# taz.de -- Nach der Wahl in Bremen: Städter wählen Grün, nicht Schwarz
> Die CDU verliert in Bremen zugunsten der Grünen und ihr droht die
> Auflösung ihrer Stammwählerschaft. Nun steht sie vor der Frage: Braucht
> sie mehr oder weniger Liberalisierung?
(IMG) Bild: Nur die Rentner halten der CDU noch die Treue.
BERLIN taz | Wenn selbst Volker Bouffier so etwas sagt, dann muss es
schlecht stehen um die CDU. Der hessische Ministerpräsident erklärte am Tag
nach der verlorenen Wahl in Bremen: "Wir müssen uns Gedanken machen, wie
wir gerade in großen Städten stärker und attraktiver werden." Damit spricht
sich auch der konservative Parteivize indirekt für eine weitere
Liberalisierung der Union aus. Denn die Not der Union wächst.
Immer mehr potenzielle CDU-Wähler bleiben der Wahl fern oder machen ihre
Kreuze bei den Grünen. Die Bürgerschaftswahl im kleinsten Bundesland
bestätigt: Die einst verlachten Alternativen wachsen insbesondere in
Großstädten zur ärgsten Konkurrenz der CDU heran. Ähnlich wie Bouffier
sieht es auch Volker Kauder. Der Vorsitzende der Unionsfraktion und
erklärte Konservativer fordert: "Es muss das Lebensgefühl in den
Großstädten wieder besser getroffen werden."
Die CDU ist bei der Bremer Bürgerschaftswahl am Sonntag nach schweren
Verlusten hinter der SPD und den Grünen gelandet - erstmals ist sie in
einem westdeutschen Bundesland nur noch drittstärkste Kraft. Und bei der
Abgeordnetenhauswahl in Berlin Mitte September könnte sie hinter Grünen,
SPD und Linke gar auf Platz 4 landen.
## Rentner gehalten
Der Union droht, was die SPD im Bund seit fast zehn Jahren erlebt: die fast
vollständige Auflösung ihrer Stammwählerschaft. Nur noch die Wähler
jenseits der 60 hielten der Partei von Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann
die Treue. Während die Partei insgesamt auf 20,2 Prozent der Stimmen kam,
votierten laut Infratest dimap immerhin 28 Prozent der älteren Wähler für
sie. In allen anderen Altersschichten erhielt die Union demnach nur 14 bis
17 Prozent.
Bei den Grünen ist es umgekehrt: In allen Altersgruppen schnitten sie mit
28 bis 30 Prozent blendend ab. Nur bei den über 60-Jährigen blieben sie mit
12 Prozent deutlich hinter ihrem Gesamtergebnis von 22,5 Prozent zurück.
Doch auch das dürfte sich bald ändern: "Die sogenannten 68er altern, aber
viele bleiben den Grünen treu, zugleich spricht die Partei Jüngere an",
sagt der Parteienforscher Carsten Koschmieder von der Freien Universität
Berlin.
Lange konnte die Union darauf vertrauen, dass bestimmte soziale Gruppen sie
fast automatisch wählten. Die Bremen-Wahl offenbart, dass diese Zeiten
zumindest in Großstädten vorüber sind. Nur noch 17 Prozent der Angestellten
votierten laut Infratest dimap für sie. Nur bei Selbstständigen (30
Prozent) und Rentnern (28 Prozent) schnitt sie überdurchschnittlich ab.
## Auftrieb für die Modernisierer?
Doch auch hier setzt die Grünen-Konkurrenz der Union zu. Denn für sie
stimmten noch mehr Selbstständige als für die CDU: 33 Prozent. Das passt
kaum zum verbreiteten Bild von der Partei der Beamten, die sich wenig um
Wirtschaft und Steuersätze scherten. "Zu einem Teil lässt sich das mit der
desolaten Lage der Bremer FDP erklären", urteilt Politologe Koschmieder.
Die Freidemokraten waren unter anderem geschwächt durch zwei
Parteineugründungen ehemaliger Mitglieder.
Welche Folgen hat die Wahl im kleinen Bremen für die Bundesebene? Zwar sei
es immer schwer, aus Landtagswahlen bundesweite Trends abzuleiten, sagt
Koschmieder. "Aber im internen CDU-Konflikt zwischen Modernisierern und
Konservativen könnte die Bremen-Wahl den Modernisierern Auftrieb geben."
Zu den Modernisierern zählten bislang Angela Merkel und Arbeitsministerin
Ursula von der Leyen. Nun nähert sich auch Kauder jenen Unionsleuten, die
in einer Abkehr von der Atomkraft oder einer besseren Kinderbetreuung ihr
Heil suchen. Der Unions-Fraktionschef sagte am Montag: Bei der
bevorstehenden Wahl in Berlin gehe es außer um die Wirtschaftspolitik
darum, die Stimmungen etwa in der Bildungs- und der Gesundheitspolitik zu
treffen.
Doch auch die CDU-internen Gegner einer weiteren Öffnung zur Mitte
formieren sich. Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder,
erklärte die Liberalisierung der Partei gar für gescheitert. Im
Deutschlandradio Kultur sagte er: "Und da hat man gesehen, dass der
großstädtische, urbane Strategieansatz eben nicht gezogen hat, den wir
verfolgt haben." Er rate jedem ab, "sich bei den Grünen anzubiedern. Das
wird uns unsere Wählerschaft im Kern sehr übel nehmen. Und dann ist eben
auch nichts mehr mit der Gleichung, dass wir auf dem Land besonders gut
abschneiden."
23 May 2011
## AUTOREN
(DIR) Matthias Lohre
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