# taz.de -- Kommentar Sturz Gaddafis: Die Revolution geht weiter
       
       > Nordafrika befindet sich im Wandel, aus eigener Kraft. Die junge
       > Generation verändert die Welt. Jetzt ist die Zeit für eine soziale
       > Neuordnung des zerrissenen arabischen Raums.
       
       Mit dem spektakulären Untergang Gaddafis in Libyen schließt sich der Kreis
       der nordafrikanischen Revolutionen, der im Januar in Tunesien begann und im
       Februar in Ägypten seine Fortsetzung fand. Direkt nach Ben Alis Sturz in
       Tunesien waren die Ägypter auf die Straße gegangen; direkt nach Mubaraks
       Sturz traten die Libyer mit Massenprotesten für die Freiheit ein - aber
       Gaddafi, anders als seine schließlich gestürzten Nachbardiktatoren, griff
       gegen sie bedenkenlos zu den Waffen.
       
       Nun, sechs Monate später, wird der dienstälteste Diktator der Welt nach
       fast 42 Jahren an der Macht vom eigenen Volk gestürzt, trotz seines
       einzigartig repressiven und brutalen Herrschaftssystems. Die
       internationalen Mächte, welche im März die Bevölkerung von Bengasi vor
       Massakern schützten und danach den libyschen Aufständischen bei ihrem Kampf
       geholfen haben, dürfen sich geehrt fühlen, einmal auf der richtigen Seite
       der Geschichte zu stehen.
       
       Jahrzehntelang hatten sich Fortschrittsgläubige in aller Welt von Gaddafi
       blenden lassen, von seinem antiimperialistischen Gehabe, von seiner
       Feindschaft gegen den Westen, von seinem angeblichen "dritten Weg", von
       seinem Eintreten für Panarabismus und Panafrikanismus. Es war, wie Libyer
       insgeheim wussten, alles Show, Inszenierung eines grotesken Personenkults
       und Deckmantel für die eigene grenzenlose Machtgier.
       
       Erst jetzt, ohne Gaddafi, kann endlich der schwierige Aufbau einer
       gerechteren politischen und ökonomischen Ordnung auf der Südseite des
       Mittelmeers beginnen. In Zusammenarbeit zwischen den zukünftigen
       Revolutionsregierungen von Tunesien, Libyen und Ägypten kann ein möglicher
       Ausgangspunkt entstehen für eine soziale Neuordnung des zerrissenen
       arabischen Raums - und auch für einen Neuanfang in den Beziehungen zwischen
       Europa und Afrika.
       
       ## Es warten noch ganz andere Herausforderungen
       
       Die junge Generation der arabischen und afrikanischen Länder will die Welt
       verändern, und sie tut es. Ihr Werk ist in Libyen noch lange nicht
       vollendet, und es warten noch ganz andere Herausforderungen - an erster
       Stelle Syrien, aber auch viele andere unreformierte Staaten.
       
       Nordafrika befindet sich im Wandel, aus eigener Kraft. In Tunesien und
       Ägypten stehen in den nächsten Monaten schwierige Wahlen an. In Libyen
       beginnt jetzt der Aufbau einer Nachkriegsordnung. Das Ende des libyschen
       Bürgerkrieges dürfte die friedliche Demokratisierung der beiden
       Nachbarländer erleichtern, und diese wiederum dürfte den Kräften des
       demokratischen Wandels auch in Libyen Auftrieb geben. Auch Algerien und
       Marokko werden sich dem nicht dauerhaft verschließen können, die Länder
       südlich der Sahara tun das ohnehin längst nicht mehr.
       
       Es geht darum, die politischen Strukturen so zu verändern, dass die Eliten
       ihre Privilegien nicht mehr mit den Mitteln der Staatsmacht gegen die
       Mehrheit verteidigen können. Das verdient internationale Unterstützung, die
       über Nato-Kampfflugzeuge und Ölgeschäfte hinausgeht - angefangen mit
       Reisefreiheit. Und dem kriselnden Europa täte es gut, in diesen Zeiten auch
       selbst Impulse zur Veränderung zu entdecken.
       
       22 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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