# taz.de -- Aufstand im Jemen: Wie geht es weiter ohne Saleh?
       
       > Präsident Ali Abdallah Saleh hat das Land verlassen, um sich in
       > Saudi-Arabien medizinisch behandeln zu lassen. Die Opposition feiert.
       > Dauert der arabische Frühling an?
       
 (IMG) Bild: Die Opposition feiert ausgelassen auf den Straßen der Hauptstadt Sanaa.
       
       KAIRO taz | Seit Monaten hatten sie versucht, ihn im Jemen loszuwerden.
       Zunächst durch friedliche Demonstrationen nach ägyptisch-tunesischem
       Muster. Dann durch Verhandlungen mit dem Golfkooperationsrat, in dem die
       Modalitäten seines Abtritts festgelegt werden sollten. Nun hat der
       jemenitische Präsident Ali Abdallah Saleh das Land verlassen, unfreiwillig,
       verletzt bei einem Angriff auf seinen Präsidentenpalast am letzten Freitag.
       Seine Verbrennungen werden in einem Militärkrankenhaus im benachbarten
       Saudi-Arabien behandelt. Am Sonntag wurde ein Granatsplitter aus seiner
       Brust herausoperiert.
       
       Dabei gelten die gleichen Regeln wie bei dem tunesischen Diktator Ben Ali,
       der ebenfalls in Saudi-Arabien Zuflucht gefunden hatte. Keine Interviews,
       keine öffentlichen Auftritte. Unklar ist, ob Saleh jemals in seine Heimat
       zurückkehren wird. Aus Kreisen der jemenitischen Regierungspartei heißt es,
       der Präsident werde innerhalb weniger Tage zurückerwartet.
       
       Aber wären seine Verletzungen leicht gewesen, man hätte ihn nicht
       ausgeflogen. Die Frage ist auch, ob ihn Saudi-Arabien überhaupt noch einmal
       zurücklässt, denn dort ist man zunehmend ungehalten über die Krise im
       Nachbarland.
       
       Das könnte bedeuten, dass Salehs politische Karriere nach 33 Jahren
       Herrschaft über das Land an der Spitze der Arabischen Halbinsel beendet
       ist. Die Demonstranten auf dem Universitätsplatz in der Hauptstadt Sanaa
       scheinen keine Zweifel zu haben. Sie feierten am Sonntag den Sturz Salehs.
       
       Wer wird das politische Vakuum füllen? Der verbliebene Rest von Salehs
       Familie, der die diversen Sicherheitsapparate und die Präsidentengarde
       kontrolliert? Die Stammesführer der Al-Ahmars, mit denen Saleh in der
       letzten Woche eine militärische Fehde begonnen hatte? Oder die
       Revolutionäre, die von einem demokratischen Jemen träumen? Oder bricht im
       Jemen das Chaos aus, weil keine der drei Gruppen das Heft an sich reißen
       kann?
       
       Klar ist, dass die Rechnung von Präsident Saleh nicht aufgegangen ist. Er
       hatte sich trotz aller Proteste und Verhandlungsangebote stur gestellt. Und
       es geschafft, den friedlichen Revolutionären im Jemen einen bewaffneten
       Kampf aufzuzwingen, erklärt Ibrahim Abdel Aziz al-Jahmi, ein
       oppositioneller jemenitischer Diplomat in Kairo.
       
       Saleh hatte es schlau angestellt. Statt die Revolutionäre auf einem der
       Hauptplätze in Sanaa zu beschießen, wo sie seit Wochen ein Zeltlager
       aufgebaut hatten, ließ er seine Truppen auf die Häuser der al-Ahmars, der
       Führer des größten Stammes, schießen, die sich den Revolutionären
       angeschlossen hatten.
       
       So ein Stammesführer mit Privatarmee kann das schon aus Gründen der
       Familienehre nicht auf sich sitzen lassen und begann schon letzte Woche
       eine militärische Fehde. Das Hauptziel Salehs sei gewesen, "nicht wie
       Mubarak in Ägypten vor Gericht gestellt zu werden", sagt al-Jahmi. "Salehs
       Botschaft ist: Wenn er geht, dann wird das Land in einem unregierbaren
       Stammeschaos enden."
       
       Offiziell führt nun Vizepräsident Abd-Rabbu Mansour Hadi die Amtsgeschäfte.
       De facto werden nun die Stammesführer, die Militärgeneräle, die Islamisten
       als bestorganisierte Oppositionsgruppe und die Jugendlichen auf dem
       Universitätsplatz aushandeln, wie es weitergehen soll.
       
