# taz.de -- Bürgerkrieg in Libyen: Zahl der Luftangriffe soll zurückgehen
       
       > Die Angriffe von Gaddafi-Truppen auf die Rebellen gehen auch am vierten
       > Tag seit der Intervention weiter. Die Nato einigte sich auf ein
       > Waffenembargo gegen Libyen auf dem Meer.
       
 (IMG) Bild: Unter Beschuss: Rebellen in der Nähe von Bengasi.
       
       TRIPOLIS/BRÜSSEL/BERLIN dpa/dapd/afp/taz | US-Verteidigungsminister Robert
       Gates hat in Aussicht gestellt, dass die Zahl der Luftangriffe der
       internationalen Koalition auf Libyen in den kommenden Tagen zurückgehen
       könnten. Die Intensität der Luftangriffe solle "in einigen Tagen" geringer
       werden, sagte Gates am Dienstag bei einem Treffen mit seinem russischen
       Kollegen Anatoli Serdjukow in Moskau. Zugleich werde versucht, die Zahl der
       zivilen Opfer so gering wie möglich zu halten. Vor Journalisten ergänzte
       Gates wenig später, dass bei einer "erfolgreichen" Ausschaltung der
       Luftabwehr des libyschen Machthabers Muammar el Gaddafi ohnehin weniger
       Luftangriffe des Westens nötig seien.
       
       Nach US-Angaben feuerten britische und amerikanishe U-Boote seit Montag 24
       Marschflugkörper vom Typ Tomahawk auf libysche Ziele ab. Diese Zahl wurde
       am Dienstag kurz vor einer Pressekonferenz des Pentagon bekannt. Damit
       wurden seit Beginn der Militöroperation am Samstagabend 160 Tomahawks
       gestartet, die vor allem Kommandozentralen und Kommunikationsverbindungen
       der libyschen Streitkräfte treffen sollten.
       
       Inzwischen sei rund die Hälfte der libyschen Luftabwehr zerstört worden,
       hieß es aus Militärkreisen. Wie das US-Afrika-Kommando mitteilte, sind die
       beiden Piloten eines über Libyen abgestürzten US-Kampfjets vom Typ F-15
       wohlauf. Nach einem technischen Defekt hätten sich beide mit dem
       Schleudersitz gerettet und seine von Teams der US-Marines in Sicherheit
       gebracht worden.
       
       Der US-Kommandeur der Angriffe, General Carter Ham, sagte, es sei keine
       Luftunterstützung für die Aufständischen geplant. Es könne sein, dass es
       Gaddafi gelinge, über das Bombardement hinaus an der Macht zu bleiben und
       dass es zu einem Patt zwischen seinen Truppen und den Rebellen komme. Die
       Koalitionsstreitkräfte hätten in dieser Situation das Flugverbot
       durchzusetzen. Die Nato-Staaten beschlossen unterdessen, ein Waffenembargo
       gegen Libyen auf dem Meer durchzusetzen.
       
       ## US-Kampfjet abgestürzt
       
       In Libyen ist am Dienstag ein amerikanisches Kampfflugzeug abgestürzt. Der
       Kampfjet vom Typ F-15 hatte nach Angaben eines Sprechers des federführenden
       US-Afrika-Kommandos technische Probleme.
       
       Er sei nicht abgeschossen worden. Die beiden Piloten hätten sich mit dem
       Schleudersitz retten können und seien in Sicherheit gebracht worden,
       erklärte ein Sprecher des Afrika-Kommandos, Vince Crawley. Beide hätten
       leichte Verletzungen erlitten.
       
       Unterdessen flammten in Libyen neue Kämpfe auf. Die Außenbezirke der Stadt
       Adschabija im Osten des Landes, eine Hochburg der Rebellen, seien von
       Truppen des Machthabers Muammar al Gaddafi beschossen worden, als sich dort
       Rebellen umgruppierten, hieß es.
       
       Nach einem Bericht des Fernsehsenders Al-Dschasira versuchen
       Gaddafi-Truppen zudem die Stadt Sintan einzunehmen. Sie setzen demnach
       schwere Waffen ein.
       
       Auch in Misrata wird weiter gekämpft. Ein Arzt dort berichtet der BBC von
       Dauerbeschuss durch Gaddafi-Truppen und überfüllten Krankenhäusern: "Es
       gibt keinen Strom, seit zehn Tagen gibt es keine Kommunikation mehr und
       seit über einer Woche kein Wasser. Und die Bombardierungen gehen weiter.
       Die Situation ist wirklich ernst. Die internationale Gemeinschaft muss
       Verantwortung übernehmen. Sogar meine medizinischen Mittel gehen aus, wir
       können dies nicht mehr tragen."
       
       Im Osten des Landes kam es bislang nicht zu einer neuerlichen Offensive der
       Rebellen, obwohl die Aufständischen die Luftschläge als hilfreich
       bezeichneten, weil sie die schweren Waffen der Regierungstruppen
       zerstörten. Auf die Frage nach ihrer Zurückhaltung sagte ein Kämpfer:
       "Gaddafi hat Panzer und Lastwagen mit Raketen."
       
       In der Nacht hatte es eine [1][dritte Angriffswelle seitens der Koalition]
       gegeben, die die Flugverbotszone über Libyen durchsetzen will. Dabei seien
       vor allem Ziele in Tripolis angegriffen worden. China verlangte am Dienstag
       einen sofortigen Waffenstillstand und die Aufnahme von Gesprächen zur
       Beendigung der Gewalt.
       
