# taz.de -- Winfried Hermann über "Stuttgart 21": "Ein unterirdischer Engpass"
       
       > Grünen-Politiker Hermann bemängelt Fehlinvestitionen der Bahn wie das
       > Projekt "Stuttgart 21". Dieses ziehe Geld von wichtigeren Bauvorhaben ab.
       > Der Güterverkehr wird sträflich vernachlässigt.
       
 (IMG) Bild: Protest der "Stuttgart 21"-Gegner am Dienstag im Bahnhof der Schwabenmetropole.
       
       taz: Herr Hermann, Sie als Grüner aus Baden-Württemberg müssten sich gerade
       richtig freuen: Im Südwesten werden 4 Milliarden Euro in den Bahnhof
       Stuttgart 21 und 2 Milliarden für eine Strecke nach Ulm in die Schiene
       gesteckt. 
       
       Winfried Hermann: Freuen kann man sich, wenn Geld sinnvoll investiert wird.
       Aus den 4 Milliarden könnten nach Schätzungen vieler Experten 8 Milliarden
       oder mehr werden. Mit viel Geld wird ein unterirdischer Engpass gebaut, mit
       weniger Kapazität als ein Vorortbahnhof. Die anschließende
       ICE-Neubaustrecke nach Ulm ist eine Fehlplanung, weil sie nicht von
       schweren Güterzügen befahren werden kann. Hier wird ein technisch und
       finanziell wahnsinnig riskantes Doppelprojekt geplant und begonnen.
       
       Bahn-Chef Rüdiger Grube sagt, der neue Bahnhof in Stuttgart wird doppelt so
       leistungsfähig sein wie der bisherige, und nach Ulm könnten auch Güterzüge
       fahren. Ist der Mann ein Lügner? 
       
       Nein, er erzählt, was ihm seine Leute auf Sprechzettel schreiben. Auf der
       Strecke können nur leichte Güterzüge mit weniger als 1.000 Tonnen Gewicht
       fahren, die gibt es aber nicht. Der neue Stuttgarter Bahnhof hilft nur dem
       Fernverkehr. Er wird aber zu 90 Prozent für den Nah- und Regionalverkehr
       genutzt - und der wird schlechter, weil Anschlusszüge nicht mehr
       aufeinander warten können. Das ist eine Art Lufthansa-Bahn, die dem
       Flugverkehr Konkurrenz machen will.
       
       Trotzdem ist seit Jahren in Stuttgart nichts mehr in die Schiene investiert
       worden. 
       
       Nachholbedarf gibt es nicht nur in Stuttgart. Die Bahn hat über 50
       Großprojekte, die alle deutlich unterfinanziert sind. Allein für die
       bereits begonnenen Projekte fehlen bis zum Jahr 2020 über 20 Milliarden
       Euro. In dieser katastrophalen Lage wird der teuerste Bahnhof Deutschlands
       gebaut, der anderen Projekten das Geld abzieht. Für das Schienennetz in
       Deutschland gibt es wesentlich Wichtigeres: beispielsweise die Anbindung
       der großen Seehäfen oder der Bau der Gütertrasse im Rheintal. So könnten
       Güter von der Straße auf die Schiene verlagert werden.
       
       Auch ohne Stuttgart 21 fehlt Geld für die Bahn. Einfach nach mehr verlangen
       kann angesichts der Krise keine Lösung sein. Was also tun? 
       
       Bahn und Bund müssen Schluss machen mit teuren Prestigeprojekten. Wenn
       Menschen umsteigen sollen, dann muss Geld in den Nah- und Regionalverkehr
       fließen, das ist wesentlich kostengünstiger und effektiver. In den letzten
       25 Jahren wurden über 100 Milliarden in den
       Personen-Hochgeschwindigkeitsverkehr investiert, ohne dass es zu einer
       nennenswerten Verlagerung auf die Schiene kam. Der Güterverkehr wurde
       sträflich vernachlässigt.
       
       Ohne Schnellbahntrassen ist die Bahn auf langen Strecken von Norden nach
       Süden kaum konkurrenzfähig. 
       
       Zwar kann auf einigen Strecken die Bahn das Flugzeug ersetzen, die
       Passagierzahlen rechtfertigen weitere gewaltige Investitionen in
       Schnellbahntrassen aber nicht. Jetzt haben wir einige Streckenabschnitte,
       auf denen man 300 km/h fahren kann, danach geht es mit Tempo 80 und
       langsamer weiter, weil das Geld in der Fläche und für die Instandhaltung
       fehlt. Dafür und für wirkungsvolle kleinere Projekte müssen wir die knappen
       Mittel einsetzen. So können wir die Geschwindigkeit des gesamten
       Schienensystems steigern.
       
       3 Feb 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
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