# taz.de -- Kommentar Protest in Israel: Chance auf Frieden von unten
       
       > "Zuerst die Wirtschaft, dann der Frieden" ist ein Slogan bei den
       > Protesten in Israel. Die Bewegung hat die Chance, brisante Themen auf die
       > Agenda zu bringen.
       
 (IMG) Bild: Kleine Steuererleichterungen haben die Protestierer vom Sommer erreicht.
       
       Seit vor einem Monat auf dem Rothschild-Boulevard in Tel Aviv die ersten
       Zelte aufgestellt wurden, ist Israels neue Protestbewegung stark
       angewachsen. Sie wurde so stark, weil sie sich auf den Ruf nach mehr
       "sozialer Gerechtigkeit" konzentrierte. Doch langsam werden die Forderungen
       politischer. So gingen etwa am Samstag Zehntausende im ganzen Land für die
       Gleichberechtigung von arabischen und jüdischen Israelis auf die Straße.
       Dieser Trend birgt Gefahren, aber auch Chancen.
       
       Zu den Gefahren gehört, dass die Bewegung auseinanderfällt. Schon jetzt
       fordern viele, die Protestbewegung müsse sich auf einzelne Ziele
       fokussieren und zeigen, dass sie diese auch erreichen kann. Vorschläge wie
       die einer Kürzung des Verteidigungsbudgets zugunsten sozialer Wohlfahrt
       dagegen sind geeignet, einen Keil zwischen die bisher geeinten Lager zu
       treiben. Die Bewegung braucht aber das Wohlwollen der Bevölkerungsmehrheit.
       Fällt dieses weg, werden bald auch die Zeltstädte geräumt.
       
       Andererseits fragen sich viele: Wann, wenn nicht jetzt, besteht sonst die
       Chance auf politischen Wandel? "Zuerst die Wirtschaft, dann der Frieden",
       diese Losung haben sich deshalb große Teile der Protestbewegung auf die
       Fahne geschrieben.
       
       Auch wenn Israel nicht Ägypten ist: Der Aufstand der Mittelschicht hat eine
       völlig neue nationale Einheit geschaffen. Endlich könne man wieder träumen,
       heißt es. Wenn die Bewegung jetzt vorsichtig damit beginnt, auch brisante
       Themen wie die jüdischen Siedlungen und die Gründung eines
       Palästinenserstaats anzusprechen, könnte das jene bisher schweigende
       Mehrheit aller Israelis mobilisieren, die bereit sind, für die überfällige
       Zweistaatenlösung auch ein Opfer zu bringen.
       
       14 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hackl
       
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