# taz.de -- Streit der Woche: "Mut zum Aufstand kein West-Monopol"
       
       > Das Modell arabischer Autokratien sei gescheitert, meint Werner Hoyer vom
       > Auswärtigen Amt. Politik-Professor Oiver Schlumberger hingegen sieht
       > starke, alte Kräfte.
       
 (IMG) Bild: Für die Revolution starben in Arabien hunderte Menschen.
       
       Nicht nur in Tunesien und Ägypten, auch in Libyen, Bahrain und im Jemen
       gehen die Menschen auf die Straße. Für soziale Gerechtigkeit, Demokratie
       und Freiheit. Rafi Kishon lebt in Israel. Der Sohn des Satirikers Ephraim
       Kishon glaubt nicht an einen demokratischen Wandel in den arabischen
       Ländern.
       
       "Leider zeigt die historisch-politische Vergangenheit, dass sich die
       Demokratie noch nicht im islamisch-arabischen Genom durchgesetzt hat",
       schreibt er in der sonntaz. Arabische Völker neigten dazu, den
       extremistischen und gewalttätigen Kräften zu folgen.
       
       Oliver Schlumberger, Professor für Politik des Vorderen Orients, sieht
       Tunesien und Ägypten erst am Anfang eines noch weiten Weges zur Demokratie.
       "Stark ist das Beharrungsvermögen alter Kräfte: Militärs und Geheimdienste,
       private Business-Oligarchen, die sich im Schatten und von Gnaden der Regime
       bereicherten, sowie gewaltige arabische Staatsapparate," schreibt
       Schlumberger.
       
       Als hinderlich für arabische Demokratiebestrebungen beschreibt der
       Professor jedoch die "bislang fehlkonzipierte Nahostpolitik" des Westens.
       Er rät den westlichen Staaten, die Politik der Region nicht mehr nur durch
       die Linse israelischer Interessen, sondern als Gegenstand an und für sich
       zu betrachten. "Der Westen solle sich auch jenseits Ägyptens auf neue
       Partner einzustellen."
       
       Die aktuellen Entwicklungen würden auf einen erfolgreichen Reformprozess in
       Ägypten hindeuten, meint hingegen Klaus Brandner, Vorsitzender der
       Deutsch-Ägyptischen Parlamentariergruppe. "Die Etablierung von Parteien,
       eine neue Verfassung und freie und faire Wahlen kann Realität werden, nicht
       zuletzt da die Wurzel der Proteste von der breiten Bevölkerung getragen
       werden", schreibt Brandner.
       
       Bisher sei es die Politik des Westens gewesen, auf Demokratie zu
       verzichten, solange Sicherheit und Stabilität gewährleistet seien. Dabei
       seien die Probleme der Region lediglich aufgeschoben worden.
       
       "Das Modell arabischer Republiken mit autoritären Präsidenten ist
       gescheitert," schreibt auch Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen
       Amt. Es sei in unserem ureigenen europäischen Interesse, vor unserer
       Haustür für rechtsstaatliche, demokratische und marktwirtschaftliche
       Verhältnisse zu sorgen. "Deshalb bieten wir konkrete Hilfe an - von der
       Vorbereitung freier und fairer Wahlen über den Aufbau demokratischer
       Parteien bis hin zur weiteren Öffnung des europäischen Marktes für Produkte
       aus Nordafrika", schreibt der FDP-Politiker.
       
       Die Dokumentarfilmerin Hito Steyerl kritisiert an dieser Art der Diskussion
       um arabische Demokratiebestrebungen die patriarchale Haltung des Westens.
       "Die DemonstrantInnen haben eindrucksvoll bewiesen, dass der Mut zum
       Aufstand gegen autoritäre Oligarchien, Korruption und Propaganda keineswegs
       ein westliches Monopol darstellt. Das westliche Stereotyp über ,Araber' ist
       dabei in sich zusammengebrochen", schreibt die Professorin der Berliner
       Universität der Künste.
       
       Es habe sich gezeigt, dass sich der Westen an seinen demokratischen Idealen
       messen lassen müsse. Insbesondere angesichts des sogenannten
       Demokratieexports des Westens, der aus der Unterstützung diktatorischer
       Kleptokratien bestanden habe.
       
       Im Streit der Woche äußern sich außerdem die Generalsekretärin von Amnesty
       International Monika Lücke und Hamadi El-Aouni, tunesisch-stämmiger Dozent
       der FU Berlin, der im arabischen Frühling den Beginn einer Weltrevolution
       sieht.
       
       19 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nina Marie Bust-Bartels
       
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