# taz.de -- Google Street View und Netzneutralität: Das unsichtbare Zweite
       
       > Netzneutralität – schon mal gehört? Nee, derzeit dreht sich ja alles um
       > Google Street View. Der Rummel um Wuppertal in 3-D verdeckt eine wichtige
       > Verteilungsdebatte.
       
 (IMG) Bild: Ausgebremst auf der Datenautobahn – Google wählte den Zeitpunkt für die Ankündigung von Streetview in Deutschland äußerst geschickt.
       
       Deutsche Politiker werden zu Widerstandskämpfern. Der Grund: der
       Streetview-Dienst von Google. Noch 2010 will der Suchmaschinenkonzern im
       Internet 20 deutsche Städte abbilden. Thomas Oppermann, parlamentarischer
       Geschäftsführer der SPD-Fraktion, oder Monika Grütters, Vizechefin der
       Berliner CDU, wollen ihre Häuser verpixeln lassen. Und lassen mitteilen:
       Man hoffe, dass möglichst viele Bürger mitmachen. Wenn schon Aufruhr
       anzetteln, dann wenigstens als Anführer.
       
       Nicht ganz so wichtige Mitglieder der schwarz-gelben Regierungskoalition
       wie der verbraucherschutzpolitische Sprecher der Union, Peter Bleser, zogen
       dann noch nach, er fordert "eine generelle Regelung", welche unser aller
       Privatsphäre im Internet schützt. So weit die Nachrichten.
       
       Die große Aufregung produziert einen faden Beigeschmack. Denn zum einen
       erregen sich hier mit Thomas Oppermann, seit Jahren ein führender
       Innenpolitiker der Bundes-SPD, oder Monika Grütters Politiker, die im
       Bundestag für Überwachungsmaßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung
       gestimmt haben, sie im Fall von Oppermann auch mitvorangetrieben haben.
       Monika Grütters findet auch Videoüberwachung gut. Nur von ihrer Heimstatt
       möge sich bitte kein Fremder ein Abbild machen.
       
       Das erinnert ein wenig an die Aufregung, als die NPD ins sächsische
       Parlament einzog und CDUler - bislang davon überzeugt, es gebe in und um
       Dresden keinen Rechtsextremismus - dort im Landtagsklo neben Hitlers Erben
       am Pinkelbecken stehen mussten. Scheiße, den Neonazi gibts ja echt. Ja,
       Überwachung und das ungute Gefühl dabei, das ist auch echt.
       
       Zum Zweiten ist es aber bei Debatten um Überwachung, Datenschutz und allem,
       was irgendwie mit dem Internet zu tun hat, leider auch so, dass sie desto
       mehr Aufmerksamkeit schaffen, je sichtbarer ihr Subjekt ist. Solche Themen
       sind heutzutage nämlich meist abstrakt, weil keine riesigen Bürokratien in
       großen Bauten mehr nötig sind, um große Datenmengen zu sammeln. Sondern ein
       paar Festplatten, Leitungen und Menschen, die sich auskennen.
       
       Datenpakete sind immateriell und damit schwer dar- und vorstellbar. Wenn
       ein Thema aus diesem Muster herausfällt, wird es sogleich umso
       interessanter - Fernsehen und Zeitungen können Bilder dazu zeigen. Google
       Street View ist nun so ein Thema, weil es praktisch aus nichts anderem
       besteht als aus Sichtbarkeit und Sichtbarmachung - vor allem der
       gefürchteten eigenen.
       
       Dabei geht eine Debatte unter, die auch mit Google und mit dem Internet zu
       tun hat. In klassischer linker Terminologie würde man sagen: eine
       Verteilungsdebatte. Es geht verkürzt gesagt darum, dass Google mit
       Netzbetreibern offenbar darüber verhandelt, ob einige Daten, zum Beispiel
       die eigenen, schneller befördert werden sollen als die von anderen.
       
       Mit dem US-Betreiber Verizon hat der Suchmaschinenkonzern ein Abkommen
       ausgehandelt, welches zumindest für mobil übertragene Daten die
       Schlussfolgerung zulässt, Google wolle gern einen Premiumtransport für
       seine Inhalte. Und die Bundesnetzagentur warnt derzeit, weil Google und die
       Telekom wohl Gespräche über ein ähnliches Anliegen führen.
       
       Netzneutralität heißt hier das Schlagwort, wieder furchtbar abstrakt und
       auch schwer zu fotografieren. Im Kern geht es um die Frage, ob alle im Netz
       gleich sind oder manche gleicher. Ob ein Frauenhaus, Großmutter Erna
       Pachulke oder Pro Asyl ein Recht darauf haben, dass ihre Daten genauso
       schnell im Netz befördert werden wie die eines Großkonzerns. Das Problem
       wird nicht abstrakt bleiben, sondern sehr konkret werden, sollten einige
       von uns an einem nicht so fernen Tag vor ihrem ruckelnden Internetanschluss
       am Computer sitzen, während Google-Suchmeldungen über die Datenautobahn
       rasen. Also: Obacht! Aber, und das ist leider auch immer noch so ein Manko
       der Netzdiskurse im Hauptnachrichtenstrom: Es kann nur einen geben.
       
       12 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Schulz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
       
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