# taz.de -- Augenzeugenbericht aus Tripolis: „Gaddafi, hau ab!“
       
       > Brutal lässt Libyens Regimechef Gaddafi Soldaten gegen Aufständische
       > vorgehen. Aziz al-Baar wurde in der Hauptstadt Tripolis zum Augenzeugen
       > der Massaker.
       
 (IMG) Bild: Proteste am Sonntagabend in Tripolis.
       
       taz: Herr al-Baar, wie ist die Lage in Tripolis? 
       
       Aziz al-Baar*: Die Regierung hat die Kontrolle über die Lage in ganz
       Tripolis. Es ist nicht so wie im Osten, wo Regimegegner Teile des Landes
       kontrollieren.
       
       Was wissen Sie über die Niederschlagung der Aufstände? 
       
       Es kam in der Nacht zu Massakern an friedlichen Demonstranten im
       Stadtzentrum. Daraufhin zogen sich die Demonstranten am frühen Morgen aus
       dem Zentrum zurück, wurden aber von den Sicherheitskräften weiterhin
       verfolgt und ermordet. Meine Freundin befindet sich seit Samstag bei ihrer
       Großmutter im Stadtteil Souk Ajouma im Zentrum von Tripolis, wo der
       Freitagsmarkt liegt, auf dem normalerweise Zehntausende einkaufen gehen.
       Sie hat Dienstag früh dort Leichen in den Gassen gesehen, das hat sie mir
       an dem Morgen am Telefon gesagt.
       
       Von einem anderen Freund aus dem Viertel Tajoura weiß ich, dass auch dort
       am Morgen noch Leichen lagen. Ebenso in den Vierteln Fashlom, Gergaresh und
       Hay al-Andalous. Insgesamt gab es so viele Opfer in einer Nacht, wie noch
       nie in der 41-jährigen Regierungszeit von Muammar al-Gaddafi. Eine
       befreundete Familie hatte allein letzte Nacht fünf Todesfälle zu beklagen.
       
       Können Sie mir genau den Verlauf dieser Nacht beschreiben, wie Sie es von
       Freunden erzählt bekommen haben? 
       
       Nach der unsäglichen Rede von Saif al-Islam al-Gaddafi gingen
       Hunderttausende ins Zentrum und zeigten ihre Schuhe – als Zeichen des
       Protests gegen das Regime. Diese Demonstranten hörten dann Gerüchte,
       Muammar al-Gaddafi habe Libyen verlassen und es gab spontane Freudenfeste
       bis 3.40 Uhr Dienstag früh. Dann wurde plötzlich ziellos auf die
       Demonstranten geschossen, sogar mit automatischen Feuerwaffen. Die
       Sicherheitsbehörden wollten verhindern, dass die Demonstranten die
       Kontrolle über das Stadtzentrum erlangen.
       
       Was passiert an Ihrem Wohnort? 
       
       Ich lebe im Viertel al-Hadba al-Kadra, dem grünen Hügel. Wenige Meter
       gegenüber von meinem Haus steht ein Polizeiauto mit einem Maschinengewehr
       auf der Ladefläche des Pick-ups und daneben ein Bus mit Gittern, in dem bei
       Bedarf gefangengenommene Demonstranten abgeführt werden können. Das Grüne
       Krankenhaus liegt ganz in meiner Nähe. Nach den Massakern am Dienstagmorgen
       hat das Regime angefangen, mit großen Wagen die Leichen in der Stadt
       einzusammeln und in die Krankenhäuser in Tripolis zu bringen. Die
       Krankenhäuser sind zudem überlastet mit der Behandlung von zahlreichen
       Verletzten.
       
       Wer hat die Massaker, wie Sie sie nennen, verübt? 
       
       Teile der Armee und Polizei, aber auch Leute ohne Uniform, die das Regime
       von Gaddafi unterstützen. Auch Mitglieder der einzigen politischen Partei
       Lijan Thawriya (Revolutionskomitees, d. Red.) gingen bewaffnet gegen die
       Demonstranten vor.
       
       Was fordern die Demonstranten? Welche Parolen werden auf der Straße
       gerufen? 
       
       „Gaddafi, hau ab – verschwinde aus Libyen!“, „Das Volk will das Geld aus
       dem Öl“, „Stoppt die Korruption“, „Wir wollen Wahlen“, „Wir wollen eine
       Verfassung“. Und zu den auf die Menge schießenden und prügelnden
       Polizisten: „Schande über euch“!
       
       Wie funktionieren die Kommunikationswege? 
       
       Gaddafis Sohn habe ich auf al-Dschasira über Satellit noch gesehen, aber
       mittendrin wurde es abgeschaltet. Der Sender ist seit Montagmorgen nicht
       mehr zu empfangen. Das finde ich schade, weil al-Dschasira in Libyen
       Glaubwürdigkeit genießt. Festnetztelefone und Mobiltelefone sind immer
       wieder abgeschaltet.
       
       22 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Lejeune
       
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