kinderpornographische
       Internet-Angebote an der Quelle löschen. Ist dazu ein neues Gesetz
       erforderlich? 
       
       Nein. Soweit verbotene Bilder auf inländischen Servern gehostet werden,
       kann die Polizei direkt zugreifen und das Angebot unterbinden. In der Regel
       dürften die Angebote aber im Ausland gehostet werden. Dann kann das
       Bundeskriminalamt (BKA) wie bisher die Polizeidienststellen des jeweiligen
       Landes informieren. Entgegen der Regierungs-Desinformation gibt es fast
       kein Land, in dem Kinderpornografie legal ist. Theoretisch könnte das BKA
       auch den entsprechenden ausländischen Host Provider oder – soweit
       ersichtlich – den Inhaltsanbieter informieren. Das will das BKA aber nicht,
       um nicht eventuelle Ermittlungen der örtlichen Polizei zu stören.
       
       Es ist also kein neues Gesetz für die Löschung von Kinderporno-Webseiten
       erforderlich. Auch das Zugangserschwerungsgesetz bringt hierfür keinen
       Vorteil. Eine direkte Befugnis des BKA, eine ausländische Webseite zu
       löschen, könnte auch ein neues Gesetz nicht einführen. Das Problem der
       Kinderporno-Webseiten wird eh überschätzt, da die Kinderpornographie selten
       im Internet frei zugänglich angeboten wird. Typischerweise wird sie in
       geschlossenen Nutzergruppen gehandelt.
       
       18 Feb 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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