# taz.de -- Der Demjanjuk-Prozess: Das SS-Lager Trawniki
       
       > In dem SS-Lager südlich von Lublin wurden rund 5.000 Männer zu
       > Handlangern des Todes ausgebildet. Die "Trawnikis" erledigten für die
       > Deutschen die Drecksarbeit.
       
 (IMG) Bild: Der Dienstausweis von John Demjanjuk, den er als Wachmann erhielt - ausgestellt von der SS.
       
       Berlin taz | Hier besteht ausnahmsweise Einigkeit zwischen Anklage und
       Verteidigung: Um den Jahreswechsel 1943/43 geriet Iwan Demjanjuk als
       Rotarmist auf der Halbinsel Krim in deutsche Gefangenschaft. Wohl im Lager
       Chelm vegetierte der junge Mann wie Tausende andere vor sich hin.
       
       Die Deutschen legten keinen Wert darauf, dass ihre Gefangenen überlebten.
       Es gab kaum etwas zu essen und keine Unterkünfte. Die Menschen mussten in
       Erdlöchern übernachten. Seuchen breiteten sich aus. "Für einem Laib Brot
       hätte ich meine Seele gegeben", sagte Demjanjuk einmal. Ein Großteil der
       sowjetischen Gefangenen überlebte den Krieg nicht.
       
       Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sich der Angeklagte dort
       freiwillig von der SS anwerben ließ. Besonders Ukrainer, aber auch Balten
       wurden von den Nazis gesucht, um diese als "fremdvölkische Hilfswillige" am
       Holocaust zu beteiligen. Gerade in diesen Ländern grassierte schon vor dem
       deutschen Einmarsch ein virulenter Antisemitismus. Worauf sich die
       Freiwilligen genau einließen, wussten sie nicht.
       
       So wurde Demjanjuk zum "Trawniki". Das SS-Lager gleichen Namens südöstlich
       von Lublin diente zur Ausbildung dieser Handlanger des Todes. Insgesamt, so
       schätzen Historiker, erlernten dort 4.000 bis 5.000 Männer ihr mörderisches
       Handwerk. Das Lager bestand bis zum Juli 1944, als sich die Sowjets Lublin
       näherten.
       
       ## Kein Interesse von deutschen Strafverfolgungsbehörden
       
       ## 
       
       "Trawnikis" werden diese Handlungsreisenden des Todes später genannt. Die
       in schwarze oder dunkelblaue Uniformen gekleideten Männer erledigten für
       die Deutschen die Drecksarbeit - was nicht heißt, dass sich diese nicht
       auch freiwillig und teilweise gar mit Begeisterung daran beteiligten.
       
       Trawnikis halfen bei der Ghetto-Räumung in Lublin und in den umliegenden
       Orten. Sie dienten als Wachmannschaften von jüdischen Zwangsarbeitslagern.
       Sie nahmen an Massenerschießungen teil, etwa in Lomazy, und sie sorgten für
       die Deportationen in die Vernichtungslager. Und sie dienten gegen einen
       geringen Lohn in Konzentrations- und Vernichtungslagern, etwa in Majdanek,
       Treblinka, Belzec und Sobibor.
       
       Manche Trawnikis flüchteten, einige wurden gefasst. Der Historiker Dieter
       Pohl hat im Demjanjuk-Prozess darauf verwiesen, dass diese zwar mit der
       Todesstrafe hätten rechnen müssen. Allerdings seien manche auch nur mit
       Arrest oder KZ-Haft bestraft worden. Die Anklagevertretung argumentiert,
       Demjanjuk hätte fliehen können, ja müssen, um sich der Tatbeteiligung in
       Sobibor zu entziehen.
       
       Nebenklagevertreter Cornelius Nestler: "In kriegerischen Zeiten gibt es
       nicht die Alternative, keinen Gefahren ausgesetzt zu sein. Praktisch jeder
       junge Mann in Europa im Jahre 1943 konnte und musste Soldat sein, mit hoher
       Gefahr für das eigene Leben. Ist es zumutbar, das Risiko einzugehen, sich
       den Partisanen anzuschließen, bis die Rote Armee kommt, oder sich nach
       Hause durchzuschlagen? Ja, haben die deutschen Gerichte geurteilt."
       
