# taz.de -- Von Berlin nach Stuttgart: Migranten sind Mangelware
       
       > Das Beispiel Bilkay Öney zeigt: Ministrable MigrantInnen schmücken jede
       > Partei. Trotzdem tun sich viele schwer bei der Suche. Erstaunlich
       > erfolgreich ist die CDU.
       
 (IMG) Bild: Bilkay Öney schmückt Grün-Rot in Stuttgart
       
       Erst als er sie in türkischer Sprache gefragt habe, ob sie
       Integrationsministerin werden will, habe Bilkay Öney dem
       baden-württembergischen SPD-Chef Nils Schmid zugesagt. Das berichtet die
       türkische Tageszeitung Sabah. Mythos oder Wahrheit? Sicher ist: Die
       Nachfrage nach PolitikerInnen mit Migrationshintergrund steigt - bei allen
       Parteien. Öneys Berufung in dieser Woche zur zweiten türkischstämmigen
       Landesministerin in Deutschland zeigt das in besonderem Maße.
       
       Dass Einwanderungsgeschichte allein jedoch keine Garantie für eine
       politische Karriere ist, hat die bei den Neuköllner Grünen aktive Müjgan
       Percin gerade erlebt. Erst wurde sie als migrantischer Nachwuchs gehypt und
       bei einem Essen mit türkeistämmigen UnternehmerInnen schon dem
       Grünen-Bundeschef Cem Özdemir vorgestellt. Doch dann rutschte sie bei den
       Kandidatenaufstellung für die Abgeordnetenhauswahl am 18. September in die
       zweite Reihe, weil ihre beiden deutschstämmigen Mitbewerberinnen auf den
       für sie vorgesehenen Listenplätzen durchgefallen waren.
       
       Percin ist sauer: Erst sei sie für die Kandidatur angesprochen und als
       "Shooting Star" gefeiert worden: "Die Grünen waren ganz stolz, endlich auch
       im Neuköllner Norden mit seinem hohen Anteil an Migranten eine Kandidatin
       mit Migrationshintergrund aufzustellen." Wenigstens um den ihr zugesagten
       Wahlkreis will die 34-jährige Juristin bei einer durch den Kandidatenstreit
       nötigen Nachwahl am Samstag noch kämpfen. Große Chancen rechnet sie sich
       aber nicht aus: "Ich werde abgestraft."
       
       Percin habe einen sicheren Listenplatz gefordert, so die Neuköllner
       Grünen-Abgeordnete Anja Kofbinger: "Aber als kleiner Verband können wir
       solche Zusicherungen nicht geben." Insgesamt bemühe sich der Bezirk sehr um
       migrantischen Nachwuchs: "Wir haben viele Eintritte von jungen Leuten mit
       türkischem und arabischem Migrationshintergrund. Wir unterstützen diese
       Neumitglieder sehr."
       
       Dass die SPD im Verhältnis zu anderen Parteien relativ viele KandidatInnen
       mit Migrationshintergrund aufgestellt habe, zeige, "dass die
       Nachwuchsarbeit bei uns wohl ganz gut funktionieren muss", sagt Robert
       Schaddach, SPD-Abgeordneter aus Treptow. Als Vorsitzender des Vereins "Jede
       Stimme" organisiert Schaddach, Sohn eines Kameruners, mit anderen
       GenossInnen eine Wahl parallel zur Parlamentswahl, bei der nicht
       wahlberechtigte EinwanderInnen symbolisch ihre Stimme abgeben können:
       "Damit wollen wir die Bereitschaft von Einwanderern steigern, sich
       politisch zu engagieren, ohne sich parteilich zu binden." Von den fünf
       GenossInnen mit Migrationshintergrund, die es bisher ins Abgeordnetenhaus
       geschafft haben, kommen nach Öneys Abgang die Haushaltsexpertin Dilek Kolat
       und Sozialpolitikerin Ülker Radziwill für höhere Ämter in Frage.
       
       Nachwuchsmäßig überraschend gut aufgestellt scheint die CDU: Vier von acht
       Vorstandsmitgliedern im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sind Migranten. Bei
       der SPD im Bezirk sind es von sechs Vorständen glatte null, von 20
       BeisitzerInnen zwei. Und mit Emine Demirbüken-Wegner sitzt eine
       Christdemokratin im Abgeordnetenhaus (und seit 2004 als erste
       Türkeistämmige im CDU-Bundesvorstand), die man sich problemlos als
       Senatorin vorstellen kann. Auch soll das Deutsch-Türkische Forum als
       Arbeitskreis des Landesvorstands "einen vereinfachten Zugang" zur Union
       bieten, so Parteisprecher Dirk Reitze.
       
       Spezielle Programme aber, Mitglieder mit Migrationshintergrund zu werben,
       sind Mangelware. Bei der SPD kündigte jüngst Bundeschef Sigmar Gabriel eine
       15-Prozent-Quote in Gremien der Bundespartei an. Im Berliner Landesverband
       forderte die Arbeitsgemeinschaft Migration "eine Mitgliederwerbekampagne
       mit Fokus auf Menschen mit Migrationshintergrund". Die Parteispitze
       reagiert zurückhaltend. "Für den Landesvorstand sind Migranten Berliner wie
       alle anderen auch, um die wir als Mitglieder werben", sagt Sprecherin
       Daniela Augenstein.
       
       Auch Grünen-Landeschefin Bettina Jarasch hält eine Quote, wie sie Gabriel
       anstrebt, für überflüssig. "Wir sind schon weiter", sagt sie und verweist
       auf zahlreiche Migranten in den Kreisvorständen und als Sprecher - "ganz zu
       schweigen von unserem Bundesvorsitzenden." Eine extra auf Migranten
       zugeschnittene Werbekampagne existiert es nicht, 2010 gab es allerdings
       einen MigrantInnen-Kongress "Berlin mitgestalten".
       
       Die Linkspartei spricht von "erheblichem Zuwachs" auch von Migranten im
       Zuge der Fusion zwischen PDS und WASG. "Weiter sind wir im Moment noch
       nicht", sagt Parteisprecher Thomas Barthel. Eine Werbekampagne fehlt auch
       bei den Liberalen. Sie haben zwar einen designierten Bundeschef mit
       Migrationshintergrund, aber als einzige Abgeordnetenhausfraktion keinen
       solchen Parlamentarier.
       
       5 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
 (DIR) Alke Wierth
       
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