# taz.de -- Cameron verdreifacht Polizeikräfte: Erster Toter bei Krawallen in London
       
       > Ein 26-Jähriger erlag am Dienstag Schussverletzungen, die er sich bei den
       > Unruhen zugezogen hatte. David Cameron nennt die Proteste kriminell und
       > holt sein Parlament aus dem Urlaub zurück.
       
 (IMG) Bild: Polizisten in London – bald sind dreimal so viele unterwegs.
       
       LONDON/BERLIN rtr/dpa/dapd/afp | Infolge der seit Tagen andauernden
       Krawalle in London ist offenbar erstmals ein Mensch ums Leben gekommen. Ein
       26-jähriger Mann, der während der Unruhen am Montag im Stadtteil Croydon in
       seinem Auto eine Schussverletzung erlitten habe, sei im Krankenhaus
       gestorben, teilte die britische Polizei am Dienstag mit. Croydon ist ein
       Stadtteil im Süden von London, wo während der Unruhen mehrere Gebäude in
       Brand gesteckt worden waren.
       
       Großbritanniens Premierminister David Cameron hat eine massive Aufstockung
       der Polizeikräfte in London angekündigt, um die anhaltenden Krawalle zu
       beenden. In der kommenden Nacht werden 16.000 Polizisten auf den Straßen
       der Hauptstadt eingesetzt, sagte Cameron am Dienstag nach einer Sitzung des
       Sicherheitskabinetts "Cobra". In der Nacht zum Dienstag waren es etwa
       6.000.
       
       "Wir werden alles tun, um die Ordnung wieder herzustellen", sagte Cameron.
       Es handele sich bei den Krawallen um "pure Kriminalität". "Die muss besiegt
       werden", sagte der Premierminister, der am Vorabend vorzeitig aus seinem
       Italien-Urlaub nach London zurückgekehrt war. Wegen der Krawalle ruft
       Cameron auch die Abgeordneten aus dem Urlaub zurück. Für Donnerstag setzte
       der Regierungschef eine Sondersitzung des Parlaments an.
       
       Auch die britische Innenministerin Theresa May hat die Krawalle in London
       und anderen Städten des Landes als "Verbrechen" verurteilt. Die Gewalt habe
       ein Ausmaß erreicht, das Großbritannien seit Jahren nicht gesehen habe,
       sagte May am Dienstag dem Fernsehsender Sky News.
       
       Mehr als 450 Menschen seien in den vergangenen drei Nächten allein in
       London festgenommen worden, wo inzwischen sämtliche Arrestzellen belegt
       seien. Verdächtige würden deshalb in anderen nahen Polizeistationen in
       Gewahrsam genommen, sagte May.
       
       ## Kein Wasserwerfereinsatz geplant
       
       Eine von vielen Experten geforderte Änderung der Polizeitaktik mit dem
       Einsatz von Wasserwerfern sowie eine Hilfestellung des Militärs sind
       offensichtlich nicht geplant. "Das ist nicht die Art, wie wir in
       Großbritannien Polizeiarbeit machen", sagte Theresa May.
       
       Als vorbeugende Maßnahme wurden mehrere Fußballspiele verschoben. In der
       Nacht waren bereits zwei für Dienstag geplante Spiele des englischen
       Ligapokals verschoben worden, am Dienstag sagte der englische
       Fußball-Verband (FA) das für Mittwoch geplante Freundschaftsspiel der
       Engländer gegen die Niederlande ab. "Die Unruhen in London sind so schwer,
       dass alle verfügbaren Polizeikräfte dort eingesetzt werden", teilte der
       niederländische Fußballverband in einer Stellungnahme mit.
       
       Das Auswärtige Amt rät Reisenden nach Großbritannien angesichts der
       gewalttätigen Ausschreitungen in London und anderen Städten zu "besonderer
       Vorsicht". Auf der Homepage des Ministeriums hieß es am Dienstag:
       "Reisenden wird geraten, besondere Vorsicht walten zu lassen, sich bei
       Anzeichen von Ausschreitungen sofort zurückzuziehen und den Anweisungen von
       Sicherheitskräften unbedingt Folge zu leisten. Reisende sollten sich ferner
       durch die Medien über die aktuelle Entwicklung informieren und ihr
       Verhalten vor Ort entsprechend anpassen."
       
       ## Gewerkschaft der Polizei: Bei uns nicht!
       
       In Deutschland sind nach Einschätzung der Gewerkschaft der Polizei (GdP)
       keine so ausufernden Krawalle wie derzeit in London und anderen englischen
       Städten zu erwarten. Das teilte die GdP am Dienstag mit. Zwar gebe es auch
       in der Bundesrepublik sozialen Sprengstoff, räumte der
       GdP-Bundesvorsitzende Bernhard Witthaut ein. Er warnte jedoch davor, mit
       den Vorfällen in England "Panikmache zu betreiben". Sollte es auch in
       Deutschland zu Unruhen kommen, sieht Witthaut die deutsche Polizei "gut
       aufgestellt".
       
       Die Krawalle hatten in der Nacht zum Sonntag im Problemviertel Tottenham im
       Londoner Norden begonnen. Zuvor war dort ein 29-Jähriger unter ungeklärten
       Umständen von einem Polizisten erschossen worden. Bereits in der Nacht zum
       Montag breiteten sie sich innerhalb der britischen Hauptstadt aus. In der
       dritten Nacht gab es dann erstmals Ausschreitungen in Liverpool, Birmingham
       und Bristol.
       
       Ein Jahr vor den Olympischen Spielen bot sich ein Bild der Verwüstung, etwa
       im sozialschwachen Ost-Londoner Viertel Woolwich. Plünderer machten sich
       mit ganzen Wagenladungen von Diebesgut davon. Schaufensterpuppen lagen auf
       den Straßen. Britische Versicherer rechneten mit Schäden in Höhe von
       mehreren Dutzenden Millionen Pfund. Der Unterhaltungsriese Sony teilte mit,
       durch den Brand in einem Warenlager könne sich die Auslieferung von CDs und
       DVDs verzögern.
       
       Einige hätten versucht, Sanitäter und Feuerwehrleute anzureifen. Die
       Beamten hatten vor allem Probleme mit den Jugendlichen, weil sie sich als
       "kleine und mobile" Gruppen über Internet und Smartphones organisierten und
       schnell von einem Ort zum nächsten weitergezogen.
       
       Ein führender Polizist von Scotland Yard erklärte, das Profil der
       Krawallmacher habe sich seit Beginn der Ausschreitungen am Wochenende
       geändert. Während in den ersten beiden Nächten vor allem 14- bis 17-Jährige
       beteiligt gewesen seien, hätten in der Nacht zum Dienstag Gruppen älterer
       Randalierer mit Autos die Plünderungen organisiert, sagte Polizeioffizier
       Stephen Kavanagh.
       
       9 Aug 2011
       
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