# taz.de -- Umstrittenes Erdgas-Bohrverfahren: Protest gegen "Fracking" wächst
       
       > In NRW protestieren Bürger, Umweltschützer und Wasserwerker gegen das
       > neue Erdgas-Bohrungsverfahren "Fracking". Rot-Grün hat nun ein Moratorium
       > beschlossen.
       
 (IMG) Bild: Aktion der Interessengemeinschaft "Schönes Lünne" an einer Fracking-Bohrstelle.
       
       DÜSSELDORF taz | Im Umweltausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags
       herrschte Aufregung: Warum bei der Suche nach Erdgas nahe dem Dörfchen
       Oppenwehe in Ostwestfalen 25.000 Liter Diesel zu Drucktests in die Erde
       gepresst wurden, wollte am späten Mittwochnachmittag der CDU-Parlamentarier
       Rainer Deppe wissen - schließlich sei das die Ladung "eines ganzen
       Tanklastzugs". Und für die Linke konstatierte der Abgeordnete Rüdiger Sagel
       gar ein "Kartell des Filzes" zwischen der für die Kontrolle der Bohrung
       zuständigen Bergbaubehörde "und der Energiewirtschaft".
       
       Grund für die Aufregung ist Deutschlands Energiehunger. Konzerne wie
       ExxonMobil oder Wintershall sind in großen Teilen Nord- und
       Westdeutschlands auf der Suche nach so genanntem "unkonventionellem Gas".
       Bisher lohnte sich die Förderung kaum - das Gas steckt tief in der Erde,
       ist in Kohlevorkommen, aber auch in Sandstein- und Schieferschichten
       gebunden.
       
       Mit steigenden Energiepreisen aber nehmen die Konzerne auch
       unkonventionelle Lagerstätten ins Visier. In Nordrhein-Westfalen haben sie
       ihre Claims längst abgesteckt: Unter der im vergangenen Jahr abgewählten
       schwarz-gelben Landesregierung wurden seit 2005 fast 20 Förderfelder
       vergeben, die insgesamt knapp 18.000 Quadratkilometer groß sind - das ist
       mehr als die Hälfte des bevölkerungsreichsten Bundeslands. Vermutet werden
       hier über 2.000 Kubikkilometer Gas - das wäre das zweitgrößte
       Erdgasvorkommen Europas.
       
       Doch die Gassuche trifft auf heftigen Widerstand von Umweltschützern,
       Anwohnern und Wasserversorgern. Sie alle fürchten eine Verseuchung des
       Grund- und Trinkwassers. Denn das Gas soll mit der Methode des "Hydraulic
       Fracturing", kurz Fracking, gewonnen werden: Um an den Energieträger zu
       gelangen, wird mit einem Druck von über 1.000 Bar ein Gemisch aus Wasser,
       Sand und Chemikalien tausende Meter tief in den Untergrund gepresst. Die
       Gesteinsschichten werden so aufgesprengt, das bisher eingeschlossene Gas
       kann nach oben entweichen. "Beim Fracking kommen pro Bohrung bis zu 200
       verschiedene Chemikalien zum Einsatz - und das tonnenweise", warnt etwa
       Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in NRW. "Darunter
       sind Gifte und Gefahrstoffe wie Benzol und Toluol, aber auch Säuren und
       Biozide."
       
       ## Bis zu 200 verschiedene Chemikalien
       
       Bergbehörden wie das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und
       Geologie (LBEG) dagegen halten das Fracking für vertretbar - in
       Niedersachsen wird bereits seit 1977 gefract. "Das Risiko" könne "als
       vertretbar angesehen werden", so die Behörde auf taz-Anfrage unter Verweis
       auf Erkenntnisse der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA. Dabei hat die
       bisher das Fracking lediglich in Kohleschichten, nicht jedoch in porösem
       Schiefer abschließend ausgewertet: Ein Forschungsvorhaben zur Erforschung
       poröser Gesteine wurde erst im Februar gestartet. Für die Niedersachsen
       steht dennoch fest, dass "die "Frac-Flüssigkeit aufgrund des hohen
       Wasseranteils im Allgemeinen keine gefährliche Zubereitung nach
       Chemikalienrecht darstellt". Doch auch das Amt räumt ein, dass "einzelne
       Additive als giftig eingestuft sind".
       
       Die federführenden Energiekonzerne sehen erst recht keine Gefahren etwa für
       das Trinkwasser. Ihre Bohrungen aus einzementierten Stahlrohren seien
       dicht, argumentieren sie. Und oberfächennahe Grundwasservorkommen seien von
       den mit dem Chemikaliencocktail aufgesprengten Gesteinsschichten "durch das
       in der Regel aus Ton- und Salzschichten bestehende, mehrere hundert Meter
       mächtige Deckgebirge" abgetrennt, argumentiert etwa ein Sprecher von
       Wintershall.
       
       Wasserwerke wie Nordrhein-Westfalens größter Versorger Gelsenwasser, der im
       Ruhrgebiet Millionen Menschen mit dem Lebensmittel Nummer Eins beliefert,
       reagieren trotzdem alarmiert. "Stoppt den Wahnsinn", fordert dessen
       Vorstandschef Manfred Scholle: Wie Umweltschützer Jansen fürchtet Scholle,
       dass durch die hohen Drücke des Frackings neue
       "Wasserwegsamkeiten"entstehen und die Chemikalien das Grundwasser doch
       verseuchen.
       
       ## Moratorium für Probebohrungen
       
       Aufgeschreckt durch Berichte über verseuchtes Grundwasser in den USA, wo
       nach Fracs sogar Gas statt Wasser aus den Leitungen strömte, und
       ausgetretenes Benzol in Niedersachsen mobilisieren in NRW immer mehr
       AnwohnerInnen gegen die Gasbohrungen: Zehn Bürgerinitiativen sind
       landesweit bereits gegründet worden. "Die Gefahren müssen erforscht
       werden", fordert Jörn Krüger von der Interessengemeinschaften gegen
       Umweltschäden durch Fracking.
       
       Die Landespolitik sieht das mittlerweile ähnlich. Nordrhein-Westfalens
       rot-grüne Regierung hat ein Moratorium für Probebohrungen verhängt und will
       wie die CDU und Linkspartei im Bundesrat eine Änderung des Bergrechts
       durchsetzen. Denn das schützt vor allem die Konzerne:
       Umweltverträglichkeitsprüfungen oder auch nur die Information der Anwohner
       sind bisher nicht vorgesehen. "Das Bergrecht", sagt Umweltschützer Jansen
       deshalb, "stammt aus dem Preußen des 19. Jahrhunderts - und ist schlicht
       undemokratisch".
       
       12 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Wyputta
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
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