# taz.de -- Demonstration gegen "Stuttgart 21": Wut auf die Maultaschen-Connection
> Stuttgarts Bürger machen ihrer Wut Luft: Trotz Hitze protestierten am
> Samstag Tausende gegen das teure Bahnprojekt "Stuttgart 21". Sie fühlen
> sich von der Politik übergangen.
(IMG) Bild: Schwitzen für mehr Mitsprache: Tausende Stuttgarter lehnen den beschlossenen Umbau des Hauptbahnhofs ab.
STUTTGART taz | "Unser Bahnhof!" "Unser Park!" "Unsere Stadt!": In
Stuttgart haben am Samstag tausende Bürger bei einer Demonstration in der
Innenstadt deutlich gemacht, worum es ihnen beim Bahnprojekt "Stuttgart 21"
geht: Sie wollen mitreden über das, was in ihrer Stadt passiert. Dabei
übertrafen die Proteste trotz der Hitze alle Erwartungen. "10.000 plus x"
lautete die Zielmarke. Tatsächlich waren es nach Angaben der Veranstalter
knapp 20.000 Menschen. Die Polizei sprach von 5.000.
Am Mittag zogen die Demonstrierenden zunächst in vier Sternmärschen durch
die baden-württembergische Landeshauptstadt und trafen dann im
Schlossgarten zusammen, wo anschließend eine Kundgebung stattfand.
Ausschreitungen gab es keine.
"Stuttgart 21" steht für ein milliardenschweres Bauvorhaben: Der
Stuttgarter Kopfbahnhof soll samt seinen Zu- und Abfahrtsgleisen für 4,1
Milliarden Euro größtenteils unter die Erde und in einen Durchgangsbahnhof
umgebaut werden. Gegengutachten rechnen mit Kosten von mindestens 6,3
Milliarden Euro. Zusätzlich soll für eine Milliardensumme eine
Neubaustrecke nach Ulm gebaut werden.
Die Redner im Schlossgarten betonten jedoch, dass es hierbei um mehr geht
als "nur" um einen neuen Bahnhof: Wählerwille, Demokratie und mündiger
Bürger waren Schlagwörter, die immer wieder fielen.
Viele fühlen sich von den Spitzen der Politik und der Deutschen Bahn
übergangen. Vor allem dass ein Bürgerbegehren mit 67.000 Unterschriften vor
drei Jahren abgeschmettert worden war, nehmen die Menschen den
Projektpartnern übel.
"Stuttgart 21 frisst den letzten Rest an demokratischen Strukturen und den
letzten Rest Anstand auf", sagte Schauspieler Walter Sittler - und
prophezeite: "Historiker werden einmal sagen, mit dem Protest gegen
Stuttgart 21 begann nicht nur eine Regierungsbildung jenseits von
Schwarz-Gelb, sondern eine neue Demokratisierung."
Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des BUND, erklärte, warum eine
Umweltschutzorganisation gegen ein Bahnprojekt protestiert: "Stuttgart 21
kannibalisiert wichtigere Bahnprojekte im Land. Bald wird offensichtlich
werden, dass die begrenzten Finanzmittel für Fernverkehrsprojekte der Bahn
im schwarzen Loch von Stuttgart 21 verschwinden und wichtige
Schienenprojekte im Land deshalb leer ausgehen oder auf Jahre
zurückgestellt werden müssen."
Auch die politischen Redner fanden scharfe Worte gegen ihren Kontrahenten.
"In Sizilien gibt es die Mafia, hier die Maultaschen-Connection", sagte der
Bundesvorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst. Angesichts des Sparpakets
der Bundesregierung kritisierte er, dass in Stuttgart Geld "verzockt"
werde.
Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 zog anschließend eine positive Bilanz
seiner Arbeit. "Spätestens mit dieser Veranstaltung ist unser Protest gegen
Stuttgart 21 im Land angekommen", sagte Gerhard Pfeifer. Es habe kaum eine
Kundgebung in der Landeshauptstadt gegeben, an der sich so viele
Bürgerinnen und Bürger aus Stuttgart, der Region und dem ganzen Land
beteiligten.
11 Jul 2010
## AUTOREN
(DIR) Nadine Michel
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