# taz.de -- Brände in fünf Stadtteilen: Krawalle in London eskalieren
       
       > Randalierer stecken in vielen Stadtteilen Autos und Häuser an. An vielen
       > Stellen brennt es lichterloh. Damit erreichen die Krawalle am Tag drei
       > einen neuen Höhepunkt. Auch Birmingham betroffen.
       
 (IMG) Bild: Ein Polizist muss zusehen, wie in Croydon ein Haus lichterloh in Flammen steht.
       
       LONDON dpa/reuters | London kommt auch am dritten Tag nach den Vorfällen
       von Tottenham nicht zur Ruhe. In der Nacht zum Dienstag zogen wieder
       Randalierer durch die Stadt und legten vielfach Feuer. Im Viertel Croydon
       brannte ein ganzer Straßenzug, aus einem Möbellager schlugen meterhoch die
       Flammen. Polizei und Feuerwehr waren dem Anschein nach völlig überfordert.
       Auch Kinder sollen unter den Randalierern sein. Premierminister David
       Cameron berief für Dienstagmorgen eine Sondersitzung des Nationalen
       Sicherheitsrates ein.
       
       Auch in den Stadtteilen Clapham, Peckham, Hackney und Lewisham gab es am
       Montag Krawalle. Mit Birmingham war zudem erstmals eine Stadt außerhalb
       Londons betroffen. Cameron hatte am Montag seinen Urlaub in der Toskana
       abgebrochen. Er wollte noch am Abend nach London zurückkehren. Auch
       Vize-Premier Nick Clegg, Innenministerin Theresa May und Londons
       Bürgermeister Boris Johnson unterbrachen ihren Urlaub.
       
       Der amtierende Londoner Polizeichef Tim Godwin forderte die Bevölkerung
       auf, die Straßen zu verlassen. Eltern sollten sich nach ihren Kindern
       erkundigen und sie nach Hause holen. Auch Gruppen gewalttätiger Kinder
       zwischen 10 und 14 Jahren waren nach Medienberichten unterwegs. "Es sind
       viel zu viele Schaulustige auf den Straßen", sagte er. Die Polizei hatte
       hunderte Beamte aus anderen Städten Großbritannien nach London beordert.
       Das größte Problem sei jedoch, die Einsatzkräfte schnell von einem Ort zum
       anderen zu befördern.
       
       Eine Gruppe von Menschen berichtete per Telefon, wie sie sich in dem
       Hackney Empire Theatre Schutz gesucht hatten. "Wir stecken drinnen fest",
       sagte eine Frau, die ihren Namen nicht nennen wollte. Die Angreifer
       schienen sich auf die Geschäfte im vorderen Teil des Gebäudes zu
       konzentrieren. "Wir sind hinten im Gebäude, wir bleiben weg vom vorderen
       Teil", sagte die Frau. "Wir haben die Türen verbarrikadiert."
       
       Die Polizei schien trotz eines Großeinsatzes nicht in der Lage, die
       Krawalle zu stoppen. Die Jugendlichen bilden offenbar über das Internet
       kleine und mobile Gruppen. Sie hätten sich mit Smartphones organisiert und
       seien sehr schnell von einem Ort zum nächsten weitergezogen, berichteten
       Beobachter. Die Polizei habe daher große Probleme gehabt, die Randalierer
       unter Kontrolle zu bekommen. Scotland Yard drohte Twitter-Usern, die über
       den Kurznachrichtendienst zu Gewalt aufrufen, hohe Strafen an.
       
       Zudem wurde offenbar ein kostenloser Textdienst auf Blackberry-Handys des
       Herstellers RIM genutzt. Der kanadische Hersteller kündigte eine
       Zusammenarbeit mit den Behörden an, ohne Einzelheiten zu nennen.
       
       ## Bereits 215 Verhaftungen bis zum Montagabend
       
       Plündernde und brandschatzende Banden, die in der Nacht zum Sonntag in
       Tottenham die Randale begonnen hatten, waren schon in der Nacht zum Montag
       in weitere Stadtteile weitergezogen, vor allem im Norden, Osten und Süden
       der Metropole. Die Polizei nahm inzwischen nach Angaben von Innenministerin
       Theresa May 215 Randalierer fest, 25 wurden bereits angeklagt.
       
       Mehr als 40 Polizisten wurden verletzt. Vizepremierminister Nick Clegg
       sagte in Tottenham, wo die Krawalle in der Nacht zum Sonntag begonnen
       hatten, die Randalierer seien "opportunistische Kriminelle". Sie hätten
       schon jetzt "große Narben" in der Gesellschaft hinterlassen.
       
       Die Krawalle hatten in der Nacht zum Sonntag im Problemviertel Tottenham
       begonnen. Zwei Tage zuvor war dort der 29-jährige Mark Duggan von einem
       Polizisten erschossen worden. Unklar war, ob der farbige Familienvater, der
       der Banden- und Drogenszene zugerechnet wird, das Feuer eröffnet hatte.
       Ergebnisse ballistischer Tests sollten am Dienstag veröffentlicht werden.
       
       ## Polizist laut Medien von eigenen Kollegen beschossen
       
       Der Mann hatte nach Darstellung der Polizei bei einer Kontrolle aus einem
       Taxi auf die Fahnder geschossen. Eine Kugel, die das Funkgerät eines
       Polizisten traf, stammte nach einer ersten Untersuchung aber offenbar aus
       einer Polizeiwaffe, berichteten mehrere britische Medien. Mitglieder der
       Farbigen-Community werfen der Polizei Rassismus vor.
       
       Randalierer aller Ethnien hatten daraufhin in Tottenham Büros, Wohnungen,
       Supermärkte, Polizeiautos und einen Doppeldecker-Bus in Brand gesetzt und
       Geschäfte ausgeplündert. Von einigen Häusern blieben nur die Grundmauern
       übrig. Familien wurden obdachlos, weil ihre Wohnungen ausbrannten.
       
       "Das hat absolut nichts mit dem Tod von Mark Duggan zu tun", sagte Clegg.
       Die Gewalt sei "total unakzeptabel". Der örtliche Abgeordnete David Lammy
       sagte, Tottenham sei "das Herz entrissen" worden. Die Sachschäden an
       Gebäuden und öffentlichen Einrichtungen gehen in den mehrstelligen
       Millionenbereich.
       
       ## Familie des getöteten Mannes distanziert sich
       
       Im Stadtteil Brixton im Süden verwüsteten in der Nacht zum Montag mehr als
       200 Jugendliche die zentrale Einkaufsstraße. In Enfield im Norden sowie den
       Stadtvierteln Walthamstow und Waltham Forest im Nordosten griffen
       Jugendliche Polizisten an, zerstörten Schaufenster und plünderten Läden.
       Die Feuerwehr musste rund 50 Brände löschen. Einige dieser Gegenden sind
       für soziale Probleme bekannt.
       
       Die Familie des getöteten Mannes distanzierte sich von der Gewalt. Das sei
       nicht im Sinne des 29-Jährigen, sagte dessen Bruder. Bei den Tätern handle
       es sich offenbar um "Trittbrettfahrer", erklärte Scotland Yard.
       
       Die Beamten seien schockiert über das Ausmaß der Gewaltbereitschaft. London
       ist in einem Jahr (27. Juli bis 12. August 2012) Austragungsort der
       Olympischen Spiele. Die Sicherheit ist eines der meistdebattierten Themen
       im Vorfeld der Spiele.
       
       8 Aug 2011
       
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