# taz.de -- Prozess gegen Julia Timoschenko: Rechtsbeugung nach ukrainischer Art
       
       > Der Prozess gegen die Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko zeigt die
       > Defizite des ukrainischen Rechtsstaates. Die Richter werden kontrolliert.
       
 (IMG) Bild: Julia Timoschenko nach ihrer Verhaftung.
       
       BERLIN taz | "Der Timoschenko-Prozess ist ein Zeichen für die Krankheit der
       Regierung und der Opposition", titelte die ukrainische Tageszeitung Den am
       Mittwoch. Ein Foto zeigt ein Verkehrsschild, das mit einem Aufkleber
       versehen ist, darauf steht: "Julia, wir sind mit dir!" Auch in der Nacht zu
       Mittwoch hatten wieder Hunderte Sympathisanten der ehemaligen
       Regierungschefin Julia Timoschenko, flankiert von Polizeikräften, in einem
       Zelt im Zentrum von Kiew sowie neben dem Petscherski-Gericht ausgeharrt, um
       Solidarität mit ihrem Idol zu bekunden.
       
       Seit dem 24. Juni wird Timoschenko, eine der Hauptfiguren der orangen
       Revolution von 2004, wegen Amtsmissbrauch der Prozess gemacht. So soll sie
       während ihrer zweiten Amtszeit im Jahre 2009 als Ministerpräsidentin bei
       der Unterzeichnung eines Vertrags mit Russland über Gaslieferungen ihre
       Befugnisse überschritten haben. Durch den Vertrag, so behauptet die
       Anklage, soll die Ukraine mehrere Millionen Euro verloren haben.
       
       Am vergangenen Freitag war die 50-Jährige in Untersuchungshaft genommen
       worden. Zur Begründung sagte der Richter, die Angeklagte habe wiederholt
       die Regeln des Gerichts verletzt. So habe sie es abgelehnt, sich zu
       erheben, als sie den Vorsitzenden ansprach. Zudem habe sie ihn beleidigt
       und seine Objektivität angezweifelt.
       
       Wiederholt hatte Timoschenko, die bei den Präsidentenwahlen 2010 Wiktor
       Janukowitsch unterlegen war, das Verfahren gegen sie und andere ehemalige
       Mitglieder ihrer Regierung als "politisch motiviert" bezeichnet. Die
       Opposition solle mundtot gemacht und sie selbst daran gehindert werden,
       erneut bei den Wahlen 2014 für das höchste Staatsamt zu kandidieren.
       
       ## Die orangene Revolution ist verpufft
       
       Diese Anwürfe sind begründet. Von den Errungenschaften der orangen
       Revolution, die mit Hoffnungen auf demokratische Reformen verbunden waren,
       ist sieben Jahre später so gut wie nichts mehr übrig geblieben. Die
       Kommunalwahlen im Oktober 2010 verfehlten laut Beobachtern demokratische
       Standards. Regierungskritische Journalisten werden wieder gegängelt und
       unter Druck gesetzt. Von unabhängigen Gerichten kann keine Rede sein. Diese
       werden nach politischen Erwägungen besetzt und von der Präsidialverwaltung
       kontrolliert.
       
       Auch im Timoschenko-Prozess sind wieder Absonderlichkeiten ukrainischer
       "Rechtsstaatlichkeit" zu beobachten. In den ersten zwei Wochen waren keine
       Fernsehkameras im Gerichtssaal zugelassen. Überdies verweigerte der Richter
       der Angeklagten, bestimmte Zeugen vorzuladen, und stellte der Verteidigung
       Unterlagen so spät zur Verfügung, dass keine umfassende Vorbereitung mehr
       möglich war. "Für die Ukraine steht viel auf dem Spiel", schreibt die Kyiv
       Post über den Prozess, "ihre Zukunft als Demokratie sowie die Zukunft
       fairer Prozesse und des Grundrechts, friedlich zu demonstrieren".
       
       Doch nicht nur um die innenpolitische Entwicklung machen sich kritische
       Beobachter Sorgen. "Sollte Timoschenko weiter in Untersuchungshaft bleiben
       und zu einer hohen Haftstrafe verurteilt werden, könnte das zu einer
       ernsten Krise in den Beziehungen zum Westen führen und die Unterzeichnung
       von Abkommen mit der EU erheblich erschweren", sagt der Kiewer Politologe
       Wolodymir Fessenko.
       
       Auch für die Beziehungen zu Russland ist der Fall Timoschenko nicht
       förderlich, wie die scharfen Reaktionen Moskaus auf die Inhaftierung
       deutlich machen. Der Nachbar hat kein Interesse daran, das die Gasverträge
       von 2009 vor Gericht für ungültig erklärt werden könnten. Am Donnerstag
       wird Präsident Wiktor Janukowitsch zu Gesprächen in Moskau erwartet.
       
       11 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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