# taz.de -- Ehec-Epidemie und die Politik: Kampfzone Bienenbüttel
       
       > Erst waren Gurken unter Verdacht, Ehec auszulösen, dann Sprossen von
       > einem Hof in Niedersachsen. Doch nichts ist bewiesen. Die EU will jetzt
       > 150 Millionen Euro an geschädigte Bauern zahlen.
       
 (IMG) Bild: Gefahrenzone Bienenbüttel: Experten vom Robert-Koch-Institut und vom Bundesinstituts für Risikobewertung auf dem in Verdacht stehenden Sprossen-Gärtnerhof.
       
       BERLIN dpa | Die Suche nach dem Ehec-Erreger geht weiter: Erste Laborproben
       von Sprossengemüse aus Niedersachsen fielen am Montag negativ aus. Auch die
       von einem Hamburger Ehec-Patienten bei den Behörden abgegebene
       Sprossen-Probe weist keine Ehec-Keime auf. Das sagte Hamburgs
       Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am Dienstag.
       
       Der 42-jährige Hamburger hatte das Sprossengemüse des betroffenen
       gesperrten Hofs in Niedersachsen im Kühlschrank vergessen. Die mehrere
       Wochen alte Packung hätte den Behörden dabei helfen können, die
       Infektionsquelle zweifelsfrei nachzuweisen. Erste Laborproben von
       Sprossengemüse von dem betroffenen Hof in Bienenbüttel waren am Montag
       ebenfalls negativ ausgefallen.
       
       Die Zahl der Opfer steigt unterdessen: 22 Tote hat der aggressive Darmkeim
       Ehec mittlerweile in Deutschland gefordert, so das Robert-Koch-Institut
       (RKI) am Montagabend. Demnach starben 15 Patienten infolge des
       hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS). Bei sieben weiteren gestorbenen
       Ehec-Infizierten wurde diese schwere Komplikation den Angaben zufolge nicht
       festgestellt. Die meisten Toten gibt es nach RKI-Zahlen in Niedersachsen.
       Dort starben sechs Menschen. Fünf kamen in Schleswig-Holstein ums Leben,
       vier in Nordrhein-Westfalen.
       
       ## Krankenhausgesellschaft: Betten und Personal vorhalten
       
       Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert anlässlich Ehec, "die
       geplanten finanziellen Kürzungen für die Krankenhäuser zurückzunehmen", so
       Hauptgeschäftsführer Georg Baum zu der in Düsseldorf erscheinenden
       Rheinischen Post. Die Epidemie zeige, wie wichtig es sei, in den
       Krankenhäusern Kapazitäten an Betten und Personal vorzuhalten, "um solche
       schwierigen Situationen zu bewältigen".
       
       Zurzeit könne die Lage nur bewältigt werden, weil die Kliniken
       untereinander Personal austauschten. Baum betonte: "Die Kliniken machen
       heute alles, was für die Versorgung der Erkrankten notwendig ist. Baum
       sagte, das Personal arbeite aktuell "ohne Rücksicht darauf, ob sie ihre
       Leistungen am Ende von den Krankenkassen auch vergütet bekommen."
       
       ## Weiterhin Sprossen-Verdacht
       
       Das niedersächsische Verbraucherministerium in Hannover vermutet auch nach
       den ersten negativen Proben weiterhin, dass Sprossen eines Betriebes in
       Bienenbüttel (Lüneburger Heide, Niedersachsen) Auslöser der Ehec-Epidemie
       sind. "Wir halten an dem Verdacht fest", sagte Ministeriumssprecher Gert
       Hahne nach Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse.
       
       Auch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hält im Kampf gegen die
       Ehec-Infektionswelle die Warnung vor dem Verzehr von Sprossen trotz
       fehlender Nachweise weiterhin für angebracht. Sie halte es für richtig, an
       dem Verzehrhinweis festzuhalten, "solange der Verdacht nicht vollständig
       ausgeräumt ist", sagte Aigner in Berlin. Das Robert Koch-Institut (RKI) und
       das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hielten weiter an der Warnung
       vor rohen Gurken, Tomaten und Salat insbesondere in Norddeutschland fest.
       
