# taz.de -- Kommentar Krawalle in London: Die unregierbare Weltstadt
       
       > Die britische Regierung reagiert hilflos auf die Gewalt in London, die
       > mit Sozialprotest nichts zu tun hat. Die lokale Zivilgesellschaft
       > reagiert erfindungsreicher.
       
       London ist eine Weltstadt, vielleicht die einzige Europas. Auf engstem Raum
       prallt die gesamte Vielfalt der Welt aufeinander: russische Milliardäre und
       afrikanische Haussklaven, islamistische Hetzer und englische
       Sozialhilfeempfänger, globalisierte Finanzmanager und ein chancenloses
       Prekariat. Niemand kann die Spannungen überblicken, die sich aus diesem
       chaotischen Mit- und Nebeneinander ergeben. London ist mit seiner Energie
       und globalen Ausstrahlung dem provinziellen Rest Großbritanniens längst
       entwachsen. Eigentlich ist diese Stadt unregierbar.
       
       Kein Wunder, dass die britische Regierung ziemlich hilflos dasteht, wenn
       die Londoner Verhältnisse in Gewalt ausarten und ganze Straßenzüge brennen.
       Es liegt nicht nur an den Sommerferien, dass Premierminister David Cameron
       und andere vorzeitig aus dem Urlaub zurückgekehrte britische
       Spitzenpolitiker jetzt als Getriebene dastehen. Die Politiker, die zu Hause
       geblieben waren, haben auch nicht entschlossener reagiert.
       
       Es wäre auch gar nicht so einfach für die Regierung, zu anderen Reaktionen
       zu finden als zu den jetzt angekündigten harten polizeilichen Maßnahmen.
       Angesichts des Ausmaßes der Zerstörung ist die anfänglich oft zu hörende
       Kritik, wonach die Sparpolitik der Konservativen ein Grund für den Aufruhr
       sei, weitgehend verstummt.
       
       Mit Sozialprotest hat das, was sich auf Londons Straßen abspielt, nichts zu
       tun. Es gibt bei den Plünderern weder klare politische Ziele noch
       identifizierbare Bewegungen oder Führungspersönlichkeiten. Und es sind vor
       allem ihre Opfer, denen jetzt der soziale Absturz droht, darunter unzählige
       kleine Geschäftsleute am Existenzminimum, Säulen ihrer lokalen
       Gemeinschaften, die jetzt vor dem Ruin stehen, während ihre Kunden zu den
       besser gesicherten und daher heil gebliebenen Shopping-Malls und
       Supermärkten abwandern.
       
       Deshalb macht die Reaktion dieser lokalen Zivilgesellschaft am meisten
       Hoffnung. Sie bewegt sich finanziell auf sehr dünnem Eis und ist jetzt
       einfach wütend darüber, wie leichtfertig und dumm die eigene Jugend ihr
       eigenes Umfeld kaputthaut. Die vielen selbstorganisierten Protest- und
       Aufräumaktionen auf lokaler Ebene zeigen, dass die gesellschaftlichen
       Kräfte erfindungsreicher sind als der Staat – das heißt im Prinzip auch
       erfindungsreicher als die Politik der Cameron-Regierung –, wenn es um den
       Umgang mit sozialen Spannungen geht.
       
       9 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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