# taz.de -- Vier Jahre Piratenpartei Deutschland: Mehr Freiheit im Park
       
       > Auf der Suche nach neuen Themen: Die Piratenpartei feiert ihren vierten
       > Geburtstag und will künftig für "Freiräume" kämpfen - zum Beispiel für
       > den Tempelhofer Park.
       
 (IMG) Bild: Piratenschiff auf der Spree, fotografiert im August 2009.
       
       2010 war bislang kein gutes Jahr für die Piraten. Nachdem die junge Partei
       bei der Bundestagswahl 2009 mit zwei Prozent Stimmenanteil einen
       Achtungserfolg erzielen konnte, blieb das Ergebnis bei den Landtagswahlen
       in Nordrhein-Westfalen mit 1,5 Prozent hinter den Erwartungen.
       
       Nur eine Woche später sollte auf einem Bundesparteitag in Bingen eine
       Neuausrichtung gelingen. Doch allein für die Vorstandswahl brauchte man
       zehn Stunden. Für Programmdiskussionen blieb keine Zeit. In den Vorstand
       wählten die Piraten außerdem nur Männer. Das wirkt nicht gerade
       fortschrittlich.
       
       Am 10. September 2006 wurde die deutsche Piratenpartei von
       Internetaktivisten in Berlin gegründet. Den vierten Geburtstag nutzten
       Parteiaktivisten, um in der Berliner Geschäftsstelle ein Resümee zu ziehen.
       Dabei war die Botschaft klar: Der Blick geht nach vorne, aus den Fehlern
       der Vergangenheit will man lernen. Aber neue Themen werden dringend
       gesucht. „Wir wollen bei den Landtagswahlen im nächsten Jahr zeigen, dass
       wir das Ergebnis der Bundestagswahl halten und sogar ausbauen können“,
       kündigt Vorstandsmitglied Christopher Lauer an. Dafür müsse man aber eine
       größere Wählerschaft erreichen. „Wir müssen deshalb unsere Themen
       ausweiten“, sagt Lauer, und fügt hinzu: „Wir dürfen das nicht wahllos tun.“
       
       Es ist die große Frage für eine Partei, die vor allem mit einem Thema –
       Stärkung der Bürgerrechte im Netz – groß geworden ist, mit welchen Inhalten
       und Positionen sie für ein breiteres Publikum interessant werden kann. Die
       Piraten glauben, dass sie die meisten politischen Positionen mit
       Ableitungen aus ihren Grundüberzeugungen Transparenz, Freiheit und breiter
       Beteiligung begründen können. Martin Haase, der sich selbst als
       „Basispirat“ bezeichnet, nennt als Beispiel: „Wir sind gegen abgeschlossene
       Parks und verschlossene Freiräume.“ Das sei eine einfache Übertragung ihrer
       Forderung nach Freiheit im Netz auf die „analoge“ Welt.
       
       In Berlin wenden sich die Piraten damit zum Beispiel gegen die Umzäunung
       des Tempelhofer Felds, dem Gelände des ehemaligen Stadtflughafens. Einige
       andere Themen fallen Haase, der in einer Schöneberger Basisgruppe aktiv
       ist, auch noch ein. „Bildung ist ein Kernthema der Piraten“, sagt er. „Das
       ist ein internetnahes Thema, es geht um freies Wissen.“ Deshalb sei man
       gegen Studiengebühren, die den freien Zugang einschränken.
       
       Wenn im Herbst 2011 in Berlin Abgeordnetenhaus und
       Bezirksverordnetenversammlungen gewählt werden, müssen die Piraten Inhalte
       anbieten können, die auch in den Bezirken vor Ort relevant sind. Die Partei
       glaubt dabei an ihre Chance. In einigen Bezirken wie Mitte, Pankow und
       Friedrichshain-Kreuzberg rechnet die Partei fest mit einem Einzug in die
       Parlamente, denn auf Bezirksebene gilt nur eine Drei-Prozent-Hürde. „Und
       wenn wir uns wirklich ins Zeug legen“, sagt Vorstandsmitglied Lauer,
       „ziehen wir mit fünf Prozent ins Abgeordnetenhaus ein.“
       
       Davor wird im März in Baden-Württemberg der Landtag gewählt. Mehr als
       Achtungserfolge in manchen Wahlkreisen erwartet Lauer dort allerdings
       nicht. Der Südwesten ist als ländlich geprägtes Flächenland ein schwieriges
       Terrain für Piraten. So erklärt Basispirat Haase auch das magere Ergebnis
       in NRW: „Wir hatten es in den ländlichen Gebieten sehr schwer, in den
       städtischen Ballungszentren hat dafür die SPD dominiert.“
       
       Zunächst will die Piratenpartei aber die dringend notwendige
       Programmdebatte nachholen. In Chemnitz treffen sich die Piraten Ende
       November zum Parteitag, und wie schon in Bingen wird es keine Delegierten
       geben, jeder kann teilnehmen und alle werden sich zu Wort melden können. Um
       die Diskussion zu steuern, vertraut die Partei seit einigen Wochen auf eine
       Onlinesoftware. „LiquidFeedback“ heißt das Programm, in dem
       Parteimitglieder politische Forderungen und Initiativen einstellen können.
       Andere Mitglieder stimmen dann über die Vorschläge ab oder entwickeln sie
       selbstständig weiter. 800 Initiativen von über 3000 Nutzern seien bereits
       in der Diskussion, berichtet Martin Haase stolz.
       
       Damit der Chemnitzer Parteitag nicht wieder in einer Flut von Anträgen
       untergeht, kümmert sich im Vorfeld eine Antragskommission um die Auswahl
       der Vorschläge. Dabei soll sie sich an den erfolgreichsten
       „LiquidFeedback“-Initiativen orientieren. Für Christopher Lauer ist das
       Programm der Beweis, dass mit den entsprechenden technischen Möglichkeiten
       eben doch alle Bürger am politischen Entscheidungsprozess beteiligt werden
       könnten. Das sollen auch bald die Konkurrenten zu spüren bekommen: „Wir
       werden die anderen Parteien vor uns hertreiben“, verspricht Lauer.
       
       10 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Niklas Wirminghaus
       
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