# taz.de -- Interview Kläger gegen Stuttgart 21: "Gelinde gesagt eine Sauerei"
       
       > Das Bahnprojekt "Stuttgart 21" stockt, weil Architekt Peter Dübbers die
       > Bahn wegen Verletzung des Urheberrechts verklagt. Die will den Bahnhof
       > seines Großvater zum Teil abreißen.
       
 (IMG) Bild: Soll für Stuttgart 21 kräftig umgemodelt werden: Der alte Bahnhof.
       
       taz: Herr Dübbers, wollen sie "Stuttgart 21" stoppen? 
       
       Peter Dübbers: Ich verteidige mit dem Urheberrecht das Kulturdenkmal
       Bonatzbahnhof, das Werk meines Großvaters. Man kann das Gebäude erhalten
       und gleichzeitig "Stuttgart 21" verwirklichen. Natürlich würde ich gerne
       die Funktion des Kopfbahnhofs erhalten. Aber das kann ich mit dem
       Urheberrecht nicht erreichen. Sonst sagt die Bahn: Der will doch nur
       "Stuttgart 21" kippen.
       
       Seit 1994 ist die Idee bekannt, es gab eine Anhörung und ein
       Planfeststellungsverfahren. Warum klagen sie erst jetzt? 
       
       Ich habe schon damals Einspruch erhoben und meine Bedenken geäußert. Aber
       mir waren die Möglichkeiten des Urheberrechts nicht bewusst. Ich hatte
       keine Ahnung, dass es ein so kräftiger Hebel sein könnte. Die Bahn hat
       übrigens genauso wenig daran gedacht. In dem ganzen
       Planfeststellungsbeschluss von 389 Seiten steht kein Wort zum Urheberrecht.
       
       Ich dachte ohnehin, "Stuttgart 21" sei ein Phantomprojekt, weil es nicht zu
       finanzieren ist und schon mehrfach kurz vor dem Aus stand. Jetzt
       vollstreckt Bahnchef Rüdiger Grube knallhart. Wenn der Bahn-Aufsichtsrat
       ihm Morgen die Finanzierung streichen würde, dann würde er "Stuttgart 21"
       eben wieder abwickeln. Das hat er als Daimler-Manager mit Chrysler ja
       bereits geübt.
       
       Grube hat sicher persönlich versucht sie umzustimmen? 
       
       Ja, natürlich. Es gab vier Treffen mit der Bahn, eines davon mit Grube. Er
       hat wunderschöne Sachen vorgeschlagen, um das Gedenken an Paul Bonatz zu
       erhalten: eine Stiftung samt Stiftungsprofessur oder eine Gedenkstätte. Mir
       war immer klar, dass ich darauf nicht eingehen will.
       
       Grube droht mit einer Klage auf Schadenersatz in dreistelliger
       Millionenhöhe, sollten Sie eine einstweilige Verfügung gegen den Bau
       erwirken. 
       
       Das ist pure Machtpolitik, aber die Bahn würde es wohl machen. Das
       finanzielle Risiko kann ich deshalb nicht übernehmen. Würden wir im
       Hauptverfahren verlieren, wäre ich ruiniert.
       
       Das heißt aber auch: die Bahn wird die Seitenflügel des Bahnhofs am 8.
       September abreißen. 
       
       Die Deutsche Bahn geht unseriös vor. Sie will durch den Abbruch Fakten
       schaffen. Rechtlich können wir den Abriss nicht verhindern. Kommt das
       Landgericht Stuttgart jedoch zu dem Schluss, dass das Urheberrecht verletzt
       ist, dann erhoffe ich mir einen zusätzlichen Druck auf die
       Entscheidungsträger.
       
       Und dann platzt "Stuttgart 21"? 
       
       Das könnte passieren. Sehen Sie, ohne die ICE-Neubaustrecke über die
       Schwäbische Alb nach Ulm bringt der Bahnhof ohnehin nichts. Ob die Strecke
       überhaupt machbar ist steht in den Sternen. Von sieben
       Planfeststellungsabschnitten sind nur zwei genehmigt. Trotzdem wollen sie
       als Erstes den Bahnhof in Teilen kurzerhand abreißen. Das halte ich gelinge
       gesagt für eine Sauerei. Das würde kein privater Bauherr riskieren.
       
       Grube sagt, es sei normal, dass man Schritt für Schritt planfeststellt. 
       
       Grube ist ein persönlich netter Mensch, der mir auch versprochen hat, dass
       wir trotz unserer unterschiedlichen Auffassungen Freunde bleiben. Aber das
       sind freundliche Worte, die keinerlei Einfluss auf seine Handlungsweise
       haben.
       
       Wie finden Sie den geplanten Tiefbahnhof mit seinen gewaltigen Bullaugen
       eigentlich aus ästhetischer Sicht? 
       
       Ich finde ihn inzwischen abgestanden. Bei dem Architekturwettbewerb war der
       jetzige Entwurf nach der Eliminierung aller Arbeiten, die die Seitenflügel
       erhalten wollten, zwar der beste, weil er keine Glashalle durch den
       Stuttgarter Schlossgarten geschoben hat. Aber städtebaulich macht er keinen
       Sinn. Vom alten Bahnhof bleibt ein Torso übrig, der wie ein Briefbeschwerer
       mitten in der Stadt ohne Anbindung steht.
       
       Der Architekt gegen den Bahnriesen. Erhalten Sie viel Anerkennung in
       Stuttgart? 
       
       Natürlich bekomme ich Zuspruch. Fast immer, wenn ich hier mit jemandem ins
       Gespräch komme, ist er gegen "Stuttgart 21". Manchmal auch Leute, die
       offiziell dafür sein müssen.
       
       ***
       
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       22 Apr 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
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