# taz.de -- 23. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Die entführte Ehefrau
       
       > Räuberpistolen aus Kongo-Brazzaville am letzten Prozesstag vor der
       > Sommerpause: Ein FDLR-Kontaktmann will die Frau eines FDLR-Obersts
       > entführt haben.
       
 (IMG) Bild: Oberst Idelphonse Nizeyimana vor dem UN-Ruanda-Tribunal 2009.
       
       STUTTGART taz | Cyprien Habyarimana ist ein vielbeschäftigter Mann. Der
       ruandische Hutu-Flüchtling in Kongo-Brazzaville war, wie die Verteidiger
       der beiden wegen Kriegsverbrechen angeklagten FDLR-Führer Ignace
       Murwanashyaka und Straton Musoni vor dem OLG Stuttgart ausführen, Chauffeur
       von "Bischöfen und Ministern".
       
       FDLR-Vizepräsident Musoni wollte ihn nutzen, um Geld an seine in
       Brazzaville lebende Schwester zu schicken, deren Mann im lokalen Militär
       dient. Zugleich aber sei Habyarimana ein "harmloser Schwätzer",
       möglicherweise sogar ein "Spion", dem die FDLR-Führung nicht unbedingt
       traue.
       
       Am 13. Juli 2009 jedenfalls rief Habyarimana spätabends aus
       Kongo-Brazzaville bei Musoni in Deutschland an. Der 1. FDLR-Vizepräsident
       hatte zu dem Zeitpunkt offenbar tatsächlich Funktionen des FDLR-Präsidenten
       Ignace Murwanashyaka übernommen; dessen Drängen darauf war Thema früherer
       in Stuttgart abgespielter Telefongespräche zwischen den beiden gewesen.
       
       Jetzt, im Juli 2009, ist Murwanashyaka abgetaucht und sogar für die BBC
       nicht mehr zu erreichen. "Ich habe gehört, dass BBC berichtet hat, dass sie
       euch sucht, aber sie kann euch nicht finden", berichtet der Kontaktmann aus
       Brazzaville dem FDLR-Führer. "Sie haben bestimmt Ignace gesucht", sagt
       Musoni. "Normalerweise suchen sie den Präsidenten."
       
       Das Telefongespräch hat eine Dauer von zehn Minuten. Die Abspielung und
       Übersetzung samt Anfechtung einzelner Passagen durch die Verteidigung
       dauert zweieinhalb Stunden. Und der weitere Verlauf des Gesprächs lässt
       erkennen, warum die Verteidigung den Anrufer als unglaubwürdig darstellen
       will.
       
       ## Reisegeld für Journalisten
       
       So fragt Cyprien Habyarimana, ob er einen BBC-Journalisten im
       ostkongolesischen Bukavu bestechen soll, damit dieser FDLR-Erklärungen
       veröffentlicht. "Ich würde sagen, dass es sich um Reisegeld handelt; wenn
       man ihm 1.000 Dollar schickt, würde er motiviert sein", schlägt er vor.
       
       Pikantes Detail: Habyarimana sagt, er habe darüber bereits mit dem
       Armeesprecher in Bukavu gesprochen – zu dem Zeitpunkt hatte die Armee der
       Demokratischen Republik Kongo gerade eine Großoffensive gegen die FDLR in
       Süd-Kivu begonnen, die sogenannte Operation "Kimia II". Später, im November
       2009, enthüllt ein UN-Bericht, hochrangige Armeeangehörige in Süd-Kivu
       würden insgeheim mit der FDLR zusammenarbeiten.
       
       Musoni lehnt die Bestechung zögernd ab. "Wenn du die Möglichkeit hast, es
       zu machen, kannst du es machen, aber du solltest vorsichtig sein", sagt der
       FDLR-Vizepräsident seinem Kontaktmann in Kongo-Brazzaville. "Wir sprechen
       mit solchen Leuten auf andere Weise. Es eilt nicht. Lass es."
       
       ## Eine Entführung
       
       Dann erzählt Habyarimana eine regelrechte Räuberpistole. Die Frau des
       FDLR-Obersts Idelphonse Nizeyimana, Deckname "Sebisogo" – der im Büro des
       2. FDLR-Vizepräsidenten Gaston Iyamuremye in Masisi (Nord-Kivu) arbeitete –
       sei in Masisi "festgehalten" und schließlich nach Kinshasa gebracht und mit
       ihren fünf Kindern inhaftiert worde. Möglicherweise unter Mitwirkung des in
       Kinshasa lebenden FDLR-Kaders Rafiki (alias John Muhindo), der mehrfach
       erwähnt wird, dessen Rolle allerdings uinklar bleibt.
       
       Aus Angst, sie würde "unsere Leute verkaufen", berichtet Habyarimana,
       "musste ich diese Frau und fünf Kinder in Kinshasa entführen. Ich habe
       Leute geschickt, die haben sie entführt. Sie haben sie in der Nacht über
       die Grenze gebracht, Sie sind jetzt hier."
       
       "Sind sie dort bei dir?" fragt Musoni verblüfft.
       
       "Ja, ich habe sie in Kinshasa entführt", wiederholt Habyarimana. Die Sache
       habe ihn viel Geld gekostet, "1.500 Dollar". Brazzaville und Kinshasa, die
       Hauptstädte der beiden Kongos, liegen gegenüber an den beiden Ufern des
       Kongo-Flusses. Es gibt einen regen kleinen Grenzverkerhr zwischen beiden
       Ländern.
       
       ## Cousine des Präsidenten
       
       Habyarimana führt aus, die Frau heiße Nadine und sei die Cousine des
       verstorbenen ehemaligen ruandischen Übergangspräsidenten während des
       Völkermords, Thédore Sindikubwabo. Der war damals vom Militär als
       Nachfolger des am 6. April 1994 mit seinem Flugzeug abgeschossenen
       Staatschefs Juvénal Habyarimana bestellt worden. Er führte Ruandas Staat
       während des Genozids.
       
       Den Namen des FDLR-Obersts, dessen Ehefrau Nadine sein soll, hat
       Habyarimana nicht parat. Er ruft zwei Minuten später wieder an, um ihn zu
       nennen: Sebisogo.
       
       Die Verteidigung gibt dazu eine Erklärung ab. Die Erzählung Habyarimanas
       sei "wirr", der Anrufer nicht glaubwürdig, und Sebisogo sei zu diesem
       Zeitpunkt bereits seit Jahren aus der FDLR desertiert.
       
       ## Widersprüche
       
       Dies widerspricht allerdings bisherigen Erkenntnissen: Sebisogo reiste im
       Oktober 2009 aus dem Kongo nach Uganda und wurde dort fesgenommen und an
       das UN-Ruanda-Völkermordtribunal im tansanischen Arusha überstellt, das ihn
       mit internationalem Haftbefehl als führender Genozidtäter suchte.
       
       Auch FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka ergreift das Wort. Die
       Übersetzung, wonach die Frau "entführt" wurde, sei inkorrekt. "Gestohlen"
       müsse es heißen. Vermutlich hält der Angeklagte das für eine Entlastung.
       
       Es war der letzte Prozesstag vor der Sommerpause. Die Hauptverhandlung wird
       am Montag,den 12. September fortgesetzt.
       
       16 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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