# taz.de -- Thema Sterbehilfe auf dem Ärztetag: Kein Tod auf Rezept
       
       > Die Ärztekammer will Medizinern künftig die Hilfe beim Suizid von
       > Patienten verbieten. Die Berufsordnung soll verändert werden. Bei
       > Verstößen drohen hohe Geldbußen.
       
 (IMG) Bild: Die eigene Innung sagt den Ärzten: Finger weg von tödlichen Dosen.
       
       FREIBURG taz | Ärzte sollen Patienten nicht bei der Selbsttötung helfen
       dürfen. Das will die Bundesärztekammer auf ihrem Ärztetag in Kiel
       beschließen, der an diesem Dienstag beginnt. In der Berufsordnung für Ärzte
       soll der Satz eingefügt werden: "Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung
       leisten." Wenn Ärzte dagegen verstoßen, können sie mit hohen Geldbußen
       bestraft werden.
       
       Eigentlich ist Beihilfe zum Suizid in Deutschland nicht strafbar, anders
       als zum Beispiel in Großbritannien. Bei uns gilt: Weil die Selbsttötung
       nicht verboten ist, kann auch die Hilfe dazu nicht bestraft werden -
       jedenfalls wenn der Suizid nicht Ausdruck einer psychischen Krankheit ist.
       
       Wer seinem sterbewilligen Freund einen Strick besorgt oder ein Buch über
       Selbsttötungsmethoden, macht sich nicht strafbar.
       
       Doch gerade Schwerkranke können sich oft nicht mehr selbst töten. Hier
       kommen mitunter nur noch medikamentöse Methoden in Betracht. Zwar kann ein
       Kranker seine Medikamente überdosieren und hoffen, dass er stirbt. Doch es
       gibt Medikamente, die sich wegen ihrer sanften, aber effizienten Wirkung
       besonders gut zur Selbsttötung eignen. In der Schweiz wird zum Beispiel
       Natriumpentobarbital verschrieben. Dort ist das ärztliche Berufsrecht
       liberaler als in Deutschland.
       
       Bei uns gingen die Ärzte auch bisher schon davon aus, dass die Hilfe zum
       Suizid gegen ihr Standesrecht verstößt. Dies war aber nicht in der
       Berufsordnung geregelt, sondern in den "Grundsätzen zur ärztlichen
       Sterbebegleitung", die bei der Auslegung der Berufsordnung helfen.
       
       ## Keine Aufgabe für den Arzt
       
       Dort hieß es bis vor kurzem: "Die Mitwirkung des Arztes bei der
       Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos." Doch viele Ärzte störte
       es, wenn die Hilfe beim Suizid als "unethisch", also moralisch schlecht,
       eingestuft wurde.
       
       Im Februar wurden diese Grundsätze dann neu gefasst: "Die Mitwirkung des
       Arztes bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe", heißt es jetzt.
       Viele Beobachter interpretierten dies als Tauwetter in der Ärzteschaft.
       Immerhin konnten sich nach einer Umfrage der Bundesärztekammer 37 Prozent
       der Mediziner vorstellen, einem Patienten beim Suizid zu helfen.
       
       Und der scheidende Ärztekammer-Präsident Jörg-Dietrich Hoppe sagte im Juli
       2010 in einem Spiegel-Interview: "Auch aufgrund dieser Umfrage müssen wir
       jetzt überlegen, ob wir im Berufsrecht bei der Frage des ärztlich
       assistierten Suizids weiter über das Strafrecht hinausgehen."
       
       Doch es kam ganz anders. Statt einer Aufweichung steht nun sogar eine
       Verschärfung der Berufsordnung an. "Mit der vorgeschlagenen Formulierung
       muss und kann nicht mehr interpretiert werden", sagte Hoppe im Vorfeld des
       Ärztetags, "es ist jetzt für jeden klar, dass Ärzte keinen Suizid
       unterstützen dürfen."
       
       Und niemand zweifelt daran, dass dies beschlossen wird. Immerhin kommt der
       Änderungsvorschlag vom Vorstand der Bundesärztekammer. Auch die beiden
       aussichtsreichsten Kandidaten für Hoppes Nachfolge, Frank Ulrich Montgomery
       und Theodor Windhorst, unterstützen die Änderung.
       
       Nur wenige Ärzte wie der Berliner Michael de Ridder kritisieren offen die
       Zuspitzung: "Sie setzt die Gewissensfreiheit des einzelnen Arztes außer
       Kraft, und sie schaltet das Gewissen der deutschen Ärzteschaft gleich."
       
       ## Aktive Stebehilfe bleibt verboten
       
       Der Freiburger Medizinrechtler Hans-Georg Koch sieht auch rechtliche
       Probleme: "Ein Verbot ohne Ausnahme für dramatische Einzelfälle könnte
       unverhältnismäßig sein", sagte er der taz. Außerdem sei fraglich, ob die
       Ärzte in ihrer Berufsordnung überhaupt Fragen regeln können, die vor allem
       Patienten betreffen. "Das ist eigentlich keine ,eigene Angelegenheit' der
       Ärzte." Sollte ein Arzt mit berufsrechtlichen Sanktionen belegt werden,
       müssten die Gerichte klären, ob das Verbot der Suizidhilfe nicht selbst
       rechtswidrig ist.
       
       Aktive Sterbehilfe bleibt aber auch jetzt auf jeden Fall strafbar, zum
       Beispiel wenn der Arzt dem Sterbewilligen eine Todesspritze gibt. Passive
       Sterbehilfe bleibt dagegen straflos. Gemeint ist damit der Abbruch einer
       Heilbehandlung auf Wunsch des Patienten, dazu gehört auch das Abschalten
       von medizinischen Apparaten. Als Selbsttötung gilt nur, wenn der Kranke die
       letzte todbringende Handlung selbst vollzieht, also zum Beispiel mit einem
       Röhrchen ein tödliches Medikament trinkt.
       
       31 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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