       Nach dem Krieg interessierten sich die deutschen Strafverfolgungsbehörden
       nicht weiter für die Trawnikis. Später, als ernsthaftere Ermittlungen
       betrieben wurden, mangelte es an Beweisen. "Das Verfahren musste ich
       einstellen, weil ich keinem der ermittelten Hiwis eine persönliche
       Tatbeteiligung nachweisen konnte", sagte die inzwischen verstorbene
       Hamburger Staatsanwältin Helge Grabitz der taz.
       
       Kein Wunder: Kaum jemand unter den Überlebenden konnte sich namentlich an
       einen bestimmten Schergen erinnern. Sie waren eine anonyme, mörderische
       Masse. In der Sowjetunion wurden dennoch eine ganze Reihe Trawnikis
       verurteilt, einige zum Tode.
       
       Die SS-Ausbilder aus Trawniki dagegen wurden in den 1970er Jahren in
       Hamburg angeklagt. Das Verfahren endete mit Freisprüchen. Man habe nicht
       nachweisen können, dass die Männer wussten, zu welchen Einsätzen die
       Ausgebildeten anschließend herangezogen wurden, lautete die Begründung.
       
       11 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Hillenbrand
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Nach Tod von Kriegsverbrecher: „Eine Welt ohne Demjanjuk ist besser“
       
       Nach dem Tod des Kriegsverbrechers John Demnjanjuk äußern Opferverbände
       bedauern darüber, dass der 91-Jährige auf freiem Fuß gestorben ist.
       Demjanjuk war in einem Pflegeheim gestorben.
       
 (DIR) NS-Kriegsverbrechen: Neue Ermittlungen gegen Demjanjuk
       
       Die Staatsanwaltschaft prüft Vorwürfe wegen des Einsatzes als Wächter im KZ
       Flossenbürg. Der Gedenkstättenleiter verspricht sich einen Pilotprozess für
       andere EX-Wächter.
       
 (DIR) Kommentar Demjanjuk-Prozess: Recht und Rechtsempfinden
       
       Auch 66 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind Prozesse gegen
       Nazi-Verbrecher gerechtfertigt. Angesichts der Monstrosität der Taten sind
       diese Verfahren niemals zu spät.
       
 (DIR) Entscheidung im Demjanjuk-Prozess: Freiheit trotz Schuldspruch
       
       John Demjanjuk wurde der tausendfachen Beihilfe zum Mord für schuldig
       befunden. Trotzdem ist er ein freier Mann, denn er ist zu alt. Das Urteil
       könnte Folgen haben.
       
 (DIR) NS-Kriegsverbrecherprozess: Fünf Jahre für Demjanjuk
       
       Anderthalb Jahre dauerte der womöglich letzte deutsche
       NS-Kriegsverbrecherprozess. Jetzt wurde John Demjanjuk zu fünf Jahren Haft
       wegen Beihilfe zum Mord verurteilt.
       
 (DIR) Der Demjanjuk-Prozess: Das Vernichtungslager Sobibor
       
       Das Lager Sobibor in Polen gehörte zu Heinrich Himmlers
       Vernichtungsprogramm "Aktion Reinhardt". In Sobibor wurden etwa 250.000
       Juden ermordet.
       
 (DIR) Prozess gegen mutmaßlichen Nazitäter: Das Gebot der Gerechtigkeit
       
       Erstmals wird in Deutschland über einen ausländischen Helfer der Nazis
       geurteilt. Das Verfahren gegen John Demjanjuk war ein Muster an
       Rechtsstaatlichkeit.
       
 (DIR) Prozess um mutmaßlichen Kriegsverbrecher: Freispruch für John Demjanjuk verlangt
       
       Der Verteidiger plädiert im NS-Verfahren wegen Beihilfe zum Mord auf
       Freispruch: Der Angeklagte sei unschuldig und nie im Vernichtungslager
       Sobibor gewesen.
       
 (DIR) Plädoyers im Kriegsverbrecherprozess: Demjanjuk "muss bestraft werden"
       
       Sechs Jahre Haft. Das fordert die Staatsanwaltschaft im Verfahren gegen den
       mutmaßlichen NS-Kriegsverbrecher John Demjanjuk. Doch das Gericht hat ein
       Problem.
       
 (DIR) Nazi-Prozess in München: Demjanjuk droht mit Streik
       
       Im Verfahren wegen Beihilfe zum Mord im Vernichtungslager Sobibor setzt die
       Verteidigung auf Verschleppung durch neue Beweisanträge. Die Plädoyers
       verzögern sich.