# taz.de -- Umstrittenes "Fracking": Schiefergasrausch in Pennsylvania
       
       > Die rabiate Methode, Gas mit Chemiecocktails aus Gestein zu pressen,
       > macht in den USA Furore - trotz unabsehbarer Auswirkungen auf die Umwelt.
       
 (IMG) Bild: So harmlos hat in Pennsylvania das "Fracking" auch mal angefangen. Probebohrung von ExxonMobil bei Bad Laer im Osnabrücker Land.
       
       FAIRMOUNT TOWNSHIP taz | "Wir machen das Loch wieder zu", brummt Bill
       Bender: "hier war nichts". Der Umweltgeologe steht mit einem Helm auf dem
       Kopf mitten im Wald von Fairmount Township. Es sind die letzten Tage eines
       fast einjährigen Projektes. Um ihn herum schieben Bagger Erdmassen vor sich
       her. Am bereits gestopften Bohrloch liegt noch die Plastikplane, die die
       Natur schützen sollte. Als nächstes werden die Arbeiter Bäume auf die
       kahlgeschlagene Fläche pflanzen. Auch auf die Piste, die sie quer durch den
       dichten Wald zu der Baustelle geschlagen haben.
       
       Der kanadische Konzern Encana hatte in knapp zweitausend Meter Tiefe Gas im
       Schiefer erwartet. Der Wald, so versichert der Geologe, wird anschliessend
       so grün sein, wie zuvor. Er selbst wird dann zum nächsten Gasvorkommen
       weiterziehen. Vielleicht in Louisiana. Vielleicht in Polen.
       
       Im Nordosten von Pennsylvania hat das Gas einen neuen Rush ausgelöst. Der
       Reichtum in dem Marcellus Schiefergestein, das unter den Bundesstaaten New
       York, New Jersey, Pennsylvania und Ohio liegt, hat die großen Unternehmen
       des internationalen Gas-Geschäftes angelockt. Sie sind mit schwerem Gerät
       in die Endless Mountains gekommen und haben sie durchlöchert. Sie holen das
       Gas mithilfe der "Fracking"-Methode nach oben. Dabei wird das Gestein in
       der Tiefe horizontal angebohrt und "hydraulisch frakturiert". Große Mengen
       von Wasser und große Mengen von Chemie erschüttern das Gestein und setzen
       das Gas frei.
       
       ## Kein Cent Steuer für das Gas
       
       Die Methode war schon in den 1940er Jahren bekannt. Doch erst seit Mitte
       vergangenen Jahrzehntes ist sie lohnend für die Branche. Dafür sorgen unter
       anderem die steigenden Gaspreise - aber auch die Toleranz der US-Behörden.
       In Pennsylvania hat der republikanische Gouverneur dafür gesorgt, dass die
       Unternehmen keinen Cent Steuern für das Gas zahlen müssen, das sie aus der
       Tiefe holen.
       
       In Pennsylvania sind sie nicht einmal verpflichtet, die Zusammensetzung des
       aus knapp 300 Bestandteilen zusammengesetzen chemischen Cocktails zu
       veröffentlichen, das sie in die Tiefe jagen. Im Nachbarbundesstaat New York
       ist das Fracking vorerst noch komplett verboten. Wegen der Gefahren für die
       Trinkwasserversorgung der Großstadt New York City. Allerdings will der
       demokratische Gouverneur von New York in Zukunft punktuelle
       Bohrgenehmigungen erteilen.
       
       Insgesamt 2.500 mal haben die Gaskonzerne bislang im Marcellus-Schiefer
       nach Gas gebohrt. Jedes Mal haben sie drei bis fünf Millionen Dollar
       investiert. An 1.100 Stellen haben sie Gas gefunden. An diesen Orten haben
       sich ihre Investitionen schnell amortisiert. Jetzt ragen rot-weiße
       Bohrtürme aus dem dichten Wald der Endless Mountains, und es verlaufen
       immer neue Pipelines unter der Erde.
       
       ## Vom Importeur zum Exporteur
       
       Die Förderung des "unkonventionellen Gases" mit dem Fracking-Verfahren hat
       die USA von einem Gas-Importeur zu einem Exporteur gemacht. Sein Anteil an
       der heimischen Gas-Förderung ist binnen zehn Jahren von einem auf 25
       Prozent gestiegen. Unkonventionelles Gas, so die Branche in ihrer
       nationalen Werbe-Kampagne, ist sauber.
       
       Doch das ist umstritten. Die Probleme kommen von unten und von oben. Mit
       dem Gas treten Gifte aus der Tiefe der Erde an die Oberfläche. Darunter
       auch radioaktive Elemente. Umgekehrt gehen die großen Wassermengen, die in
       die Tiefe gepumpt werden, an der Erdoberfläche verloren, oder sie kommen
       schwer chemisch belastet zurück.
       
       Mancherorts in Pennsylvania beklagen Anwohner, dass sie Gas in ihrem
       Trinkwasser haben. Stellenweise ist es möglich, das Wasser am Hahn mit
       einem Feuerzeug in Brand zu setzen, wie der Dokumentarfilm "Gasland" zeigt.
       Umweltschützer vermuten, dass bei den Gasbohrungen Teile des Gases
       unkontrolliert in die Oberflächengewässer dringen. Entweder entlang
       schlecht isolierter Bohrlöcher, oder durch Brüche in den Erdschichten. Die
       Gas-Branche hingegen behauptet, dass Methangas in Pennsylvania "schon
       immer" im Wasser vorkgekommen sein. Untersucht hat das im Vorfeld niemand.
       
       In Pennsylvania holt sich die grüne Landtagsabgeordnete aus Düsseldorf,
       Wibke Brems, Rat. In Nordrhein-Westfalen sind ebenfalls Gasvorkommen
       entdeckt worden. Nach drei Tagen in Pennsylvania - nach Gesprächen mit
       Umweltschützern, Lobbyisten der Gas-Branche und Industriellen - ist Brems
       klar, dass Nordrhein Westfalen die Gas-Förderung in der nur schwach
       regulierten, staatlicherseits kaum kontrollierten und völlig
       steuerbefreiten Art von Pennsylvania nicht nachmachen darf.
       
       Doch auch in Deutschland drängelt die Gas-Lobby. Brems will
       Umweltverträglichkeitsprüfungen durchsetzen. Und sagt: "Ohne eine
       Möglichkeit, das beim Fracking verunreinigte Wasser zu klären, geht es auf
       gar keinen Fall". In den USA, wo sich das Fracking in rasanter
       Geschwindigkeit über das ganze Land ausbreitet, gibt es immer noch keine
       Methode für die Reinigung des dabei kontaminierten Wassers.
       
       10 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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