# taz.de -- Schwimmender Reaktor im Erdbebengebiet: Wie ein Atom-U-Boot
       
       > Im kommenden Jahr soll Russlands erstes schwimmendes AKW in Betrieb
       > gehen. Ziel ist es laut Umweltschützern, die Technik ins Ausland zu
       > verkaufen.
       
 (IMG) Bild: Akademik Lomonosov: Soll bald vor Vilyuchinsk ankern.
       
       STOCKHOLM taz | Im kommenden Jahr will Russland das erste schwimmende
       Atomkraftwerk der Welt in Betrieb nehmen. Das berichtet die norwegische
       Umweltschutzorganisation Bellona, die mehrere Büros in Russland unterhält.
       Es soll vor der ostasiatischen Halbinsel Kamtschatka ankern. Dort gibt es
       aktive Vulkane, es ist besonders erdbeben- und tsunamigefährdet: 1952 wurde
       hier ein Erdbeben der Magnitude 9.0 gemessen und damit der gleichen Stärke,
       wie das vor Japan am 11. März.
       
       "Es ist ein Skandal, dass sich die internationale Atomenergieagentur IAEA
       dazu mit keinem Wort äussert", sagt Fredric Hauge, Vorsitzender von
       Bellona.
       
       Im Sommer 2010 ist die "Akademik Lomonosov" in St. Petersburg vom Stapel
       gelaufen. Das Schiff wird derzeit auf der dortigen Baltiysky-Werft von der
       staatlichen russischen Energiegesellschaft "Rosatom" als erstes
       schwimmendes Atomkraftwerk ausgerüstet. Es ist mit zwei Reaktoren des Typs
       KLT-40C bestückt, wie sie ähnlich schon zu Sowjetzeiten in atomaren
       U-Booten oder Eisbrechern verwendet wurden.
       
       ## Potenzielle Käufer: China, Indonesien, Indien, Vietnam, Japan
       
       Ans Netz gehen soll das AKW mit 80 Megawatt Leistung in der Stadt
       Vilyuchinsk mit 25.000 Einwohnern. Die Region benötigt den Strom nicht, wie
       Bellona unter Hinweis auf ein entsprechendes Schreiben des Gouverneurs der
       Region an das russische Energieministerium belegt. In Vilyuchinsk erwarte
       man sich angesichts der Militärgarnison vor Ort jedoch keinen Widerstand
       der Bevölkerung, zudem wolle man den schwimmenden Reaktor für potentielle
       Kunden ins Schaufenster stellen, meint Igor Kudrik, Atomexperte bei
       Bellona: "Das Ziel ist es, die Technik ins Ausland zu verkaufen. Man will
       demonstrieren, wie sie funktioniert." China werde als ein potentieller
       Interessent gesehen, Indonesien, Vietnam, Indien und nicht zuletzt Japan
       als weitere, sagt Kudrik.
       
       Die Technik der relativ kleinen und kompakten Schiffsatomreaktoren sei
       ausgereift, meint man bei Rosatom. Bellona listet demgegenüber in einem
       Bericht mit dem Titel [1]["Floating Nuclear Power Plants"] (PDF) allein 45
       bislang öffentlich bekannt gewordene Störfälle mit diesen Reaktoren auf.
       Westliche Experten zweifeln an der Eignung eines für den Schiffsantrieb mit
       relativ kurzen Betriebszeiten und nur für Teilbelastung konzipierten
       Reaktors für einen jahrelangen Dauerbetrieb unter Volllast. Schwachstelle
       sei wie bei anderen Atomreaktoren die Kühlung dauerhaft aufrecht zu
       erhalten. Gerade deshalb sei eine Stationierung in einer Katastrophenregion
       wie Kamtschatka besonders unverantwortlich. Für mögliche Rettungseinsätze
       fehle es dort ausserdem an grundlegender Infrastruktur, heißt es in dem
       Report.
       
       ## Knackpunkt: die Kosten des Schwimm-AKW-Stroms
       
       Schwimmende Atomkraftwerke hatte Moskau schon in den 1970er-Jahren
       projektiert, auch die USA verfolgten eine Zeitlang entsprechende Pläne.
       Knackpunkt waren immer die exorbitanten Kosten des so erzeugten Stroms.
       Auch jetzt ist diese Art der Stromerzeugung unwirtschaftlich, selbst wenn
       man nur Atomkraft zum Vergleich nimmt. Bellona hat auf Basis offizieller
       russischer Zahlen berechnet, dass jedes Megawatt installierter
       Produktionskapazität der "Akademik Lomonosov" 7,8 Millionen Dollar kostet.
       Zweieinhalb mal soviel wie beispielsweise beim derzeit neuesten
       AKW-Neubauprojekt im finnischen Olkiluoto.
       
       "Eigentlich gibt es keinen einzigen vernünftigen Grund für den ganzen
       Unsinn", meint Igor Kudrik. Doch weil man auch in Moskau nicht einfach Geld
       zum Fenster hinauswerfe – in diesem Fall rund 600 Millionen Dollar – ziele
       man womöglich auch auf andere künftige Einsatzgebiete: Beispielsweise die
       Versorgung von Offshore-Öl- und Gasförderanlagen in der Arktis mit
       schwimmender Atomenergie. "Ich befürchte, dass wir diese Dinger bald in
       Europa und im Barents-Meer haben", sagt Fredric Hauge.
       
       16 May 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://bellona.org/filearchive/fil_fnpp_report.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
 (DIR) Reinhard Wolff
       
       ## TAGS
       
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 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
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