# taz.de -- Wegen vorzeitigen Entlassugnen: Fußfessel für Gewalt- und Sexualtäter
       
       > Inhaftierte, die aus der Sicherungsverwahrung kommen, sollen elektronisch
       > überwacht werden, plant die Koalition - und reagiert damit auf ein Urteil
       > des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
       
 (IMG) Bild: Ein GPS-Sender am Bein soll der Polizei melden, wenn sich der Überwachte zum Beispiel einem Kindergarten oder einer Schule nähert.
       
       FREIBURG taz Die schwarz-gelbe Koalition plant die Einführung von
       "elektronischen Fußfesseln" für gefährliche Straftäter, die aus der
       Sicherungsverwahrung entlassen werden müssen. Das erfuhr die taz aus
       Koalitionskreisen. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
       (FDP) wird bei der Justizministerkonferenz, die am Mittwoch und Donnerstag
       in Hamburg stattfindet, einen entsprechenden Regelungsvorschlag vorstellen.
       
       Anlass der Reform ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für
       Menschenrechte in Straßburg aus dem letzten Dezember. Danach müssen rund 70
       Straftäter, die laut Gutachten noch als gefährlich gelten, sofort aus der
       Sicherungsverwahrung entlassen werden. Weitere rund 60 Personen können in
       den nächsten Jahren mit einer vorzeitigen Entlassung rechnen. Straßburg
       hatte bei diesen "Altfällen" die vor 1998 verurteilt wurden, die
       gesetzliche Entfristung der bis dahin maximal zehnjährigen Verwahrung für
       rechtswidrig erklärt.
       
       Bisher weigert sich die Justiz noch, die rund 70 Betroffenen zu entlassen,
       lange wird sie das aber nicht mehr durchhalten. Der Bundesgerichtshof hat
       bereits unmissverständlich klargestellt, dass das Straßburger Urteil nicht
       nur für den konkreten Kläger, sondern auch für alle Fälle gilt.
       
       Schon im Mai hat deshalb der Stuttgarter Justizminister Ulrich Goll (FDP)
       vorgeschlagen, die noch gefährlichen Männer nach ihrer Entlassung mit
       elektronischen Fußfesseln zu überwachen. Ein GPS-Sender am Bein solle dann
       der Polizei melden, wenn sich der Überwachte zum Beispiel einem
       Kindergarten oder einer Schule nähert. Solche Näherungsverbote sind heute
       schon im Rahmen der Führungsaufsicht möglich, bei Verstößen droht neue Haft
       bis zu drei Jahren. Die elektronische Überwachung würde nur die
       Durchsetzung der Weisungen verbessern.
       
       Die CDU/CSU-Fraktion hat vor zwei Wochen Golls Konzept in einem
       Eckpunkte-Papier aufgegriffen. Inzwischen ist auch die
       Bundesjustizministerin auf diese Linie eingeschwenkt. Es gibt hier also
       keinen Dissens in der Koalition.
       
       Doch selbst wenn das Strafgesetzbuch vom Bundestag wie geplant in Paragraf
       68b ergänzt würde, so wäre der konkrete Schutz sehr begrenzt. Wenn sich ein
       Täter einem Kindergarten nähert, würde dies nur dann automatisch der
       Polizei gemeldet, wenn auch der Kindergarten mit einem entsprechenden
       GPS-Gerät ausgestattet würde. Und die Länder werden vermutlich nicht alle
       Kindergärten und Schulen entsprechend ausrüsten - zumal Kinder ja auch an
       vielen anderen Orten zu finden sind.
       
       21 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Diskussion um elektronische Fußfessel: Markige Worte, softe Vorschläge
       
       Innenminister de Maizière findet die Überwachung von Straftätern per
       Fußfessel als unzureichend. Diskutiert wird deshalb jetzt eine alternative
       Strafhaft mit Therapieangebot.
       
 (DIR) Streit um Sicherungsverwahrung: Ausweiten oder Abschaffen
       
       Die Union will Straftäter durch Sicherheitsverwahrung länger im Gefängnis
       halten - entgegen europäischem Recht. Dagegen will die Justizministerin die
       nachträgliche Sicherungsverwahrung abschaffen.
       
 (DIR) Reform der Sicherungsverwahrung: Künftig auch bei Ersttätern
       
       Die Justizministerkonferenz der Länder begrüßt die geplante Reform der
       Sicherungsverwahrung. Bei Altfällen soll die elektronische Fußfessel zum
       Einsatz kommen.
       
 (DIR) Urteil zu Sicherungsverwahrung: CDU diskutiert Fußfessel
       
       Die CDU will die Sicherungsverwahrung neu regeln. Angedacht ist auch, dass
       Gewalt- und Sexualstraftäter nach verbüßter Haftzeit eine elektronische
       Fußfessel tragen sollen.
       
 (DIR) Fußfessel statt Gefängnis: Modellversuch in Baden-Württemberg
       
       75 Gefangene dürfen im kommenden Jahr einen Teil ihrer Strafe zu Hause
       absitzen. Sie nehmen an einem Test mit elektronischen Fußfesseln teil.