# taz.de -- Unruhen in Syrien: Assad holt aus zum Gegenschlag
       
       > Das Regime entsendet tausende Elitesoldaten in die rebellische Stadt
       > Dschisr al-Schughur. Die Bewohner fliehen. In ganz Syrien gehen die
       > Menschen wieder auf die Straße.
       
 (IMG) Bild: Türkische Soldaten im Grenzgebiet zu Syrien.
       
       KAIRO taz | Der Exilblogger Ammar Abduhamid brachte es auf den Punkt:
       "Haben die Supermächte die Kontrolle über ihre Spionagesatelliten verloren?
       Sie sollten wissen, was in Syrien los ist, aber sie schweigen", schrieb er
       am Freitag.
       
       "Die syrische Armee hat ihre Operation begonnen, um die Ordnung
       wiederherzustellen", hatte das Staatsfernsehen am Morgen verlauten lassen.
       Anfang der Woche war im nordsyrischen Ort Dschisr al-Schughur der Tod von
       120 Soldaten vermeldet worden, die laut offizieller Version in einen
       Hinterhalt bewaffneter Banden geraten seien. Danach hatte Innenminister
       Ibrahim Schaar eine "starke und einschneidende Reaktion" angekündigt. Bis
       heute ist unklar, was genau in dem Ort geschehen ist.
       
       Am Freitag soll das Regime eine mindestens 15.000 starke Truppen nach
       Dschisr al-Schughur in Bewegung gesetzt haben, unterstützt von Panzern. Es
       soll sich nicht um reguläre Armeeeinheiten handeln, sondern um
       Spezialeinheiten, die sich beim Einsatz gegen Demonstranten bereits
       "verdient" gemacht haben. Mehrere tausend Einwohner flohen vorsichtshalber
       über die nur 20 Kilometer entfernte türkische Grenze. Ein Ankömmling sagte:
       "Die Menschen sind nicht bereit, sich einfach wie Schafe abschlachten zu
       lassen."
       
       Laut den Flüchtlingen sollen die Aufständischen das Grasland um die Stadt
       angezündet haben, um das Vorrücken der Armee zu erschweren. Es gibt
       keinerlei Berichte aus dem Ort selbst. Strom und Telefon sind abgestellt.
       
       ## Sicherheitskräfte überwältigt
       
       Ein syrischer Oppositionspolitiker meldete sich inzwischen telefonisch bei
       der Nachrichtenagentur AP und berichtete, in dem 40 Kilometer östlich von
       Dschisr al Schugur gelegenen Ort Maaret al Numan hätten tausende von
       Demonstranten Sicherheitskräfte überwältigt; Polizeiwache und
       Gerichtsgebäude seien in Brand gesteckt worden. Die Streitkräfte hätten den
       Ort daraufhin mit Panzern beschossen. Seinen Namen wollte der
       Oppositionspolitiker nicht genannt wissen.
       
       Das staatliche syrische TV schien in einem Bericht die Angaben des
       Oppositionspolitikers zu bestätigen: Bewaffnete hätten Polizeistationen in
       Maaret al Numan angegriffen und den Sicherheitskräften Verluste zugefügt,
       hieß es. Ein Aktivisten-Netzwerk, die Örtlichen Koordinierungskomitees,
       berichteten, in der nordwestlichen Provinz Idlib seien zehn Menschen
       getötet worden, die meisten in Maaret al Numan.
       
       ## Angst vor "befreiten Gebieten"
       
       Für das Regime stellt die Stadt Dschisr al-Schughur eine besondere
       Herausforderung dar. Es hat es nicht geschafft, die seit drei Monaten im
       ganzen Land andauernden Proteste niederzuschlagen. Nun gerät eine
       Grenzregion zeitweise außer Kontrolle, und die Sorge dürfte groß sein, dass
       in Syrien ähnlich wie in Libyen "befreite Gebiete" entstehen könnten.
       
       Unbeeindruckt davon kam es nach dem Freitagsgebeten erneut in vielen Teilen
       Syriens zu Protesten. Zuvor hatten die Aufständischen über Facebook zu
       einem "Tag der Stämme" aufgerufen, in der Hoffnung, dass sich Teile der
       syrischen Stammesgesellschaft, die vor allem in den Landesteilen Richtung
       Irak und Jordanien noch eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielen, auf
       ihre Seite schlagen. So kam es gerade in diesen Gegenden zu Protesten nach
       den Gebeten.
       
       Doch der brutale Einsatz der syrischen Sicherheitskräfte führt inzwischen
       zu immer lauteren internationalen Reaktionen. Bisher hatte sich der
       türkische Nachbar zurückgenommen, unterhielten doch Ankara und Damaskus in
       den letzten Jahren gute Beziehungen. Doch nun hat der türkische Premier
       Tayyib Erdogan in einem Interview davon gesprochen, dass das Assad-Regime
       "Gräueltaten" begehe. Damit hält momentan nur noch das iranische Regime zu
       Baschar al-Assad.
       
       Im staatlichen iranischen Fernsehen waren die ägyptischen Demonstranten
       gegen Mubarak noch als "Revolutionäre" bezeichnet worden - die syrischen
       Aufständischen werden als "Terroristen" betitelt.
       
       10 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim Gawhary
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
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