# taz.de -- CCC-Sprecher über Datenschutzskandale: "Keine freundliche SciFi-Intelligenz"
       
       > Apple, Sony oder TomTom: In den letzten Tagen und Wochen häufen sich
       > erneut die Datenschutzskandale. Sicherheitsexperte und Internet-Aktivist
       > Frank Rieger hofft auf einen Lernprozess.
       
 (IMG) Bild: Nur eines von vielen Datenlecks: Playstation Network.
       
       taz.de: Herr Rieger, seit [1][vorvergangener Woche ist Apple in den
       Schlagzeilen], weil das Unternehmen millionenfach Bewegungsprofile seiner
       iPhone-Nutzer gesammelt haben soll. Hat Sie die Affäre überrascht oder
       waren solche Vorfälle nur eine Frage der Zeit? 
       
       Frank Rieger: Sie ist ein Symptom des arroganten Umgangs von Konzernen, die
       gern unsere Daten nehmen, aber selbst nicht besonders transparent sein
       wollen. Apple ist da nur die Speerspitze, auch [2][Google] oder [3][TomTom]
       und andere verspielen hier gerade viel Vertrauen.
       
       Was "weiß" ein modernes Smartphone heute bereits über seinen Nutzer? 
       
       Das ist pauschal schwer zu beantworten. Die Daten, die darauf gespeichert
       sind oder durch das Telefon hindurchfließen, enthalten bei vielen Menschen
       quasi ihr gesamtes Leben. Suchanfragen, Orte, Adressen, SMS-Nachrichten,
       Telefonate, Chats, Webaufrufe, praktisch alles, was wir tun, unternehmen
       wir mittlerweile mit Hilfe des Mobilgerätes. Daher ist die Empörung auch so
       groß, der Bedarf nach Schutz und Vertrauen so erheblich.
       
       Apple [4][hat letzte Woche erklärt,] die auf dem iPhone enthaltene
       Geodatenbank sei gar keine Ortserfassung einzelner Nutzer, sondern schlicht
       eine notwendige Datei, um vom Nutzer explizit gewünschte Ortsinformationen
       zu erhalten. Ist das eine stichhaltige Erklärung? 
       
       Technisch halte ich die Erklärung für korrekt. Sie passt zu den
       vorgefundenen Daten. Allerdings ist die Art der Umsetzung - sowohl die
       technisch in keiner Weise zu rechtfertigende praktisch ewige Speicherdauer
       als auch das Weiterspeichern, obwohl der User die Location-Services
       ausgeschaltet hat - ein grober Vertrauensbruch.
       
       Insbesondere, da das Vorhandensein dieser überbordenden Speicherung schon
       lange in Kreisen von Telefon-Forensikern bekannt war - und sogar schon in
       Büchern und Anleitungen publiziert wurde, bevor es öffentlich weiter
       bekannt wurde. Das ist für mich ein deutliches Zeichen von Apples Arroganz.
       
       Apples Datenbank lässt sich vom Nutzer mit etwas Mühe löschen. Die
       Vorratsdaten, die vor dem Eingreifen des Bundesverfassungsgerichtes von den
       Netzbetreibern vorgehalten wurden, waren dagegenniemandem zu kontrollieren.
       Was ist schlimmer, der Staat oder eine Privatfirma? 
       
       Man kann das nicht auseinanderhalten. Der Staat hat im Zweifel durch
       Beschlagnahme Zugriff auf die Daten, die Firmen speichern. Natürlich hat
       die Vorratsdatenspeicherung eine signifikant größere Bedeutung und
       Eingriffstiefe als die Daten auf einem iPhone, aber die Behörden können
       ohne große Hürden die kompletten Daten aus einem beschlagnahmten Smartphone
       auswerten oder eben auch die gespeicherten Daten von Serviceanbietern
       anfordern.
       
       Die künstliche Trennung des Problems in Staat und Privat führt nicht zum
       Ziel, man muss die realen, additiven Effekte betrachten.
       
       Glauben Sie, dass Nutzern bewusst ist, welche Informationen sie
       mittlerweile routinemäßig an vielen Stellen hinterlassen? 
       
       Nein. Die meisten haben eine vage Ahnung, dass es wohl ganz schön viel ist,
       was über sie gewusst werden kann. Aber wenn dann mal konkret die Daten
       vorliegen - beispielsweise in Ermittlungsakten, wo die Behörden die
       digitalen Lebensspuren eingesammelt haben -, dann ist der Schock oft groß.
       
       Apples großer Konkurrent im Smartphone-Geschäft ist mittlerweile Google mit
       seinem mobilen Betriebssystem Android. Google besitzt schon seiner
       Suchmaschine detaillierte Informationen über Nutzer. Was passiert, wenn das
       mit Ortsinfos und anderen mobilen Android-"Sensordaten" zusammenieworfen
       wird? 
       
