# taz.de -- Sächsische Ermittlungen: "Das sind Alarmsignale"
       
       > Erst kam die Datenaffäre, dann eine forsche Hausdurchsuchung. Jetzt warnt
       > Thüringens SPD-Chef Christoph Matschie vor einer Kultur der Angst in
       > Ostdeutschland.
       
 (IMG) Bild: Mehr als irritiert: Christoph Matschie.
       
       taz: Herr Matschie, Sie kritisieren die sächsische Staatsanwaltschaft, weil
       diese in Thüringen das Haus eines Pfarrers durchsuchen ließ. Warum nehmen
       Sie Einfluss auf Ermittler, die Straftaten aufklären wollen? 
       
       Christoph Matschie: Ich will keinen Einfluss auf Ermittler nehmen. Ich
       nehme aber verwundert zur Kenntnis, dass Sachsens Behörden
       Hausdurchsuchungen in Thüringen vornehmen, ohne dass das mit irgendeiner
       Thüringer Behörde abgestimmt ist. Das ist ein sehr seltsames Vorgehen.
       
       Natürlich dürfen Staatsanwaltschaften zur Aufklärung von Straftaten auch
       bundesweit ermitteln. Die Staatsanwaltschaft versteht Ihre Empörung nicht. 
       
       Üblich ist, dass Behörden sich in solchen Fragen länderübergreifend
       abstimmen. Und was die Interpretationen der Dresdner Ermittlungsbehörden
       angeht, bin ich kritisch. Zuletzt haben wir erlebt, dass diese bei
       Großdemonstrationen massenhaft Handydaten erheben ließ. Ich erwarte, dass
       solche Methoden nicht einfach nach Thüringen exportiert werden, sondern
       sich die Behörden hierzu absprechen, wie es sich gehört. Deshalb muss die
       sächsische Landesregierung uns nun sagen, was hier gelaufen ist.
       
       Verstehen Sie, dass die sächsischen Ermittler gerne mal aufhören würden,
       jeden Ermittlungsschritt rechtfertigen zu müssen? 
       
       Gerade dann ist es doch wichtig, dass sie sensibel vorgehen. Wer gute
       Gründe für eine Hausdurchsuchung in einem anderen Bundesland hat, muss sie
       nicht in einer überfallartigen Nacht-und-Nebel-Aktion durchziehen, wie es
       jetzt in Jena geschehen ist. Dadurch entsteht doch erst Empörung.
       
       Würden Sie sich auch so aufregen, wenn Lothar König kein linker Pfarrer
       wäre, sondern ein arbeitsloser Jugendlicher mit Sympathien für Autonome? 
       
       Mir geht es darum, dass ein angemessenes Vorgehen gewährleistet ist,
       unabhängig vom Status des Beschuldigten. Mittel und Methoden müssen
       angemessen sein.
       
       Die Staatsanwaltschaft sagt, die Behördenkritik von Politikern wie Ihnen
       kenne sie bislang "nur aus der rechtsextremen Ecke oder von Querulanten". 
       
       Diese Äußerung ist gefährlich. Wenn man das Engagement von
       Zivilgesellschaft und Politik gegen Rechtsextremismus in die gleiche Ecke
       stellt wie den Rechtsextremismus selbst, dann ist das nicht mehr
       akzeptabel. Es muss doch möglich sein, dass wir in unserer
       Zivilgesellschaft eindeutig Position gegen Rechtsextremismus beziehen
       können, ohne dass Menschen das Gefühl haben, sie würden eingeschüchtert und
       kriminalisiert. Genau dies geschieht hier: Warum sonst protestieren in
       Thüringen die evangelische Kirche, der Oberbürgermeister von Jena? Warum
       demonstrieren in Jena hunderte von Menschen?
       
       Muss es auch möglich sein wegzuschauen, wenn Rechtsextremisten vermöbelt
       werden? 
       
       Nein, natürlich muss gegen Gewalt immmer vorgegangen werden. Die
       Bürgerbündnisse, die sich in Dresden und Jena gegen Rechtsextremismus
       engagieren, haben sich immer klar von Gewalt distanziert. Doch die
       Strafverfolgung, wie wir sie hier beobachten, erweckt den Eindruck, dass es
       auch um Einschüchterung geht.
       
       Beobachte ich das richtig: Weil die sächsische SPD so schwach ist, spielen
       jetzt renommierte SPD-Politiker aus ganz Deutschland Opposition gegen
       Sachsens konservative Regierung? 
       
       Das ist doch Quatsch. Es geht mir nicht um Opposition, sondern um einen
       konkreten Vorfall. Problematisch daran ist nur, dass er kein Einzelfall zu
       sein scheint, wie es die massenhafte Handydatenerfassung gezeigt hat. Wenn
       sich Menschen in Ostdeutschland heute wieder ängstlich fragen, was sie am
       Telefon bereden dürfen und ob sie überwacht werden, dann ist das doch ein
       Alarmsignal, das wir nicht ignorieren können.
       
       12 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
       
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