# taz.de -- "Cyber" wird wieder populär: Datenhandschuhe sehen dich an
       
       > Bald wird das nationale Cyber-Abwehrzentrum mit seiner Arbeit beginnen.
       > Was es zu tun hat, ist klar. Warum es so heißt, hingegen nicht. "Cyber" -
       > was war das noch gleich?
       
 (IMG) Bild: So wenig totzukriegen wie der Bergriff "Cyber": Datenhandschuh.
       
       Er ist nicht totzukriegen. "Cyber" - ein Begriff den wir in den späten
       1980er Jahren dank William Gibsons Science-Fiction-Roman "Neuromancer" und
       seinen Stories in "Cyberspace" entdeckten und der uns spätestens in den
       frühen 1990er-Jahren mit dem Internet vertraut machte. Nun taucht er,
       obwohl ihn im Netz kaum noch jemand verwendet, im Zuge der Debatte um ein
       nationales Cyber-Abwehrzentrum in Deutschland wieder auf.
       
       Innenminister Thomas de Maizière hatte Ende Februar die Pläne der
       Bundesregierung vorgestellt, ein solches Zentum einzurichten. Es soll am 1.
       April unter der Leitung des Bundesamts für Sicherheit in der
       Informationstechnik (BSI) mit der Arbeit beginnen. Sechs Computer-Experten
       und je zwei Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des
       Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes sammeln, analysieren und
       koordinieren dann Informationen aus Wirtschaft und Behörden über aktuelle
       Cyber-Angriffe und mögliche Abwehrmaßnahmen, sagte de Maizière.
       
       Eines sagte er nicht. Was bedeutet "Cyber" für die Bundesregierung, fürs
       Innenministerium, für das BSI? Warum greift die deutsche Politik, wenn es
       um eine "kritische Infrastruktur" geht, die "geschützt" gehöre, damit das
       Internet "verfügbar, frei und sicher" bleibe (de Maizière), auf ein
       griechisches Präfix zurück, das "Steuerung" bedeutet - gemeint waren einst
       die Steuerungskünste der Seefahrer.
       
       Die Verwendung des Begriffs sei "bedingt durch den internationalen
       Sprachgebrauch", sagt Matthias Gärtner, Pressesprecher des BSI, der taz.
       Man habe sich am Koalitionsvertrag orientiert, in dem die Schaffung eines
       nationalen Cyber-Abwehrzentrums bereits fomuliert gewesen sei, sowie an
       ähnlichen "Einrichtungen in anderen Staaten - zum Beispiel in den USA und
       in Großbritannien".
       
       Die Pressestelle des Bundesinnenministeriums schickt auf taz-Anfrage eine
       mit dem BSI abgestimmte Definition. Demnach ist "der Cyber-Raum der
       virtuelle Raum aller auf Datenebene vernetzten IT-Systeme im globalen
       Maßstab. Dem Cyber-Raum liegt als universelles und öffentlich zugängliches
       Verbindungs- und Transportnetz das Internet zugrunde, welches durch
       beliebige andere Datennetze ergänzt und erweitert werden kann. IT-Systeme
       in einem isolierten virtuellen Raum sind kein Teil des Cyber-Raum."
       
       Es folgen Definitionen der Begriffe "Cyber-Sicherheit" und "zivile &
       militärische Cyber-Sicherheit", die der (E-)Broschüre
       [1]["Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutschland"] entnommen wurden.
       
       Keine dieser Definitionen ist falsch, und doch doch erscheint "Cyber" als
       ein Wort aus einer Zeit, in der uns das Internet als "virtueller Raum"
       nahegebracht wurde, den man am besten mit einem Datenhandschuh
       durchwandert. 1983 entwickelte AT&T Bells Labs den Datenhandschuh "Digital
       Data Entry Glove". Auch die kommerziellen Nachfolger späterer Jahre kamen
       ohne den Begriff "Cyber" aus - "VPL Dataglove" (1986), "Power Glove"
       (1989), "P5 Glove" (2002).
       
       In den neunziger Jahren war es üblich, "Cyber" als Synonym fürs Internet zu
       setzen, wohl wissend, dass diese neue Welt nur noch wenig mit den
       Ausführungen des Mathematikers Norbert Wiener zur "Kybernetik" zu tun
       hatte. Wiener hatte den Begriff "Cyber" 1948 wiederentdeckt und führte ihn
       in die Debatte um die "Regelung und Nachrichtenübertragung in Lebewesen und
       Maschinen" ein.
       
       In den Neunzigern war dann alles "Cyber", was im Internet daherkam. In
       Schlagworten wie "Cyber-Mobbing", "Cyber-Stalking" und eben "Cyber-Defense"
       oder "Cyber-Verteidigung lebt das Unklare und Schwammige fort, obwohl es
       längst von anderen Synonymen wie "digital", "Net" und teils auch "Info"
       abgelöst wurde.
       
       Das ist schade. Kybernetik, Cyberspace, Netze, virtueller Raum,
       Datenhandschuh - "Cyber" setzt mehr und bessere Assoziationen frei als die
       in der Gegenwart dominierenden Ersatzbegriffe. Wenn es sich nicht um eine
       militärische und geheimdienstliche Stelle handelte, müsste man der
       Bundesregierung dafür danken, dass sie das vielschichtige "Cyber" mit aller
       staatlichen Macht zurück in die digitale Welt holt.
       
       2 Mar 2011
       
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