# taz.de -- Menschenrechte für Gefangene: Sexualtäter erhält Entschädigung
       
       > Der Europäische Gerichtshof rügt Deutschland wegen einer rückwirkenden
       > Verlängerung der Sicherungsverwahrung. Ein Sexualtäter hatte erfolgreich
       > geklagt.
       
 (IMG) Bild: 1998 hob der Bundestag mit schwarz-gelber Mehrheit die Beschränkung der Sicherungsverwahrung auf 10 Jahren auf.
       
       FREIBURG taz | Deutschland muss die Menschenrechte auch dann einhalten,
       wenn es um den Schutz der Bevölkerung vor Verbrechen geht. Daran hat der
       Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) jetzt die deutsche
       Politik und insbesondere das Bundesverfassungsgericht erinnert.
       
       Im konkreten Fall hatte ein Sexualverbrecher erfolgreich gegen die
       Bundesrepublik geklagt. Der heute 58-jährige Richard J. war mehrfach wegen
       Vergewaltigung von jungen Frauen vorbestraft. 1990 wurde er wegen einer
       versuchten sexuellen Nötigung zu drei Jahren Haft plus anschließender
       Sicherungsverwahrung verurteilt.
       
       Zu dieser Zeit war die Verwahrung noch auf zehn Jahre beschränkt. Diese
       Beschränkung hatte der Bundestag mit schwarz-gelber Mehrheit jedoch 1998
       aufgehoben. J. wurde deshalb erst 2009 wegen einer Krebserkrankung aus der
       Sicherungsverwahrung entlassen.
       
       ## Sieben Jahre rechtswidrige Haft
       
       Bereits 2004 hatte J. in Straßburg gerügt, dass seine Sicherungsverwahrung
       über zehn Jahre hinaus verlängert wurde. Wie schon in anderen Fällen sah
       Straßburg darin jetzt einen unzulässigen Eingriff in Freiheitsrechte und
       eine verbotene rückwirkende Verlängerung der Strafe. J. hätte deshalb im
       Jahr 2002 entlassen werden müssen. Für sieben Jahre rechtswidrige Haft muss
       Deutschland nun eine Entschädigung in Höhe von 27.467 Euro an J. bezahlen.
       
       Implizit, aber deutlich geht das Straßburger Urteil auf skeptische
       Diskussionen am Bundesverfassungsgericht ein. So hatte dessen Präsident
       Andreas Voßkuhle Anfang Februar kritisiert, der EGMR nehme "die
       Sicherheitsinteressen der Bevölkerung nur ganz am Rande in den Blick".
       Dagegen seien die Verfassungsrichter an die "Schutzpflichten" des
       Grundgesetzes gebunden, so Voßkuhle.
       
       Straßburg erkennt nun an, dass der Staat Pflichten zum Schutz der
       Bevölkerung vor Verbrechen hat. Dabei müsse er aber stets die Europäische
       Konvention für Menschenrechte einhalten, fügten die Richter hinzu. Dies
       verbiete auch eine rückwirkende Verlängerung der Sicherungsverwahrung.
       
       Das Bundesverfassungsgericht berät gerade, ob es die Freilassung von rund
       hundert Sicherungsverwahrten anordnen soll, deren Verwahrung einst
       rückwirkend verlängert wurde (Az.: 30060/04).
       
       1 Jan 1970
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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