       "Alles hängt jetzt davon ab, ob sich die verschiedenen politischen Kräfte
       zusammenraufen", sagt Abdel Malik Mansour, Vertreter des Jemens bei der
       Arabischen Liga. Die friedlich demonstrierenden Revolutionäre befürchten,
       dass ihr Kampf durch Stammesfehden in den Hintergrund rücken könnte.
       
       "Doch "die al-Ahmars haben den militärischen Konflikt mit Saleh nicht
       begonnen, sondern nur reagiert", sagt Mansour. Er ist davon überzeugt, dass
       die verschiedenen politischen Kräfte eine Lösung finden können, nicht
       zuletzt mit saudischem und amerikanischen Einfluss. Schließlich hätten alle
       in den letzten Wochen einen Plan des Golfkooperationsrates abgesegnet.
       Danach sollte Saleh innerhalb von 30 Tagen abtreten, der Vizepräsident die
       Amtsgeschäfte übernehmen und eine Übergangsregierung innerhalb von 60 Tagen
       freie und faire Wahlen organisieren. "Das einzig Neue jetzt ist", sagt
       Mansour, "dass sich die 30 Tage bis zum Abtritt Abdallah Salehs erledigt
       haben."
       
       5 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim Gawhary
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Staatskrise im Jemen: Al-Qaida nutzt das Machtvakuum
       
       Islamistische Milizionäre erobern Städte im Süden und stoßen dabei jetzt
       auf Widerstand. Tausende Familien fliehen vor Kämpfen und
       Selbstmordanschlägen.
       
 (DIR) Unruhen im Jemen: Saleh schwerer verletzt als vermutet
       
       Verbrennungen an 40 Prozent seines Körpers soll Jemens Machthaber bei dem
       Angriff auf seinen Palast erlitten haben. Er ist nach wie vor in
       Saudi-Arabien, seine Rückkehr bleibt ungewiss.
       
 (DIR) Gefechte im Jemen: Taes in Hand der Opposition
       
       Nach Angaben eines Stammesführers kontrollieren Rebellen die Stadt Taes,
       die zweitgrößte des Landes. Die Britische Marine steht bereit, um eigene
       Landsleute zu evakuieren.
       
 (DIR) Nach der Ausreise von Präsident Saleh: Opposition fordert Übergangsrat
       
       Die "Revolutionäre Jugend" im Jemen fordert nach der Ausreise Salehs die
       Einsetzung eines Übergangsrates. In Sanaa sind erneut sechs Menschen von
       Heckenschützen erschossen worden.
       
 (DIR) Teile-und-herrsche-Strategie im Jemen: Salehs Machtsystem
       
       Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh schuf ein Netzwerk der Patronage. Doch
       dies kehrt sich jetzt gegen ihn. Auch Exgünstlinge streben nach einer
       Neuverteilung der Macht.
       
 (DIR) Nach Angriff auf Jemens Präsidentenpalast: Verletzter Saleh ausgereist
       
       Der nach einem Angriff auf den Palast verletzte Präsident lässt sich in
       Saudi-Arabien operieren. Das Nachbarland hat jetzt auch eine wichtige
       Schlüsselrolle inne. Salehs Gegner feiern schon.
       
 (DIR) Jemen im Chaos: Präsident Saleh bei Attacke verletzt
       
       In Jemens Hauptstadt Sanaa spitzt sich die Lage zu. Mehrere
       Regierungspolitiker wurden zum Ziel von Granatenangriffen. Armee und
       Stammeskämpfer liefern sich heftige Feuergefechte.
       
 (DIR) Islamexperte über revoltierende Araberinnen: "Heirat und Kinder reichen nicht"
       
       Geschlechterrollen verändern sich auch in Nordafrika – deswegen sind Frauen
       aus den Aufständen nicht wegzudenken. Ein Gespräch mit dem
       Islamwissenschaftler Reinhard Schulze.
       
 (DIR) Proteste im Jemen und in Bahrain: Mindestens 41 Tote in Sanaa
       
       In der jemenitischen Hauptstadt eskaliert die Gewalt zwischen
       Regierungtruppen und Stammesmilizen, erste Botschaften schliessen. In
       Bahrain wurde der Ausnahmezustand aufgehoben.