# taz.de -- Nach Übergriff bei Datenschutz-Demo: Opfer geht gegen Polizeichef vor
       
       > Nach einem Polizeiübergriff bei einer Demo gegen Datenspeicherung geht
       > das Opfer gerichtlich gegen Berlins Polizeipräsidenten vor. Videos
       > widerlegen dessen Darstellung.
       
 (IMG) Bild: Weitgehend friedlich: Demonstration gegen Überwachung im September.
       
       BERLIN taz | Gegen Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch wurde am
       Dienstag eine Anordnung auf einstweilige Unterlassung beantragt. Dem Antrag
       zufolge wird es Glietsch untersagt, weiter zu behaupten, der 37-jährige H.
       trage eine Mitschuld an dem gewaltsamen Übergriff. H. wurde bei der
       "Freiheit statt Angst"-Demo vor knapp zwei Wochen von Polizeibeamten
       verprügelt. Strafverteidiger Johannes Eisenberg hat die Anordnung, die der
       taz vorliegt, dem Berliner Verwaltungsgericht zukommen lassen. In Kürze
       werde die zuständige erste Kammer darüber entscheiden, erklärte ein
       Gerichtssprecher.
       
       Bei der weitgehend friedlichen Demonstration gegen Datenspeicherung am 12.
       September war H. von Beamten brutal zusammengeschlagen worden. Mitglieder
       des Chaos Computer Clubs hatten die Szene gefilmt und im Netz verbreitet
       (taz berichtete). Polizeipräsident Dieter Glietsch nahm zu dem Vorfall am
       Montag vor dem Berliner Innenausschuss Stellung. Dort erklärte er, dass der
       37-Jährige bei der Demo "durch permanentes Stören" aufgefallen sei. Er habe
       sein Fahrrad blockierend zwischen die Beamten geschoben und sei trotz
       mehrfacher Platzverweise "am Ort geblieben und hat die Maßnahmen weiter
       gestört". Im Unterlassungsantrag heißt es deshalb, Glietsch gefalle sich
       darin, H. "zu verleumden und öffentlich zu verbreiten, er habe Anlass für
       die niederträchtige ,Behandlung' durch die beamteten Schläger geliefert".
       
       Zahlreiche Videoaufnahmen widerlegen zudem die Darstellung des
       Polizeipräsidenten. Darauf ist deutlich zu erkennen, dass der "Mann in
       Blau", wie er von der Netzcommunity bezeichnet wird, kurz vor dem Übergriff
       der Polizeibeamten den Ort des Geschehens mit seinem Fahrrad verlassen
       will. Ein Beamter zerrt ihn dabei am T-Shirt zurück. Mehrfach wird er ins
       Gesicht geschlagen, geht dann in einem Pulk von Polizisten unter und wird
       festgenommen.
       
       Gegen zwei Beamte wurde am letzten Freitag Strafanzeige wegen gefährlicher
       Körperverletzung gestellt. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt. Die
       Polizisten wurden in den Innendienst versetzt, eine sofortige Suspendierung
       käme einer Vorverurteilung gleich, so Glietsch.
       
       In der Anzeige gegen die Beamten wird erstmals auch ein Zeuge U. zitiert,
       der nach eigener Aussage bei dem Vorfall ebenfalls Opfer von Polizeigewalt
       wurde. "Ich werde in das Geschehen geschubst, die Beamten sind hinter mir
       und ich werde mehrmals ins Gesicht geschlagen", erklärte er.
       
       Die Polizeibeamten stellten ihrerseits gegen den 37-jährigen H.
       Strafanzeige wegen Widerstands gegen Vollzugsbeamte. Die Berliner
       Staatsanwaltschaft gab am Mittwoch trotz mehrfacher Nachfrage zu keinem der
       Verfahren eine Auskunft über den Ermittlungsstand.
       
       Im Normalfall würde das Verwaltungsgericht die Polizeibehörde jetzt zu
       einer Stellungnahme auffordern und Polizeipräsident Glietsch bis zur
       endgültigen Entscheidung über den Antrag zum Schweigen auffordern. Bis
       Redaktionsschluss hatte die erste Kammer des Verwaltungsgerichts noch nicht
       über den Antrag entschieden. (Az.: VG1L 8015-09)
       
       24 Sep 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Paul Wrusch
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar „Mann in blau“: Harte Polizisten, milde Justiz
       
       Das Landgericht Berlin hat die Strafen für prügelnde Polizisten auf der
       „Freiheit statt Angst“-Demo abgemildert. Das ist ein fatales Signal.
       
 (DIR) Urteil zu Polizeigewalt: Blaues Auge für Polizisten
       
       Die beiden Polizisten, die 2009 den "Mann in Blau" verprügelten, sind zu
       einer Geldstrafe verurteilt worden. Am Ende kam es im Prozess zu einer
       verbalen Entgleisung.
       
 (DIR) Polizisten vor Gericht: Verteidiger wollen Freispruch für Faustschläge
       
       Über zwei Jahre nach dem Polizeiübergriff auf einen Demonstranten hat das
       Verfahren begonnen. Die Polizisten rechtfertigen ihr Verhalten.
       
 (DIR) Demo "Freiheit statt Angst": Freiheitskämpfern fehlen Feinde
       
       In den vergangenen Jahren wurde die "Freiheit statt Angst"-Demo zum Zentrum
       der neuen Bürgerrechtsbewegung. In diesem Jahr fehlen Themen und Gegner.
       
 (DIR) Nach Angriff auf "Freiheit statt Angst"-Demo: Rückschlag für die Polizei
       
       Ein Demonstrant wurde von Polizisten verprügelt - und angezeigt. Das
       Verfahren ist eingestellt. Er hätte sich sogar wehren dürfen, erklärt die
       Staatsanwaltschaft.