# taz.de -- General McChrystal & der "Rolling Stone": Immer dort, wo es stinkt
       
       > Der "Rolling Stone" bringt General McChrystal zu Fall, und die "seriösen
       > Medien" fragen sich, wie das einem Musikmagazin gelingen konnte. Sie
       > haben keine Ahnung.
       
 (IMG) Bild: Warum hat General Stanley McChrystal diesem "Musikmagazin" das Interview gegeben, das ihn seinen Job kostete?
       
       Am heutigen Donnerstag erscheint in den USA der aktuelle Rolling Stone - in
       seiner üblichen frivolen Verkleidung: Auf dem Cover posiert Lady Gaga in
       einem BH mit delikaten Maschinengewehr-Applikationen, in der
       Titelgeschichte plaudert die Sängerin über ihr "gebrochenes Herz, ihre
       bitteren Fantasien und ihre epischen Ambitionen". Hochinteressant. Doch
       "seriöse Medien" fragen sich weltweit, warum General Stanley McChrystal
       diesem "Musikmagazin" das Interview gegeben hat, das ihn seinen Job
       kostete.
       
       Beim Spiegel wird spekuliert, McChrystal müsse den freien Journalist
       Michael Hastings für den Vertreter eines "lockeren, seichten" Blättchens
       gehalten haben. Dabei ist der Rolling Stone schon längst kein Musikmagazin
       mehr (in jeder deutschen Tageszeitung werden innerhalb von zwei Wochen mehr
       Texte zu popkulturellen Themen präsentiert als im zweiwöchig erscheinenden
       Rolling Stone), sondern eine bissige Zeitschrift für gesellschaftliche,
       wirtschaftliche oder politische Themen, gegen die selbst die Konkurrenten
       von Vanity Fair, Newsweek oder dem Time Magazine oft wirken wie beflissene
       Schoßhündchen.
       
       Warum aber hat der General keines der Zitate dementiert, die der Reporter
       Michael Hastings in seiner Funktion als "fly on the wall" (teilnehmender
       Beobachter) aufzeichnete? Erstens, weil im angelsächsischen Journalismus
       Autorisierungen nicht üblich sind - gesagt ist gesagt. Und zweitens, weil
       er mit seinen saloppen Bemerkungen bei genau den liberalen und
       autoritätskritischen Lesern reüssieren wollte, die einen Obama ins Amt
       gewählt haben, die hierzulande als Alt-68er bezeichnet werden und seit 1967
       den Rolling Stone lesen. Heute liegt seine Auflage weit über einer Million
       Exemplaren.
       
       Seit seiner Gründung durch den Jazzkritiker Ralph Gleason und den noch
       heute amtierenden Herausgeber Jann Wenner fühlt sich der Rolling Stone der
       Gegenkultur verpflichtet - der romantischen Idee, aus Pop und Politik könne
       dereinst ein alternativer Gesellschaftsentwurf erblühen. Dafür standen und
       stehen bis heute Ausnahmeschreiber wie Hunter S. Thompson, P. J. ORourke
       oder Tim Dickinson, die ihre Nasen überall da hineinsteckten, wo es stank
       und von Ungeziefer wimmelte -von krummen Wahlkampftouren über die
       organisierte Umweltverschmutzung bis zur kriminellen Finanzwelt. Autor Matt
       Taibbi bezeichnete etwa eine Bank wie Goldman Sachs als "enormen
       Tintenfisch, der sich um das Gesicht der Menschheit geschlungen hat und
       seine blutsaugenden Trichter in alles rammt, was nach Geld riecht". Der Ton
       macht die Musik, und diese Musik ist dem Publikum hierzulande offenbar
       nicht zuzumuten. So stand im Rolling Stone, McChrystal führe einen "fucking
       war". In der ARD-Tagesschau wurde daraus "einer der wichtigsten Kriege". So
       ist leider auch der deutsche Rolling Stone, eine Springer-Lizenzproduktion,
       inhaltlich das exakte Gegenteil. Da werden Mächtige nicht verärgert,
       sondern hofiert. Der Vorstandschef des Energiekonzerns RWE, Jürgen
       Großmann, wurde dort als irgendwie cooler Surfer abgelichtet und
       seitenweise investigativ zu seiner Vorliebe für die Beach Boys befragt.
       Titel: "Der DAX rockt!"
       
       24 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Arno Frank
       
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