# taz.de -- Kommentar Frankreich: Sarkozys Sonderweg
       
       > Die Pariser Regierung gießt gängige Vorurteile gegen bestimmte
       > europäische Bürger in ein Gesetz. In anderen Ländern könnte man sich in
       > Zukunft auf sein "Vorbild" berufen.
       
 (IMG) Bild: Abschiebung in eine ungewisse Zukunft.
       
       Es ist bereits die dritte umfassende Revision der französischen
       Immigrationsgesetze, die seit gestern diskutiert wird. Die konservative
       Regierungsmehrheit wird ihr am Ende wohl zustimmen. Verantwortlich für die
       Verschärfungen zeichnete sich jedes Mal Nicolas Sarkozy - erst als
       Innenminister, jetzt als Staatspräsident.
       
       Wenn es um die innere Sicherheit und die nationale Identität geht, geht er
       gern rhetorisch in die Vollen. Im Fall der Roma-Abschiebungen ließ er dann
       auch unrühmliche Taten folgen, für die freilich jede rechtliche Grundlage
       fehlte.
       
       Der Diskriminierung überführt, lässt Sarkozy seine Regierung nun die
       fehlenden Paragrafen nachliefern. Damit rückt die französische Führung, die
       zur Rechthaberei neigt und keinen Tadel einstecken oder Fehler zugeben
       will, einen Schritt weiter nach rechts - und ganz in die Nähe der offen
       fremdenfeindlichen Rechtspopulisten in Europa.
       
       Die Pariser Regierung gießt weit verbreitete Vorurteile gegen bestimmte
       europäische Bürger in ein Gesetz. Wer nicht auf Anhieb begreift, wer
       gemeint ist, den hatte Innenminister Brice Hortefeux ja schon belehrt:
       Jeder fünfte Diebstahl in Paris werde von einem Rumänen verübt! Paris ist
       dabei, seine zu Recht heftig kritisierte Jagd auf Roma zu "legalisieren".
       
       Da wird nicht ein Gesetz in der Praxis angewandt, sondern eine umstrittene
       Praxis nachträglich ins Recht gesetzt. Aus der Kritik aus Brüssel hat
       Sarkozy die Lehre gezogen: Man muss erst das Recht auf seiner Seite haben,
       bevor man auf die Roma haut.
       
       Dadurch drohen in Europa politische und moralische Hemmschwellen zu fallen.
       In anderen Hauptstädten könnte man sich in Zukunft auf sein "Vorbild"
       berufen. Was Paris recht ist, könnte auch Rom, Den Haag oder - warum nicht?
       - Berlin billig sein.
       
       28 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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