# taz.de -- Ewiger Forschertraum Kernfusion: Gigantische Kostenexplosion
       
       > Wer das Prinzip der Sonne kopiert, erhält unendlich viel Energie. Doch
       > die Erfolge sind bescheiden. Trotzdem gibt die EU weiter Milliarden für
       > den Versuchsreaktor Iter aus.
       
 (IMG) Bild: Bei einer Plasmaeruption werden extrem heiße Teilchen aus der Sonne geschleudert.
       
       CADARACHE/BERLIN taz | Es ist ein gigantisches Projekt: Für rund 16
       Milliarden Euro baut die EU zusammen mit anderen Ländern in Cadarache,
       Südfrankreich, einen Kernfusionsreaktor. Den Internationalen
       Thermonuklearen Experimentellen Reaktor, den Iter.
       
       Mit dem Prinzip soll in ferner Zukunft Energie gewonnen werden – doch wann
       und ob das gelingt, weiß keiner. Technische Fragen sind ungelöst, die
       Kosten explodieren, die Erfolge fehlen, Forschung für regenerative Energien
       bleibt auf der Strecke. "Das ist eine gigantische Geldvernichtung", sagt
       der Pariser Energie-Fachmann Mycle Schneider in der sonntaz, "ein
       Beschäftigungsprogramm für arbeitslose Physiker".
       
       Der Traum von der unendlichen Energie durch Kernfusion besteht seit fast 60
       Jahren. 1952 zündeten die Amerikaner im Pazifik eine Wasserstoffbombe, die
       800 mal so stark detonierte, wie die Atombombe von Hiroshima. Sie beruhte
       auf dem Prinzip der Kernfusion.
       
       ## Prinzip Wasserstoffbombe
       
       Seitdem versuchen Forscher, die Energie auch zivil nutzbar zu machen. Nach
       dem Prinzip der Wasserstoffbombe sollen die Wasserstoffisotope Tritium und
       Deuterium verschmelzen und dadurch Energie freisetzen. Doch in den
       Jahrzehnten der Forschung ist nur eines verlässlich gewesen: die Zeit, die
       noch benötigt wird, bis es endlich soweit ist. Es fehlen stets noch drei
       Jahrzehnte.
       
       Doch das Forschungsvorhaben wird nach Berechnungen der EU noch teurer. Der
       Iter kostet Europa in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 1,3 Milliarden
       mehr als geplant. Aus Entwürfen der EU-Kommission geht hervor, dass die
       Löcher im Budget durch nicht genutzte Mittel für die Landwirtschaft und
       andere Forschungsmitteln gestopft werden sollen.
       
       ## Im Energiekonzept der Bundesregierung nicht erwähnt
       
       Selbst die Bundesregierung rechnet nicht mit schnellen Ergebnissen. Im
       Energiekonzept bis 2050 ist die Kernfusion nicht erwähnt: Sie sei "eine
       langfristige Option für die Energieversorgung", sagt
       Forschungsstaatssekretär Georg Schütte, mit der sei vor 2050 "nicht zu
       rechnen". Unter der teuren Forschung mit ungewissem Ausgang leiden die
       regenerativen Energien, die weit weniger gefördert werden.
       
       In Europa fließen nach offiziellen Angaben der EU-Kommission allein in den
       Jahren 2012 und 2013 zwei Milliarden Euro in die Kernfusion. In die
       Erforschung der regenerativen Energien steckt die EU auch rund zwei
       Milliarden Euro – in sieben Jahren. "Der Iter kannibalisiert andere
       Forschungsvorhaben", sagt die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im
       Europäischen Parlament, Rebecca Harms. Der FDP-Europaabgeordnete Jorgo
       Chatzimarkakis kritisiert die Teuerungen: "Wir wollen zurück zu den alten
       Zahlen."
       
       ## Technischer Direktor: "Die Kosten sind gedeckelt, Basta"
       
       Der technische Direktor des Iter in Frankreich verteidigt das Vorhaben:
       "Fusion ist naturgegeben, es gibt sie Milliarden Mal – auf der Sonne, auf
       jedem Stern", sagt der Holländer Remmelt Haange. Er hat Anfang 2011 das
       Projekt übernommen, weil die Kostensteigerungen immer unkontrollierter
       wurden. Denn zuletzt stiegen die Schätzungen von fünf auf 16 Milliarden
       Euro. Der Anteil der EU wäre damit auf rund 7,2 Milliarden Euro gestiegen –
       mittlerweile hat sie ihn auf 6,6 Milliarden begrenzt. "Es gibt jetzt die
       Deckelung der Kosten, also halten wir sie ein, Basta", sagt Haange.
       
       Der Ausstieg aus dem Projekt ist kompliziert. Allein durch Verträge mit
       Baufirmen und dem eigenen Personal wären für die EU rund 4,5 Milliarden
       Euro fällig, hat die EU-Kommission errechnet. Diese Schätzung schließe
       "mögliche Schadenersatzklagen Dritter nicht ein", schreiben die Autoren,
       genauso wenig das bereits ausgegebene Geld von "mehr als einer Milliarde
       Euro".
       
       7 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gordon Repinski
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Klimaneutralität
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
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