# taz.de -- Syrische Bloggerin war Fake: Der weiße Mann und die Mär
       
       > Syriens bekannteste Bloggerin berichtete von der Revolution - und war ein
       > Medienstar. Jetzt wurde bekannt: Es gibt sie nicht, ein Amerikaner hat
       > sie erfunden.
       
 (IMG) Bild: Zu schön, um wahr zu sein: grafische Präsentation der gefakten Bloggerin.
       
       Sie gab der Revolution ein Gesicht, eine Stimme, eine Leidensgeschichte und
       somit die ideale Identifikationsfläche. Sie war jung, sie war lesbisch, sie
       war Amina Arraf und berichtete seit Februar in ihrem Blog "A Gay Girl in
       Damascus" über die Repressalien des syrischen Assad-Regimes in Zeiten des
       versuchten Umsturzes. Sie ahne, dass sie festgenommen würde, schrieb die
       vermeintliche Aktivistin, dann verschwand sie.
       
       Ihre Cousine Rania gab an gleicher Stelle ein Update, Amina sei von drei
       Männern in ein Auto gezwungen worden. Medien aus aller Welt berichteten
       darüber - auch die taz. Es war einfach so schön, dass Informationen
       ungehindert aus Syrien rausflossen. Und es war so schön einfach, Arraf mit
       nur einem Mausclick am heimischen PC zu unterstützen.
       
       Alles falsch, alles gelogen. Die gefühligen Zeilen stammten von einem
       40-jährigen Amerikaner. Tom MacMaster schrieb auch nicht aus Damaskus,
       sondern aus Edinburgh, wo er studiert. Den letzten Eintrag, in dem er sich
       am Sonntag outet, unterzeichnet er aus Istanbul. "Er habe niemals erwartet,
       so viel Aufmerksamkeit zu erregen," schreibt er in seiner Entschuldigung.
       Und der BBC erklärte der selbsternannte Friedensaktivist, der sich seit
       Jahren eingehend mit der arabischen Welt beschäftigt, seine Beweggründe.
       
       Er sei, wenn er Fakten und Meinungen zu Nahost-Themen präsentierte, einfach
       oft gefragt worden, warum er antiamerikanisch, antijüdisch sei. Deswegen
       habe er das Alter Ego erfunden, so dass sich die Menschen auf die Fakten
       konzentrieren würden.
       
       Eine krude Logik. Vor allem weil er ein hübsches Gesicht für seine Amina
       fand, das die auf das Blog gerichtete Aufmerksamkeit erheblich verstärkte.
       In einem Foto sieht man eine schlanke Frau mit dunklen Haaren, einen
       auffälligen, adretten Leberfleck. Es wurde nicht in Damaskus aufgenommen,
       sondern in Paris und gehört Jelena Lecic aus London, die nichts mit Syrien
       zu tun hat. Sie führt wie hunderte Millionen andere auch ein
       Facebook-Account, und von diesem nahm MacMaster, sagt er, das Bild.
       
       ## Mehr gefühlte Nähe
       
       Erste Unregelmäßigkeiten waren längst aufgefallen, als Lecic am 8.Juni bei
       der BBC saß und erzählte, wie mies es ihr - zu Recht - ginge, weil jemand
       ihr Foto gekapert hatte. Sie hatte es im Guardian entdeckt und daraufhin
       Kontakt zur Presse gesucht. Niemand kannte Amina, ihre IP-Adressen waren in
       Edinburgh registriert, es kursierte schon Gerüchte, Arraf sei nicht echt.
       Trotzdem gingen Lecic und der Moderator noch davon aus, die Bloggerin habe
       das Bild geklaut, um ihr eigenes Gesicht zu schützen. Ein anwesender
       Blogger sagte: "Es ist egal, wer du wirklich bist, wenn du als
       Cyberaktivist agierst." Lecic tröstete das wenig.
       
       Warum also war ein Blog voller pathetischer Prosa so erfolgreich?
       Vielleicht weil es perverserweise das Geschehen aus einem Land
       veranschaulicht, aus dem kaum Informationen dringen. Vielleicht weil eine
       junge Frau mehr gefühlte Nähe vermittelt als ein älterer bärtiger Mann.
       
       Das Lesbische rundet die fiktive Persönlichkeit ab, ohne spezifisch zu
       sein. Es ist ein billiger Trick, um der Figur ein weiteres Attribut zu
       geben. Nur weil das syrische Regime ohne Zweifel wütet, spielt die
       Fälschung ihm nicht in die Hände. Zu viel von den schrecklichen Ereignissen
       in Syrien ist schon bekannt, als das diese Erfindung der dortigen
       Opposition schaden könnte. Das Regime kann nicht behaupten, Amina gibt es
       nicht, also gibt es auch keine Revolution.
       
       Man könnte Amina Arrafs Entstehung als schlampige Arbeit unzähliger
       Journalisten abtun. Sie haben zu lange nicht hinterfragt. Doch worauf
       sollen sich Medien dann verlassen, wenn nichts aus einem Land dringt? Wäre
       man ganz konsequent, würde rein gar nichts berichtet werden.
       
       ## Pfuschender Wichtigtuer
       
       Es stimmt schon, dass der Blog Aufmerksamkeit für die syrische Befreiung
       generieren konnte. Für den Rest der Welt ist es okay und die Empörung nicht
       zu groß, verglichen mit dem, was das Regime treibt. Für Lecic aber ist es,
       wie für die "falsche" Neda aus dem Iran, eine Katastrophe. Sie leidet als
       Opfer eines Lernprozesses, den wir alle in dieser frühen Phase des
       Internets wohl mehrmals durchmachen müssen, bevor wir lernen, dass Bilder
       missbraucht werden können. Aber, auch das gehört zu den Begebenheiten, nur
       sie zahlt den Preis für diese Erkenntnis.
       
       Es bleibt zu hoffen, dass Jelena Lecic MacMaster auf Schadenersatz
       verklagt. Vielleicht sollte sich schnell eine Facebook-Gruppe gründen, um
       ihr den bestmöglichen Anwalt zu besorgen. Am Ende nämlich ist Tom MacMaster
       ein pfuschender Wichtigtuer, der die Sympathien der Welt ausnutzte.
       
       13 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Natalie Tenberg
       
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