# taz.de -- EU kritisiert Frankreichs Roma-Politik: 100 Euro "Rückkehrhilfe"
> Der Vorsitzende der Europa-Sozialdemokraten, Martin Schulz, fordert
> Konsequenzen bei Frankreichs Roma-Politik. EU-Kommission zieht
> Vereinbarkeit mit EU-Recht in Zweifel.
(IMG) Bild: Französische Polizisten räumen ein Roma-Camp in der nähe von Lille.
BRÜSSEL taz | Die Abschiebung der Roma, die aus Bulgarien und Rumänien nach
Frankreich zugewandert sind, hat der Fraktionschef der Sozialdemokraten im
Europaparlament scharf kritisiert. "Es ist unzulässig, dass Staatspräsident
Sarkozy im eigenen Land eine Strategie der Ablenkung fährt - auf dem Buckel
von 8.000 Menschen", erklärte Martin Schulz gestern in Brüssel. "Roma sind
EU-Bürger und verfügen über alle Rechte europäischer Bürger."
Schon im März habe das Europaparlament in einer Resolution konkrete
Maßnahmen zur besseren Integration und Betreuung dieser Menschen gefordert.
Ihr Recht auf Freizügigkeit müsse gewahrt werden. Ein Leben ohne festen
Wohnsitz sei Bestandteil ihrer Identität. Städte und Gemeinden müssten in
die Lage versetzt werden, menschenwürdige Unterkünfte für Fahrende
einzurichten und die Kinder in Schulen aufzunehmen.
Die für juristische Aspekte des Problems zuständige Justizkommissarin
Viviane Reding hat die rechtliche Situation der nach Frankreich
zugewanderten Roma untersuchen lassen. In der unter Verschluss gehaltenen
Analyse, die aber an die Medien durchsickerte, werden erhebliche Zweifel
geäußert, dass die französische Abschiebepraxis mit EU-Recht vereinbar ist.
"Die Zahlung einer Pauschale reicht nicht aus, um zu sagen, dass die
Ausreise nicht unter geltendes EU-Recht fällt", heißt es in dem Papier.
Die französische Regierung zahlt jedem Erwachsenen 300 Euro, jedem Kind 100
Euro als "Rückkehrhilfe" und behauptet, die Personen reisten daraufhin
freiwillig aus. Auch müsse laut EU-Recht in jedem Einzelfall überprüft
werden, ob eine Abschiebung gerechtfertigt sei. Betroffene müssten zudem
Rechtsmittel einlegen können.
Auch Schulz räumt ein, dass das Aufenthaltsrecht von EU-Bürgern eine
rechtliche Grauzone ist. Skandalös sei aber, dass die Kommission die
Ergebnisse ihrer juristischen Bewertung nicht veröffentliche. "Es ist schon
beachtlich, wenn eine Behörde die Prüfung der Anwendung der Grundrechte zur
Verschlusssache erklärt", sagte Schulz. Die EU-Kommission versucht unter
Verweis auf ihre Rechtsauslegung Druck auf die französische Regierung
auszuüben.
Am Freitag sind erneut französische Regierungsvertreter zu Gesprächen mit
Kommissionsvertretern in Brüssel. Auf ein Vertragsverletzungsverfahren wird
sich Brüssel aber kaum einlassen. Davor schreckte die Barroso-Kommission
schon vor zwei Jahren zurück, als die italienische Regierung Jagd auf
rumänische Staatsangehörige machte und viele Roma abschob.
2 Sep 2010
## AUTOREN
(DIR) Daniela Weingärtner
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