# taz.de -- Prozess um Stuttgart 21: Deutsche Bahn darf abreißen
> Das Milliardenprojekt hat eine weitere Hürde genommen. Der jetzige
> Stuttgarter Hauptbahnhof darf zum Teil abgerissen werden. Die Klage des
> Architekten-Enkels war ohne Erfolg.
(IMG) Bild: Protest und Klage haben bisher nicht viel geholfen. Die Richter unterstützen die Modernisierung.
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart am Donnerstag war eindeutig. Das
Interesse der Deutschen Bahn an einer Modernisierung des Stuttgarter
Bahnhofes sei wichtiger als der Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudes,
urteilte das Gericht. Damit hat das Projekt "Stuttgart 21" seine nächste
Hürde genommen: Für offiziell 4,1 Milliarden Euro will die Deutsche Bahn
den Kopfbahnhof der Stadt bis 2020 samt Gleisen unter die Erde verlegen und
in einen Durchgangsbahnhof verwandeln. Das Vorhaben gilt als größte
Bahninvestition in Deutschland und ist umstritten.
Geklagt hatte Peter Dübbers, der Enkel des Architekten Paul Bonatz, der den
Bahnhofsbau in den 20er-Jahren konzipiert hatte. Das Urheberrecht des
Gebäudes ging nach Bonatz Tod an dessen Nachfahren über, jetzt gilt dies
noch 16 Jahre. Zu wenig für ein Erhaltungsinteresse, urteilte das Gericht.
Der Gesamteindruck des Gebäudes werde zwar "erheblich verändert",
allerdings blieben auch nach dem geplanten Abriss der Seitenflügel
wesentliche Teile des Gebäudes erhalten.
Schon der Andrang an Gegnern von Stuttgart 21 bei der Verkündung des
Urteils machte deutlich, dass es um mehr als ästhetische Fragen ging. In
Stuttgart demonstrieren seit Monaten jeden Montag tausende Menschen gegen
den Neubau. Sie hofften, von einem Richterspruch gegen die Deutsche Bahn
würde eine Signalwirkung ausgehen, die das Projekt stoppen könnte.
Die Bahn aber hatte zuvor bereits Revision im Fall einer Niederlage
angekündigt und hätte die Bauarbeiten fortgesetzt. Sie begannen offiziell
am 2. Februar dieses Jahres. "Es gab wohl noch nie eine Entscheidung in
Sachen Urheberrecht mit einer solchen Tragweite", sagte der Anwalt der
Bahn, Winfried Bullinger.
Die Bahn verweist auf die Vorteile des Projekts wie neue Grünflächen in
Stuttgart, Milliardeninvestitionen und 10.000 neue Arbeitsplätze und will
wahrscheinlich im September den alten Bahnhof in Teilen abreißen.
Dübbers gab sich nach dem Urteil gefasst und hält sich eine Revision offen.
"Die Bahn sollte vorsichtig sein, was sie mit dem Bahnhof anstellt. Die
öffentliche Empörung wird nach dem Urteil groß sein", sagte er. Obwohl es
eine feste Finanzierungsvereinbarung zwischen Bahn, Stadt Stuttgart, Bund
und Land gibt, hoffen die Projektgegner, Stuttgart 21 noch zu Fall zu
bringen.
Die Gegner prognostizieren in Gegengutachten ebenso wie der
Bundesrechnungshof wesentlich höhere Kosten und fordern, den alten Bahnhof
zu erhalten und zu renovieren. Verkehrsexperten fürchten, dass die
Milliarden für den Neubau in Stuttgart an anderer Stelle fehlen werden,
etwa beim Ausbau wichtiger Trassen im Güterverkehr.
Der Wortführer der Stuttgarter Projektgegner, der Gemeinderat Gangolf
Stocker, hofft auf eine Neubewertung im Bund. Denn der neue Bahnhof macht,
das sagt auch die Bahn, verkehrstechnisch nur Sinn, wenn zeitgleich eine
ICE-Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Ulm gebaut wird. Deren Kosten,
bisher sind 2,02 Milliarden Euro veranschlagt, werden von der Bahn und dem
Bundesverkehrsministerium derzeit neu kalkuliert und könnten wesentlich
höher liegen.
Stocker kündigt deshalb am 10. Juli eine neue Großdemonstration gegen das
Projekt an und wirft dem Landgericht Stuttgart vor, nicht unabhängig zu
urteilen. "Das Urteil des Gerichts hätte Bahnchef Rüdiger Grube exakt
genauso formuliert", rügte er. Er will Dübbers bei einer Revision
unterstützen. Der hatte bereits in erster Instanz 40.000 Euro an Spenden
für die Prozesskosten eingesammelt, 25.000 Euro trug er selbst.
21 May 2010
## AUTOREN
(DIR) Ingo Arzt
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