       ## Mehr als 2700 Ehec-Fälle in Deutschland
       
       Derzeit sind bundesweit mehr als 2700 Ehec-Fälle und -Verdachtsfälle
       registriert sowie mehr als 650 HUS-Fälle und Verdachtsfälle. In
       Niedersachsen wurden am Montag 503 Ehec-Fälle und -Verdachtsfälle gezählt,
       45 mehr als am Samstag. "Der Scheitelpunkt ist leider noch nicht erreicht",
       sagte ein Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums. Die
       ebenfalls schwer betroffenen Länder Hamburg und Schleswig-Holstein meldeten
       eine leichte Entspannung, weil die Zahl der Ehec-Erkrankungen nun zumindest
       langsamer als noch in der vergangenen Woche steige.
       
       Außerhalb Deutschlands gibt es in Europa bisher rund 100 nachgewiesene
       Ehec- und HUS-Fälle in elf Ländern – in allen Fällen bis auf einen gibt es
       nach Informationen des Europabüros der Weltgesundheitsorganisation
       Verbindungen nach Deutschland.
       
       ## "Man muss Bakterien erst wachsen lassen"
       
       Das sei tatsächlich der größte Ausbruch mit solchen Bakterien, den es in
       Deutschland in der Nachkriegszeit gegeben habe, sagte BfR-Präsident Andreas
       Hensel. Die Fachbehörden seien gut aufgestellt, doch eine solche
       Untersuchung brauche Zeit. "Um ein Bakterium nachzuweisen, muss man es erst
       wachsen lassen." In drei von vier Fällen finde man die Infektionsquelle
       nicht.
       
       Der Leiter des Nationalen Referenzlabors für Escherichia coli, Lothar
       Beutin, verwies auf einen Ehec-Ausbruch in Japan 1996 durch
       Rettichsprossen, bei dem sich rund 11.000 Menschen infiziert hätten. Damals
       konnten Ehec-Keime beim verdächtigen Unternehmen nicht nachgewiesen werden,
       sondern lediglich in Haushalten.
       
       ## 150 Millionen Euro Entschädigung
       
       Die Agrarminister der EU treffen sich zur Stunde in Luxemburg. Die
       EU-Kommission arbeite bereits an einem Vorschlag für Ausgleichszahlungen,
       sagte der Sprecher von EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos. "Wir
       hoffen, dass wir eine grundsätzliche Einigung finden können." Details
       müssten dann aber noch ausgearbeitet werden. Die wegen der EHEC-Epidemie
       von Einkommensverlusten betroffenen Bauern in der Europäischen Union sollen
       eine Entschädigung von insgesamt 150 Millionen Euro erhalten. Das schlug am
       Dienstag die EU-Kommission in Luxemburg vor.
       
       Für die am meisten betroffenen Produkte, die vom Markt zurückgenommen
       werden, solle 30 Prozent des Referenzpreises aus den Vorjahren bezahlt
       werden, sagte der Kommissar. Abgedeckt werde die Zeit von Ende Mai bis Ende
       Juni. Der Vorschlag muss noch von den EU-Landwirtschaftsministern
       angenommen werden.
       
       Gemüse-Bauern sagen, sie hätten wegen Warnungen vor dem Verzehr von rohen
       Gurken, Tomaten und Salaten schwere Einbußen hinnehmen müssen. Besonders
       Spanien fordert Hilfen für seine Landwirte, da deutsche Behörden in
       spanischen Gurkenlieferungen zeitweise den Ausgangspunkt des
       lebensgefährlichen Darmkeims vermutet hatten.
       
       7 Jun 2011
       
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