       Die Detailtreue, mit der Google oder auch Facebook über einen Nutzer
       aufgrund seiner Aufenthaltsorte, Suchanfragen, Nachrichten und
       Status-Updates Bescheid wissen können, hängt vom individuellen
       Nutzungsprofil ab. Jemand, der einmal die Woche kurz den Weg zum Restaurant
       nachschaut, ist sicherlich weniger detailliert abzubilden als ein
       Intensivnutzer, der sein ganzes Leben nur noch mit Online-Diensten im Griff
       behält.
       
       Der Schritt zum integrierten Lebensmanagement ist das erklärte Ziel von
       Google. Das Telefon soll vorausahnen, was wir als nächstes tun wollen und
       Vorschläge unterbreiten - inklusive Werbebeimischungen. Ich halte das
       durchaus für eine realistische Vision. Der Computer, der uns durch unser
       Leben begleitet, wird dann eben nicht die weise, freundliche
       Science-Fiction-Intelligenz, die wir ins Vertrauen ziehen können, sondern
       ein werbefinanzierter Online-Dienst, der unsere Daten verwertet.
       
       Vorfälle wie Apples "Locationgate" schaffen es auf die erste Seite großer
       Zeitungen. Was passiert, wenn Nutzer nach und nach desensibilisiert werden,
       wenn die nicht mehr anonyme Erfassung zum Normalfall wird? 
       
       Die datengetriebenen Dienste haben ein Interesse daran, uns zu mehr
       Datenfreigiebigkeit zu verführen. Ihr Unternehmenswert und die Effizienz
       ihres Werbeverkaufs hängen davon ab. Ich bin nicht sicher, dass es wirklich
       eine Desensibilisierung gibt, eher ein resigniertes Erdulden mangels
       Alternativen.
       
       Gerade die letzten Vorfälle bei [5][Apple, Sony und TomTom] haben aber
       viele Menschen nachdenklich gemacht. Und die Unternehmen müssen sich
       endlich mal erklären und versuchen, das Vertrauen der Nutzer
       zurückzugewinnen. Insofern bin ich nicht so pessimistisch. Ich sehe eher,
       dass sich neue soziale Umgangsformen und Gewohnheiten herausbilden und
       Unternehmen die Chance sehen, die in einem Markt für Privatsphäre liegt.
       
       Bei einer runderneuerten Datenschutzgesetzgebung fürchtet mancher
       Internet-User, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden könnte, also
       mehr verboten wird als notwendig ist. Wie lässt sich das verhindern? 
       
       Die aktuelle deutsche Datenschutzgesetzgebung muss dringend reformiert und
       ans Internet-Zeitalter angepasst werden. Dabei sind einige Grundsätze -
       etwa die Datensparsamkeit und die Zweckbindung von Datenspeicherung -
       sicherlich bewahrenswert. Datenschutz und Privatsphären-Bewahrung müssen
       dringend ohne das verstaubte und realitätsferne
       Großrechner-Prozesslistendenken der aktuellen Gesetze verankert werden.
       
       Ich würde es sehr begrüßen, wenn das Hauptaugenmerk bei einer
       Runderneuerung auf einer Stärkung der User-Rechte liegt, die Firmen und
       Behörden also zur Transparenz gezwungen werden, mitzuteilen, was sie an
       Daten speichern, verkaufen und wofür und an wen die Daten übermittelt
       werden. Das kann man auch gut automatisieren und an die aktuellen
       Userinterfaces und Vernetzungsmethoden anpassen.
       
       Es muss darum gehen, die Machtbalance wieder zugunsten der User zu
       justieren, anstatt sie immer weiter in Richtung der Firmen und des Staates
       driften zu lassen, die niemand in ihre Karten schauen lassen wollen. Es
       gibt dafür auch schon genug qualifizierte Vorschläge, die müssten nur mal
       von der Politik aufgegriffen werden.
       
       2 May 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /1/politik/schwerpunkt-ueberwachung/artikel/1/apple-speichert-wo-du-bist/
 (DIR) [2] /1/netz/netzoekonomie/artikel/1/google-und-apple-sollen-liefern/
 (DIR) [3] http://www.heise.de/mobil/meldung/Tomtom-entschuldigt-sich-wegen-Datenweitergabe-fuer-Radarfallen-1234351.html
 (DIR) [4] /1/netz/netzgeraete/artikel/1/apple-chef-verteidigt-tracking/
 (DIR) [5] /1/netz/netzpolitik/artikel/1/alles-peanuts-ausser-sony/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ben Schwan
       
       ## TAGS
       
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