# taz.de -- Libyens Staatschef spricht nach Unruhen: Gaddafi unterm Schirm
       
       > Skurril bis zuletzt: Der libysche Staatschef Gaddafi hat sich erstmals
       > seit Beginn der Unruhen in seinem Land zu Wort gemeldet - aus einem alten
       > Auto und mit Regenschirm.
       
 (IMG) Bild: "Ich bin in Tripolis und nicht in Venezuela", spricht der libysche Staatschef zu seinem Volk. Derweil sind an die 400 Menschen bei Unruhen im Land ums Leben gekommen.
       
       TRIPOLIS/ISTANBUL dpa | Der libysche Staatschef Gaddafi trat in der Nacht
       zum Dienstag offensichtlich Gerüchten entgegen, er habe Libyen verlassen
       und meldete sich erstmals seit Beginn der Unruhen in seinem Land zu Wort:
       "Ich wollte mit den jungen Leuten auf dem Grünen Platz (in der Innenstadt
       von Tripolis) reden und mit ihnen die Nacht verbringen, doch dann kam der
       gute Regen. Hiermit zeige ich: Ich bin in Tripolis und nicht in Venezuela.
       Hört nicht auf die Ansagen der streunenden Hunde!"
       
       Während der nur wenige Sekunden langen Aufnahme, die wie ein Comedy-Sketch
       wirkt, hält Gaddafi einen geöffneten Regenschirm über sich. Er sitzt in
       einem alten beigen Auto, die Tür ist geöffnet, ein Mitarbeiter hält ihm ein
       Mikrofon hin, in das er hineinmurmelt. Er habe mit den Jugendlichen auf dem
       Grünen Platz in Tripolis reden wollen, aber dann habe es angefangen zu
       regnen, zitiert der arabische Sender Al-Dschasira aus der kurzen Rede.
       
       Unterdessen setzen sich immer mehr Verbündete von Gaddafi ab. Nachdem am
       Montag zahlreiche libysche Diplomaten aus Protest gegen den Einsatz von
       Gewalt gegen Demonstranten ihren Rücktritt erklärt hatten, sagen sich nun
       nach Angaben der Opposition auch immer mehr Stämme von ihm los. In der
       Nacht zum Dienstag riet ihm auch sein ehemaliger Vertrauter Nuri al-Mismari
       dazu, den Kampf gegen die Aufständischen aufzugeben. "Du siehst doch, dass
       dich das Volk nicht will, nun geh doch endlich", sagte er im arabischen
       TV-Sender Al-Dschasira. Al-Mismari, der Gaddafi viele Jahre lang wie ein
       Schatten überall hin begleitet hatte, hatte sich im vergangenen Jahr nach
       einer "Palastintrige" nach Frankreich abgesetzt.
       
       Die staatliche libysche Nachrichtenagentur Jana sendet schon seit etlichen
       Stunden keine Nachrichten mehr. Der Strom der verwackelten Video-Bilder aus
       Libyen, die Oppositionelle in den vergangenen Tagen ins Netz gestellt
       hatten, ist weitgehend versiegt, nachdem Telefonverbindungen gekappt worden
       waren. Bei dem Versuch, die Proteste niederzuschlagen, hatten
       Sicherheitskräfte nach Medienberichten allein am Montag mehr als 150
       Menschen getötet.
       
       In Bengasi sollen etwa 400 Menschen ums Leben gekommen sein. Nachprüfbare
       Angaben über die Zahl der Todesopfer gibt es nicht. Die Lage in Libyen ruft
       den UN-Sicherheitsrat auf den Plan. Das höchste Gremien der Vereinten
       Nationen kommt am Dienstag zu einer Sitzung hinter verschlossenen Türen
       zusammen. Das teilten die Vereinten Nationen in der Nacht mit. Das Treffen
       soll um 9.00 Uhr beginnen. Ein Transportflugzeug des österreichischen
       Bundesheeres flog in der Nacht 62 EU-Bürger aus Libyen aus.
       
       Die Maschine ist mit Stunden Verspätung gegen Mitternacht in Malta
       gelandet. Von den 62 Passagieren waren neun Österreicher, einige Deutsche,
       Franzosen und Niederländer. Auch sieben Kinder waren an Bord. Der Abflug
       hatte sich immer wieder verzögert, da die Passagiere, vorwiegend
       Geschäftsleute, nicht zum Flugzeug vorgelassen wurden. Zuletzt hatte es aus
       dem Verteidigungsministerium geheißen, der gesamte Luftraum sei gesperrt.
       
       Über Tripolis donnerten am Montagabend nach Augenzeugenberichten
       Kampfflieger hinweg. Scharfschützen bezogen auf Dächern Stellung, offenbar
       um Regierungsgegner von außerhalb davon abzuhalten, sich den immer
       massiveren Protesten gegen Gaddafi anzuschließen. Das Staatsfernsehen
       berichtete, das Militär habe "die Verstecke der Saboteure" gestürmt. Die
       Kommunikationsverbindungen in die Stadt war unterbrochen, und auch
       Handyanrufe nach Libyen waren vom Ausland aus unmöglich.
       
       Das Parlament stand in Flammen. Das Regime drohte seinen Gegnern, die
       inzwischen offenbar die zweitgrößte Stadt Bengasi kontrollieren, mit einem
       "Kampf bis zum letzten Mann".Nach einem Al Dschasira-Bericht griff am
       Montagabend das Militär einen riesigen Demonstrationszug in der Hauptstadt
       Tripolis mit Flugzeugen an.
       
       Auch scharfe Munition werde eingesetzt, meldete der Sender unter Berufung
       auf Informanten. Eine Augenzeugin berichtete über Satellitentelefon von
       einem Massaker unter den Demonstranten in Tripolis.
       
       22 Feb 2011
       
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