       ## Nato einigt sich auf Waffenembargo auf dem Meer
       
       Die Nato-Staaten haben sich darauf geeinigt, ein Waffenembargo gegen Libyen
       auf dem Meer durchzusetzen. Das teilte ein Nato-Diplomat am Dienstag in
       Brüssel mit. Das Militärbündnis diskutiert seit Tagen darüber, welche Rolle
       es bei der Umsetzung der UN-Resolution zu Libyen einnehmen soll. Unter der
       Führung von Frankreich, Großbritannien und den USA hatte eine
       internationale Koalition am Samstag mit Luftangriffen auf Ziele in Libyen
       begonnen. Der Einsatz auf Basis der UN-Resolution 1973 soll eine
       Flugverbotszone und eine Waffenruhe zum Schutz von Zivilisten erzwingen.
       
       Innerhalb der Nato war dieses Vorgehen des Bündnisses auf Kritik gestoßen.
       Italiens Außenminister Franco Frattini forderte am Montag, der Einsatz
       müsse unter die Führung der Nato gestellt werden. US-Präsident Barack Obama
       kündigte an, die Nato werde bald in "koordinierender Funktion" eingebunden
       sein.
       
       Besonders Frankreich sträubte sich aber Diplomatenangaben zufolge dagegen,
       der Nato die Führung des Libyen-Einsatzes zu übertragen. [2][Paris
       beansprucht das Oberkommando] für sich selbst, wenn die USA in den
       kommenden Tagen die Hauptverantwortung abgeben. Deutschland lehnt die
       Beteiligung von Bundeswehrsoldaten ab. Offen war am Dienstag noch, ob die
       Nato sich etwa auch bei der Durchsetzung einer Flugverbotszone auf eine
       gemeinsame Position einigt.
       
       ## Türkei fordert Führung durch die UN
       
       Das Nato-Land Türkei hatte zuvor nach Kritik am Vorpreschen Frankreichs
       eine Führung des Militäreinsatzes in Libyen durch die Vereinten Nationen
       gefordert. "Der Libyen-Einsatz sollte unter dem Dach der UN ausgeführt
       werden. Die UN sollten die Entscheidungen treffen", zitierten türkische
       Medien am Dienstag Außenminister Ahmet Davutoglu. Es stehe dann einzelnen
       Staaten frei, sich an dem Einsatz zu beteiligen.
       
       Auch eine Beteiligung der Nato an dem laufenden Einsatz gegen Truppen des
       Machthabers Muammar al-Gaddafi sei nur möglich, wenn es eine Führung durch
       die UN gebe, sagte Davutoglu. Sein Land werde sich aber nicht an Angriffen
       beteiligen. "Die Türkei wird niemals eine Waffe auf die libyschen Brüder
       richten", sagte Davutoglu. Türkischen Medienberichten zufolge ist Ankara
       bereit, sich logistisch sowie mit Hilfseinsätzen zu beteiligen.
       
       ## Westliche Journalisten gefangengenommen
       
       Mehrere westliche Journalisten befinden sich nach Augenzeugenberichten in
       der Hand von Anhängern von Muammar al-Gaddafi, unter ihnen auch der
       deutsch-kolumbianische AFP-Fotograf Roberto Schmidt (45). Schmidt sei
       gemeinsam mit dem Briten Dave Clark und dem Amerikaner Joe Raedle unter
       Androhung von Waffengewalt festgenommen worden, sagte der Fahrer der drei
       Journalisten später nach Berichten französischer Medien am Dienstag.
       
       Sie seien am Samstag auf dem Weg von Tobruk in die Rebellenhochburg
       Adschdabija unterwegs gewesen, als Militärfahrzeuge Jagd auf sie gemacht
       hätten. Einer der Journalisten habe auf Arabisch gesagt, dass sie
       Journalisten seien. Die Soldaten hätten die drei in einem Militärfahrzeug
       mitgenommen. Seitdem habe es keinen Kontakt mehr zu ihnen gegeben.
       
       Ein weiterer französischer Fotograf, der als Freier für die Agentur Polaris
       arbeitete, gilt ebenfalls als vermisst. Stéphane Lehr habe sich zuletzt am
       Sonntag per Mail aus Bengasi gemeldet, teilte die Organisation Reporter
       ohne Grenzen mit. Er habe ebenfalls Richtung Adschdabija fahren wollen.
       Nach Angaben der Organisation sind außerdem vier Journalisten des
       arabischen Senders Al-Dschasira in der Hand von Gaddafis Truppen. Sechs
       libysche Journalisten gelten ebenfalls als vermisst.
       
       ## Fischer sieht keine Chance mehr für deutschen UN-Sitz
       
       Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer (Grüne) sieht für Deutschland
       keine Chancen mehr auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten
       Nationen. Mit ihrer Enthaltung bei der Resolution für einen Militäreinsatz
       gegen Libyen habe die Bundesregierung den deutschen Anspruch "endgültig in
       die Tonne getreten", schrieb Fischer in einem Beitrag für die Süddeutsche
       Zeitung. Der Ex-Minister sprach von einem "skandalösen Fehler".
       
       Fischer hielt der schwarz-gelben Regierung vor, jede Glaubwürdigkeit in den
       Vereinten Nationen verloren zu haben. Mit einer "an Werte gebundenen
       Außenpolitik" habe die Enthaltung nicht viel zu tun. Außerdem seien
       deutsche und europäische Interessen missachtet worden. Deutschland bemüht
       sich schon seit Jahren dauerhaft um die Aufnahme ins wichtigste UN-Gremium.
       Derzeit ist die Bundesrepublik dort mit einem nicht-ständigen Sitz
       vertreten.
       
       22 Mar 2011
       
       ## LINKS
       
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