# taz.de -- Atomexperte der Union über Energiewende: "Stromleitungen kosten 50 Milliarden"
       
       > Joachim Pfeiffer ist Energieexperte der Union. 2010 votierte er für
       > AKW-Laufzeiten von 60 Jahren. Im Interview spricht er über saubere
       > Kernkraft, den deutschen Ausstieg und die hohen Kosten.
       
 (IMG) Bild: Joachim Pfeiffer: "Wir brauchen 4.400 Kilometer an Stromautobahnen"
       
       taz: Herr Pfeiffer, sind Sie ein Dinosaurier? 
       
       Joachim Pfeiffer: Ich fühle mich noch recht lebendig.
       
       Wer die Energiewende und den raschen AKW-Ausstieg nicht mitmacht, ist ein
       Dinosaurier, sagt Norbert Röttgen. Da hat er auch Sie gemeint. 
       
       Das müssen Sie ihn schon selber fragen. Ich fühle mich nicht angesprochen.
       
       2010 wollten Sie noch, dass deutsche AKWs 60 Jahre laufen. 
       
       Ich bin doch kein Kernkraftfetischist. Und ob es einem passt oder nicht, 60
       Jahre sind nach wie vor der internationale Standard. Kernkraft ist ein
       Mittel zu dem Zweck, eine sichere, saubere, preiswerte Energieversorgung zu
       garantieren und den Weg zu den Erneuerbaren zu sichern. Mehr nicht.
       
       Also wollen Sie, wie Röttgen, jetzt möglichst schnell aus der Kernkraft
       aussteigen? 
       
       Wir wollen eine saubere, bezahlbare Energieversorgung. Deshalb haben wir im
       Herbst 2010 das weltweit ambitionierteste Energiekonzept beschlossen, um
       den Einstieg in das erneuerbare Energiezeitalter zu beschleunigen. Dieses
       sieht 20 Prozent Energieeinsparung bis 2020 und 50 Prozent bis 2050 vor.
       Bei den CO2-Emissionen wollen wir 40 Prozent weniger bis 2020, 80-95
       Prozent weniger bis 2050. Das geht nur, wenn wir die Erneuerbaren ausbauen.
       Das gilt nach wie vor.
       
       Und Schwarz-Gelb hat die AKW-Laufzeit verlängert. Da wird gerade der
       Rückwärtsgang eingelegt. Fahren Sie mit? 
       
       Wir haben ein Moratorium bis Mitte Juni. Wir denken nach und überprüfen.
       Was am Ende steht, ist offen.
       
       Glauben Sie wirklich, dass im Juni die abgeschalteten Altmeiler wieder ans
       Netz gehen? 
       
       Nein, ich rechne damit, dass wir unser Konzept vom Herbst modifizieren. Es
       ist technisch möglich, schneller aus der Kernenergie auszusteigen. Ich sage
       nicht: Wenn wir aus der Kernenergie aussteigen, geht das Licht aus. Aber
       ich bezweifle, ob es sinnvoll ist, wenn nur Deutschland aussteigt, und
       unsere Nachbarn nicht.
       
       Halten Sie den deutschen Ausstieg im Alleingang für unsinnig? 
       
       Da kann man drüber streiten. Tatsache ist, dass 80 Prozent der Wähler
       derzeit der Meinung sind, das wir schneller aussteigen müssen. Deshalb
       haben wir Politiker den Auftrag, den Weg dorthin zu finden. Die Politik
       muss sagen, was das kostet - und zwar nicht nur an Geld. Beim Netzausbau
       werden die Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt werden müssen. Es
       wird Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Stromtrassen und
       Windkraft geben. Wir brauchen rund 4.400 Kilometer an Stromautobahnen, im
       Verteilnetz circa 200.000 Kilometer. Das wird je nach Ausbaustandard 40 bis
       50 Milliarden Euro kosten.
       
       Die neuen Stromleitungen sollen 50 Milliarden Euro kosten. Im Ernst? 
       
       Es gibt unterschiedliche Prognosen. Aber das wird in den nächsten Jahren so
       viel kosten - mit Erdverkabelung noch mehr.
       
       Wann ist der Atomausstieg möglich? 
       
       Ich kann Ihnen am 15. April nicht sagen, was wir Mitte Juni beschließen
       werden.
       
       Der Chef des Bundesumweltamtes sagt: Es ist möglich bis 2017 auszusteigen.
       Und der Strompreis wird durch die Energiewende kaum steigen. 
       
       Das ist unseriös. Es gibt beim Strompreis so viele Stellschrauben, dass
       niemand sagen kann, wo der Strompreis 2017 liegen wird.
       
       Glauben Sie, dass die Pro-Atom-Fraktion in der Union gegen Röttgen noch
       eine Chance hat? 
       
       Wenn wir aus politischen Gründen schneller auf Atomkraft verzichten, wird
       der Umbau schwieriger. Es geht, aber es hat seinen Preis.
       
       15 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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