# taz.de -- Regierungssuche in NRW: Kraft setzt auf Zermürbe-Taktik
> Die Grünen wollen schnellstmöglich eine rot-grüne Minderheitsregierung.
> Doch die SPD scheut das Risiko und will den Politikwechsel aus dem
> Parlament heraus betreiben.
(IMG) Bild: Guckt ganz unschuldig: Hannelore Kraft mit Jürgen Rüttgers Anfang Juni.
DÜSSELDORF taz | Die Grünen machen Druck für eine rot-grüne
Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen. "Herr Rüttgers klebt am
Sessel, obwohl er krachend abgewählt worden ist, und die SPD verweigert
sich - derzeit zumindest - dem Regierungswechsel", sagte die grüne
Landtagsfraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann in Düsseldorf. Das sei "ein
Förderprogramm für Politikverdrossenheit".
Noch halten die Sozialdemokraten allerdings an ihrer Linie fest. "Eine
SPD-geführte Minderheitsregierung wird derzeit nicht angestrebt", beschloss
am Montagabend ihr Landesparteirat einstimmig. Aber nach der
parlamentarischen Sommerpause dürften die Karten neu gemischt werden. "Es
kann Situationen geben, in denen das erforderlich ist, um Schaden vom Land
und seinen Bürgern abzuwenden", räumte die SPD-Landeschefin Hannelore Kraft
ein.
Dabei hat die Oppositionsführerin den Bundesrat im Auge: Sollte dort etwa
die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke mit den Stimmen aus NRW
verhindert werden können, sei durchaus denkbar, dass sie sich doch noch als
Ministerpräsidentin zur Wahl stellt: "Das haben wir sehr wohl im Blick."
Doch gerne würde Kraft darum herumkommen. Sie will jedes Risiko vermeiden.
Unsicher sei, ob nicht doch schwarz-grün orientierte Grüne in der geheimen
Wahl für CDU-Mann Jürgen Rüttgers stimmen könnten, glauben führende
Genossen. Auch von möglichen Abweichlern in den eigenen Reihen ist die
Rede. Wie ihre Parteifreundinnen Ypsilanti und Simonis in Hessen und
Schleswig-Holstein könnte Kraft durchfallen - und stünde damit vor dem
politischen Aus.
Deshalb setzt sie lieber auf eine Zermürbungsstrategie mit dem Ziel
Neuwahlen: Spätestens beim Scheitern eines schwarz-gelben Haushalts im
Herbst werde der nur noch geschäftsführende CDU-Ministerpräsident Rüttgers
bereit zu einem erneuten Urnengang sein, hofft Kraft. Bis dahin will sie
den von ihr propagierten "Politikwechsel" aus dem Parlament heraus
vorantreiben: mit Gesetzentwürfen etwa für mehr Mitbestimmung im
Öffentlichen Dienst, zur Abschaffung der von Schwarz-Gelb eingeführten
Kopfnoten oder der Studiengebühren.
Im Düsseldorfer Landtag verfügen SPD und Grüne mit 90 von 181 Sitzen über
zehn Stimmen mehr als CDU und FDP. Zünglein an der Waage ist die
Linkspartei mit elf Mandaten. Die Sozialdemokraten gehen davon aus, dass
deren Abgeordnete auch ohne vorherige Absprachen ihre Initiativen nicht
gemeinsam mit Schwarz-Gelb ablehnen werden. Doch ganz so einfach wollen es
die linken Parlamentsfrischlinge den Genossen nicht machen. "Wir werden
nicht das Stimmvieh von SPD und Grünen geben", kündigte Rüdiger Sagel, der
Vizefraktionsvorsitzende der Linken, bereits an.
Die Grünen stehen der SPD-Strategie mehr als skeptisch gegenüber. "Allein
aus dem Parlament heraus zu gestalten, stößt unmittelbar an Grenzen und
kann keinen Politikwechsel herbeiführen", kritisierte Fraktionschefin
Löhrmann. So könne die geschäftsführende Regierung haushaltsrelevante
Beschlüsse blockieren. Nur mit einer so schnell wie möglich zu bildenden
rot-grün geführten Administration könnten wichtige politische Ziele
systematisch umgesetzt werden - und wenn es sein muss, eben auch mit
wechselnden Mehrheiten.
16 Jun 2010
## AUTOREN
(DIR) Pascal Beucker
(DIR) Andreas Wyputta
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