# taz.de -- Kommentar Roma in Frankreich: Nicht weit weg von "Sippenhaft"
       
       > Die Roma sind ein leichtes Opfer für eine Ordnungspolitik, die bei
       > verängstigten Bürgern billigen Applaus erheischt. Sarkozy handelt ebenso
       > demagogisch wie gefährlich.
       
 (IMG) Bild: Flagge zeigen gegen Antiziganismus: Demontrationen in Frankreich gegen die Abschiebung von Roma.
       
       Offiziell ist es in Frankreich noch kein Verbrechen, ein Rom aus Rumänien
       oder Bulgarien zu sein. De facto aber werden diese EU-Bürger durch die
       französische Regierung nicht mehr wie Individuen mit Grundrechten
       behandelt. Sondern wie Feinde - als Angehörige einer ethnischen Gruppe, die
       in der Gesellschaft feindselige Vorurteile wecke und sich deshalb ihre
       Probleme selbst eingebrockt habe.
       
       Die Roma sind ein leichtes Opfer für eine Ordnungspolitik, die bei
       verängstigten Bürgern billigen Applaus erheischt. Wie früher "Zigeuner",
       wird in der Regierungspropaganda das Wort "Roma" zu einem Synonym für Diebe
       und lästige Bettler, deren Abschiebung gar keiner weiteren Begründung mehr
       bedarf: Die ethnische Zugehörigkeit reicht dafür aus. Aus einem früher
       geduldeten Roma-Camp unter einer Autobahn wird nun automatisch eine
       "illegale Besetzungsaktion", die als Problem für die öffentliche Ordnung
       mit massivem Polizeiaufgebot beendet werden muss.
       
       In Ermangelung anderer Leistungsbeweise werden die Zahlen der polizeilichen
       Räumungsaktionen und der "freiwillig" oder zwangsweise Abgeschobenen stolz
       auf einer Pressekonferenz als Erfolgsbilanz präsentiert. Das ist ebenso
       demagogisch wie gefährlich. Denn wer wollte ernsthaft behaupten, dass diese
       armen Familien, die in ihrer Zuflucht wie in ihrem Herkunftsland
       ausgegrenzt leben, eine Gefahr für Frankreichs Sicherheit darstellen? Wer
       glaubt auch nur eine Sekunde lang, mit diesem demonstrativen Rauswurf werde
       etwas Positives zur Integration der Roma in Europa geleistet?
       
       Diese Jagd auf öffentlich markierte Sündenböcke dient der Abschreckung. Mit
       den Roma wird ein negatives Exempel für eine Politik statuiert, die Nicolas
       Sarkozy bereits vorschwebte, als er noch als Innenminister von einer
       "selektiven Immigration" sprach. Deutlich wird, dass es ihm dabei eben
       nicht bloß um individuelle Qualifikation als positives Kriterium geht. In
       einem negativen und ausgrenzenden Sinn betrachtet er Herkunft auf eine
       Weise, die nicht mehr weit von "Sippenhaft" entfernt ist. Diese Politik
       instrumentalisiert vorsätzlich existierende Ressentiments. Das Risiko ist
       groß, dass diese Politik von Frankreich und Italien auf das restliche
       Europa abfärbt, wenn sie von einer europäischen Öffentlichkeit nicht
       deutlich genug abgelehnt wird.
       
       5 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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