# taz.de -- Proteste in Syrien: Lesbische Bloggerin verschwunden
       
       > Die syrische Bloggerin Amina Arraf soll von Sicherheitskräften
       > verschleppt worden sein. Schon einmal hat der Geheimdienst ihr gedroht.
       
 (IMG) Bild: Vermisst: die syrische Bloggerin Amina Arraf.
       
       BERLIN taz | Amina Arraf ist verschwunden. Die nüchternen Sätze, die sie in
       einem ihrer letzten Blog-Einträge hinterlassen hat, klingen nun umso
       düsterer nach: "Ich schneide meine Fingernägel kürzer als je zuvor",
       schrieb sie am Sonntag, "für den Fall, dass ich verhaftet werde und sie
       versuchen, sie herauszureißen".
       
       Arraf, 34 Jahre alt und Englischlehrerin aus Damaskus, hat es gewagt, ihre
       Stimme gegen das autoritäre Regime in Syrien zu erheben. Ihre freimütigen,
       oftmals witzigen Gedanken hielt sie in ihrem Blog "[1][Damascus Gay Girl]"
       fest. Sie schreibt darin über die Massenproteste, die vor rund drei Monaten
       in Syrien ausbrachen, über die Brutalität der Sicherheitskräfte, aber auch
       über ihren Alltag als lesbische Frau in einem arabischen Land.
       
       Am Montag ist die Bloggerin laut ihrer Cousine Rania Ismail verschleppt
       worden. Es war etwa 18 Uhr und Arraf war auf dem Weg zu einem Treffen mit
       einem anderen Regimegegner, als drei Männer sie in der Nähe des
       Abassid-Busbahnhofes in Damaskus ergriffen. "Die Männer waren bewaffnet.
       Einer von ihnen legte die Hand über ihren Mund, und sie stießen sie in
       einen roten Dacia Logan", gibt die Cousine den Bericht einer Augenzeugin
       auf Arrafs Blog wieder.
       
       Herauszufinden, wohin die junge Frau gebracht wurde, ist eine
       Sisyphos-Aufgabe in einem Land mit 14 Geheimdiensten und ungezählten
       Milizen, die im Dienste des Regimes agieren. Die Sicherheitskräfte arbeiten
       derzeit mit äußerster Härte daran, die Proteste zu ersticken. Rund 1.200
       Menschen starben bereits, mehr als 10.000 wurden festgenommen. "Wir wissen
       nicht, wer sie hat", schreibt die Cousine, "also wissen wir nicht, wen wir
       fragen sollen, um sie zurückzukriegen".
       
       ## Geheimdienst drohte mit Vergewaltigung
       
       Mit ihrem Blog hat Arraf viel Aufsehen erregt – in ihrem Land und weit
       darüber hinaus. Es ist nicht das erste Mal, dass sie ins Visier der
       Sicherheitsdienste geraten ist. In einem Eintrag Ende April beschreibt sie,
       wie der Geheimdienst vor der Tür ihres Elternhauses stand. Die Männer
       warfen ihr vor, islamische Extremistin zu sein und drohte, sie vor den
       Augen ihres Vaters zu vergewaltigen. Doch diesmal hatte Arraf noch Glück.
       Es gelang ihrem Vater, die beiden abzuwimmeln.
       
       Vor einigen Wochen ist sie untergetaucht – sie wusste, dass ihre prominente
       Familie sie nun nicht mehr schützen kann. Auch, dass sie neben der
       syrischen die amerikanische Staatsangehörigkeit hat, hilft ihr nicht. Ihre
       Kritik an der Regierung wurde immer direkter, schärfer. "Sie müssen gehen,
       sie müssen bald gehen", schrieb sie zuletzt, "das ist alles, was es dazu zu
       sagen gibt."
       
       Mit ihrer eigenwilligen Mischung aus Humor, Politik, Lyrik, Religion und
       Sexualität brach sie so ziemlich jedes Tabu in Syrien. Als Frau, die offen
       lesbisch lebt, ging sie ein hohes Risiko ein. Homosexualität ist in Syrien
       strafbar, auch wenn die Gesetze selten angewendet werden. "Ich bin viele
       Dinge", sagte sie über sich selbst, "ich bin Araberin, ich bin Syrerin, ich
       bin eine Frau, ich bin lesbisch, ich bin Muslimin, ich bin binational, ich
       bin groß, ich bin zu dünn, meine Konfession ist sunnitisch, mein Klan sind
       die Omari, mein Stamm ist Quraysh, meine Stadt ist Damaskus."
       
       8 Jun 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://damascusgaygirl.blogspot.com/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriela M. Keller
       
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