# taz.de -- Nach Angriff auf "Freiheit statt Angst"-Demo: Rückschlag für die Polizei
       
       > Ein Demonstrant wurde von Polizisten verprügelt - und angezeigt. Das
       > Verfahren ist eingestellt. Er hätte sich sogar wehren dürfen, erklärt die
       > Staatsanwaltschaft.
       
 (IMG) Bild: Direkt ins Gesicht: Polizeibeamter schlägt den "Mann in blau"
       
       BERLIN taz | Zwei Polizisten schlagen einen Demonstranten. Damit nicht
       genug: Auch ein Verfahren wegen Widerstands hängen sie ihm an. Doch die
       Polizei scheitert damit grandios. Das Verfahren gegen den damals
       37-Jährigen wird nach neun Monaten eingestellt und die Staatsanwaltschaft
       gibt sogar zu: Der Mann hätte sich gegen die Polizeigewalt wehren dürfen.
       
       12. September 2009: In Berlin demonstrieren Zehntausende gegen
       Datenspeicherung. Die "Freiheit statt Angst"-Demo verläuft weitgehend
       friedlich. Am Rande kommt es aber zu einem gewalttägigen Übergriff von
       Polizisten. Noch am Abend macht ein [1][Video] im Internet die Runde, auf
       dem zu sehen ist, wie zwei Beamten einen Radfahrer - wegens seines T-Shirts
       später "Mann in blau" genannt - anscheinend grundlos attackieren und heftig
       ins Gesicht schlagen. Weitere Videos tauchen auf. Der Radfahrer erstattet
       Anzeige. Die Polizisten erstatten Gegenanzeige, wegen Widerstandes gegen
       Vollstreckungsbeamte. Die beiden Beamten behaupteten, der Mann in Blau sei
       durch Stören aufgefallen, habe Platzverweise erhalten und Widerstand
       geleistet.
       
       Nach einem dreiviertel Jahr läuft das Verfahren gegen die Beamten noch, das
       gegen den "Mann in blau" wurde jetzt sang- und klanglos eingestellt. Eine
       "Schweinerei" sei es, dass es so lange gedauert hat, sagt sein Rechtsanwalt
       Johannes Eisenberg. Die Polizei habe einen Komplott geschmiedet, seinen
       Mandanten verleumdet. "Dabei sind die Polizeibeamten knallharte Schläger,
       das sieht man in den Videos deutlich."
       
       Eisenberg spielte selbst den Ermittler und ließ [2][vier Videos des
       Vorfalls mit zwei Polizeivideos synchronisieren]. Sie wurden nebeneinander
       gestellt, so dass das Geschehen gleichzeitig aus mehreren Perspektiven zu
       sehen ist. Dabei wird deutlich: Der Verprügelte hat nicht gestört, keinen
       Widerstand geleistet, wurde nicht festgenommen. Die Polizeigewalt war
       grundlos.
       
       Bis diese Erkenntnis auch zur Staatsanwaltschaft durchdrang, dauerte es
       neun Monate. "Hinweise auf aktiven Widerstand, den die vernommenen Beamten
       lediglich pauschal behaupten, lassen sich dem Video nicht entnehmen",
       zitiert Eisenberg aus der Abschlusserklärung der Staatsanwaltschaft, mit
       der das Verfahren eingestellt wurde. "Es gab für den Faustschlag in das
       Gesicht des Radfahrers keinen Grund", heißt es weiter. Daraus folgert die
       Staatsanwaltschaft schließlich Bemerkenswertes: "Er [der Radfahrer, d.
       Red.] hätte sich insoweit dieser Maßnahme im Weiteren auch (straflos)
       widersetzen dürfen."
       
       "Der Bürger darf sich gegen Polizeigewalt wehren, Gleiches mit Gleichem
       vergelten", folgert Eisenberg. Wenn sein Mandant körperlich in der Lage
       gewesen wäre, hätte er demnach zurückschlagen dürfen. Folgt auch die
       Staatsanwaltschaft dieser Interpretation? "Kein Kommentar", sagt Sprecher
       Martin Steltner. Wie lange werde das Ermittlungsverfahren gegen die
       Polizeibeamten noch dauern? "Kein Kommentar", so Steltner. Inwieweit haben
       die Videos zur Einstellung des Verfahrens beigetragen? Auch dazu "kein
       Kommentar" vom Sprecher der Staatsanwaltschaft.
       
       "Vor allem der Zusammenschnitt der Videos hat dazu beigetragen, dass die
       völlig entgegengesetzten Behauptungen der Polizeibeamten widerlegt wurden",
       sagt Andy Müller-Maguhn, Vorstand des Chaos Computer Clubs, dessen
       Mitstreiter vor allem den Vorfall filmten. "Wir hoffen, dass auch
       nicht-technikaffine Demoteilnehmer ermutigt werden, eine Kamera mitzunehmen
       und zu filmen", so Müller-Maguhn. Nicht nur im Falle einer Ermittlung könne
       das - wie der Fall zeige - sinnvoll sein. "Vielleicht hat das ja auch
       präventive Wirkungen und ändert das Verhalten der Polizisten."
       
       14 Jul 2010
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://ccc.mirrors.as250.net/fsa09-043.mp4
 (DIR) [2] http://ftp.ccc.de/events/freiheit_statt_angst_demo_Sep2009/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Paul Wrusch
       
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