# taz.de -- Neues Transplantationsgesetz: Die Pflicht, sich zu entscheiden
       
       > Die Organspende in Deutschland soll neu geregelt werden. Jeder Bürger
       > muss sich zur Spendebereitschaft erklären, fordert die Politik. Ist das
       > berechtigt?
       
 (IMG) Bild: Bürger in der Erklärungs-Pflicht: Künftig soll jeder erklären müssen, ob er oder sie im Todesfall zu einer Organspende bereit ist.
       
       BERLIN taz | Nach den Diskussionen über die Präimplantationsdiagnostik und
       die Zulässigkeit ärztlicher Sterbehilfe steht den Deutschen in diesem Jahr
       eine dritte große Ethikdebatte ins Haus. Und diese wird ausnahmslos alle
       Bürgerinnen und Bürger betreffen: [1][Die Organspende soll neu geregelt
       werden.] 
       
       Künftig soll jede Bürgerin und jeder Bürger gegenüber den Behörden erklären
       müssen, ob er oder sie im Todesfall zu einer Organspende bereit ist.
       Möglich soll aber auch sein, mit "Ich weiß nicht" zu antworten - in dem
       Fall schiede der Betroffene wohl als potenzieller Organspender aus. So
       jedenfalls sieht es ein einstimmiger Beschluss der Gesundheitsminister der
       Länder vor, der am späten Donnerstag öffentlich wurde.
       
       Die 16 Landesgesundheitsminister folgen damit inhaltlich einem Vorstoß der
       Fraktionschefs von SPD und Union, Frank-Walter Steinmeier und Volker
       Kauder, die bereits einen gemeinsamen, fraktionsübergreifenden
       Gesetzentwurf zur Neuregelung der Organspende für die Zeit nach der
       Sommerpause angekündigt haben. Wie immer bei ethischen Fragen soll die
       Abstimmung eine Gewissensentscheidung sein - und deshalb ohne den sonst
       üblichen Fraktionszwang erfolgen.
       
       Ziel der Reform, die das Transplantationsgesetz von 1997 ändern soll, ist,
       die Organspendebereitschaft der Deutschen zu erhöhen. Bislang wird diese
       nirgends zentral erfasst. Wer hierzulande einen Organspendeausweis trägt,
       tut dies freiwillig. Ärzte, Kirchen und viele Politiker fordern seit Jahren
       eine Änderung des bestehenden Rechts.
       
       ## Experten gehen von Verfassungsmäßigkeit aus
       
       Der Grund: Mehr als [2][12.500 Schwerkranke] warten derzeit auf Niere,
       Lunge oder Herz - oft vergeblich. Zwar sind laut Umfragen bis zu 75 Prozent
       der Deutschen prinzipiell zur Organspende bereit, aber nur 25 Prozent haben
       tatsächlich einen Organspendeausweis. Würden die Menschen gezwungen, sich
       zu erklären, so das Kalkül der Politik, dann stiege auch die Zahl der
       verfügbaren Spenderorgane.
       
       Der Verfassungsrechtler und ehemalige FDP-Bundesjustizminister Edzard
       Schmidt-Jortzig, derzeit Mitglied des Deutschen Ethikrats, geht davon aus,
       dass die geplante Gesetzesänderung mit der Verfassung vereinbar sei.
       Jedenfalls solange den Bürgern im Sinne der verfassungsrechtlich
       garantierten Selbstbestimmung ebenfalls das Recht eingeräumt würde, sich im
       Zweifel nicht zu verhalten. Also mit "Weiß nicht" zu antworten. Auch
       dürften aus der moralischen Pflicht, sich zu entscheiden, bei
       Nichtentscheidung keine rechtlichen Sanktionen erwachsen, sagte
       Schmidt-Jortzig am Mittwoch bei einer Expertenanhörung des
       Gesundheitsausschusses zur Organspende.
       
       "Eine Organbereitstellungspflicht darf es nicht geben", forderte auch der
       ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang
       Huber, der eine Gesetzesänderung grundsätzlich befürwortet. Der
       Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) drängt auf eine Lösung, die die
       Freiwilligkeit der Organspende respektiert.
       
       ## Patientenschützer sind gegen die Pläne
       
       Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sprach sich am Freitag dafür
       aus, die Spendebereitschaft auf der elektronischen Gesundheitskarte zu
       speichern. Die sensible Information könne so verschlüsselt erfasst werden.
       In Notfallsituationen erführen Ärzte und Sanitäter sofort, ob jemand ein
       Organspender ist. "Eine zentrale Datenbank wäre damit genauso überflüssig
       wie ein von jedermann lesbarer Ausweis, der bei Verlust missbraucht werden
       könnte", sagte Schaar.
       
       Patientenschützern gehen die Pläne zur Neuordnung dagegen zu weit. "Niemand
       darf zu einer Entscheidung gezwungen werden. Organspende muss ein Akt der
       Selbstbestimmung sein", forderte der Geschäftsführende Vorstand der
       Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch. Der Hamburger Medizinrechtler
       Oliver Tolmein wies bei der Expertenanhörung darauf hin, dass
       Organspendeerklärungen "eine Art Patientenverfügung" seien. Und im
       Patientenverfügungsgesetz sei eindeutig festgeschrieben, dass es keinen
       Zwang zu einer Erklärung geben dürfe. Folglich gelte das auch für die
       Organspende. Im Übrigen gebe es bereits die Verpflichtung der
       Krankenkassen, ihre Versicherten über die Möglichkeit einer Organspende
       aufzuklären.
       
       Dies geschehe aber selten, beklagte auch Edzard Schmidt-Jortzig. Viele
       Organe gelangten überdies trotz Spendebereitschaft nicht rechtzeitig zu den
       Schwerstkranken, weil in vielen Krankenhäusern Transplantationsbeauftragte
       fehlten, die "die Intransparenz der Ressourcenverwaltung effektiver regeln
       könnten". Die Gesundheitsminister wollen dies ebenso prüfen wie die Frage,
       ob die Aufwandsentschädigung der Krankenhäuser für das Engagement beim
       Organspendeprozess ausreichend ist.
       
       1 Jul 2011
       
       ## LINKS
       
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