# taz.de -- Sozialstaat in Israel: Steuerreform nach Protest
       
       > Nach der Massenbewegung vom Sommer verabschiedet das Parlament neue
       > Gesetze. Die Reichen müssen künftig mehr zahlen, die Mittelschicht
       > weniger.
       
 (IMG) Bild: Kleine Steuererleichterungen haben die Protestierer vom Sommer erreicht.
       
       JERAUSALEM taz | In kleinen Schritten bewegt sich Israel in Richtung eines
       sozialeren Staates. Die Abgeordneten der Knesset segneten eine
       überarbeitete Fassung der Vorschläge ab, die eine Kommission unter der
       Leitung des Ökonomen Manuel Trajtenberg vorgestellt hatte. Regierungschef
       Benjamin Netanjahu hatte die Kommission infolge der sozialen Proteste im
       vergangenen Sommer mit "raschen Lösungen" beauftragt.
       
       Ab 1. Januar sollen Gutverdienende bis zu vier Prozent mehr Einkommensteuer
       an den Staat zahlen, während die Unter- und Mittelschichten mit einem
       Zweiprozentnachlass nicht mehr ganz so stark wie bisher zur Kasse gebeten
       werden. Väter von Kleinkindern werden künftig ähnliche
       Steuererleichterungen genießen, wie sie für Mütter bereits gelten, außerdem
       will die Regierung von einer geplanten Erhöhung der Verbrauchersteuer für
       Benzin absehen.
       
       Hunderttausende waren im Sommer auf die Straße gegangen und hatten
       Protestzelte errichtet, um ihrem Unmut über die steigenden
       Lebenshaltenskosten Luft zu machen. Auslöser für die Bewegung war die
       Kampagne von Dafni Lief, die erbost über eine drastische Mieterhöhung mit
       Hilfe von Facebook die Protestcamper mobilisierte.
       
       "Die Steuerreformen sind nicht die Lösung", kommentierte Roi Neumann, einer
       von Liefs Mitstreitern. Er gibt zu, dass "die Bewegung nicht viel erreicht
       hat". Immerhin habe man den Rücktritt der Generaldirektorin von "Tnuva"
       bewirkt, einer der drei großen Milchproduktkonzerne. Die jungen
       Revolutionäre hatten sich hohe Ziele gesteckt, sie wollten Kartelle
       aufbrechen und die Privatisierung zurückschrauben.
       
       ## 200.000 neue Wohnungen
       
       Lief forderte gar eine Wiederaufnahme der Haushaltsdebatte für das kommende
       Jahr. Die Lösung, sagt sie, sei nicht die Umschichtung der staatlichen
       Gelder, sondern die Steigerung der Ausgaben. Investiert werden solle in das
       Gesundheits- und Erziehungssystem, den öffentlichen Wohnungsbau und ins
       öffentliche Verkehrssystem.
       
       Eine von Netanjahus Sofortmaßnahmen war die Ankündigung, den sozialen
       Wohnungsbau zu fördern, vor allem durch die Freigabe von staatlichem
       Bauland. Knapp 200.000 Wohnungen sollen in der ersten Phase gebaut werden.
       
       "Es bleibt ein Meer von Problemen", sagt Roi Neumann. Die Gruppe um Dafni
       Lief lehnte es ab, mit der staatlichen Kommission zu kooperieren.
       Pragmatischer war von Beginn an die Studentenvertretung. Studentenführer
       Itzik Schmulik empfindet die Vorschläge der Trajtenberg-Kommission zwar zu
       beschränkt, räumt aber "richtige Ansätze" ein.
       
       Parallel zur Trajtenberg-Kommission setzen die Studenten die Verhandlungen
       überall da fort, wo sie Veränderungen erwirken wollen. Gegenüber dem
       Verkehrsministerium setzten sie Preisminderungen bei der Bahn für Studenten
       durch. Eine Boykottkampagne führte letzthin zu Preisreduzierungen in einer
       Supermarktkette und zu verbesserten Arbeitsbedingungen der bislang über
       Vermittler beschäftigten Mitarbeiter.
       
       7 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
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