# taz.de -- Libyen nach Gaddafi: Wahlen in acht Monaten
       
       > Die Aufständischen kündigen Wahlen an. Prinz Mohammed al-Senussi will
       > nach 20 Jahren Exil zurück nach Libyen. In Tripolis werden ausländische
       > Journalisten in einem Hotel festgehalten.
       
 (IMG) Bild: Sieg für Libyen, sogar auf Fingernägeln.
       
       TRIPOLIS/ROM/BRÜSSEL dapd/dpa | Die libyschen Rebellen wollen im kommenden
       Frühjahr Parlaments- und Präsidentenwahlen ausrichten, kündigte der
       Nationale Übergangsrat an. Die strategisch wichtige Küstenstraße von
       Al-Sawija in die Hauptstadt Tripolis ist unterdessen unter der Kontrolle
       der Rebellen. Die Europäische Union bereitet angesichts überbelegter
       Krankenhäuser und zahlloser Verletzter in Libyen Hilfen für die Bevölkerung
       vor.
       
       "Wir wollen eine demokratische Regierung und eine gerechte Verfassung",
       sagte der Vorsitzende des Nationalen Übergangsrates, Mustafa Abdul
       Dschalil, der römischen Tageszeitung La Repubblica in Bengasi. "Vor allem
       wollen wir nicht mehr isoliert sein von der Welt, wie wir es bisher noch
       sind."
       
       Dschalil sicherte zu, dass in dem befreiten Libyen die Menschenrechte und
       der Rechtsstaat respektiert werden sollen. "Und das Land trägt dazu bei,
       den Frieden und die internationale Sicherheit zu stabilisieren", erklärte
       er. Das neue Libyen werde besondere Beziehungen zu den Ländern unterhalten,
       "die unseren Befreiungskampf von Anfang an unterstützt haben." Libyen werde
       ein volles Mitglied der internationalen Gemeinschaft sein und alle zuvor
       eingegangenen Verträge achten.
       
       Er wolle keine Racheakte und Exekutionen, sondern dass Gaddafi und seine
       Familie gefangen und vor Gericht gestellt würden, sagte er. "Das "neue
       Libyen" wird ein anderes Land sein müssen als in der Vergangenheit,
       begründet auf den Grundsätzen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit."
       
       ## Journalisten in Hotel festgehalten
       
       Anhänger Gaddafis halten in einem Hotel in Tripolis mindestens 35
       ausländische Journalisten sowie Diplomaten fest. Die Mitarbeiter von Medien
       wie BBC oder CNN würden seit Sonntagabend daran gehindert, das Nobelhotel
       Rixos zu verlassen, teilte die Journalistenorganisation Reporter ohne
       Grenzen (ROG) am Mittwoch in Paris mit.
       
       Die genaue Zahl sei unklar, es könnten bis zu 40 sein, sagte eine
       Sprecherin. Das Gebäude sei von Regimeanhängern umzingelt.
       
       Einen Kameramann des britischen Fernsehsenders ITN hätten die Bewaffneten
       mit einem Schnellfeuergewehr des Typs AK 47 bedroht, berichtete
       BBC-Reporter Matthew Price. Es herrsche große Nervosität unter den
       Journalisten. Sie gingen davon aus, dass weiter Gaddafi-treue
       Scharfschützen auf dem Dach postiert seien.
       
       Die Situation habe sich in der Nacht zum Mittwoch "massiv verschärft",
       berichtete Price. Wächter würden durch die Flure patrouillieren. Es sei
       klar geworden, dass man das Hotel nicht verlassen dürfe, wie man wolle.
       Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen gibt es häufig kein Wasser und
       Stromausfälle.
       
       CNN-Reporter Matthew Chance berichtete, bei Nacht liefen die "Gäste" mit
       Kerzen umher. Sie würden die Räume des Luxushotels nach Essbarem
       durchsuchen. Versuche, die Bewaffneten davon zu überzeugen, die Ausländer
       gehen zu lassen, seien gescheitert. Laut ROG haben Journalisten in die
       Fenster Schilder gehängt. Auf ihnen steht: "Fernsehen, Presse - nicht
       schießen". Die Journalisten im Hotel schützen sich zudem mit Helmen und
       kugelsicheren Westen.
       
       Reporter ohne Grenzen forderte die Konfliktparteien am Mittwoch auf, die
       Sicherheit aller Journalisten im Land sicherzustellen. Der Übergangsrat
       müsse zudem alles dafür tun, um eine sichere und ungehinderte
       Berichterstattung über die Kämpfe zu gewährleisten. Das Hotel Rixos war
       telefonisch am Mittwochvormittag nicht erreichbar.
       
       ## EU will Krankenhäuser unterstützen
       
       Die Aufständischen in Libyen kontrollieren die strategisch wichtige
       Küstenstraße von Al-Sawija in die Hauptstadt Tripolis. Auf der Strecke,
       entlang der vor kurzem noch gekämpft wurde, hätten Rebellen zahlreiche
       Straßensperren errichtet, berichtete eine Korrespondentin der
       Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch aus dem Gebiet.
       
       Einige geflüchtete Zivilisten seien bereits zurückgekehrt. Auf den Straßen
       seien aber nur Männer zu sehen, keine Frauen und Kinder. Auch die Rebellen
       und ihre Unterstützer bewegten sich noch vorsichtig, nachdem es dort in den
       vergangenen Tagen an mehreren Orten zu Gefechten gekommen war.
       
       Beim Kampf um Tripolis sind bisher nach offiziellen Angaben 435 Menschen
       getötet worden. Mehr als 2000 Menschen seien zudem verletzt, sagte ein
       Mitarbeiter des Zentralkrankenhauses in der libyschen Hauptstadt am
       Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa.
       
       Nach seinen Informationen sind in den Krankenhäusern der Stadt alle Ärzte
       und Pfleger im Einsatz, nachdem die Rebellen die Menschen aufgerufen
       hätten, an ihre Arbeitsplätze zu gehen. Wichtige Einrichtung in der Stadt
       würden von Bewaffneten geschützt.
       
       Die Europäische Union bereitet angesichts überbelegter Krankenhäuser und
       zahlloser Verletzter in Libyen Hilfen für die Bevölkerung vor. "Wir haben
       keine Zeit zu verlieren", betonte ein Kommissionssprecher am Mittwoch in
       Brüssel. Hilfsgüter seien bereits zur Weiterverteilung in zugängliche Zonen
       des Landes gebracht worden.
       
       Wie die Kommission weiter mitteilte, will sich die EU vor allem auf den
       Gesundheitsbereich konzentrieren und Ärzte und Krankenhäuser mit Ausrüstung
       versorgen, um die zahlreichen Verletzten zu behandeln. Auch Flüchtlinge
       sollen unterstützt werden. Für die Hilfen stehen der EU den Angaben zufolge
       10 Millionen Euro zur Verfügung. Diese waren laut Kommission vom
       80-Millionen-Hilfspaket für Libyen für Hilfsmaßnahmen für Tripolis und
       weitere Küstenstädte zurückgehalten worden.
       
       ## Nach 20 Jahren Exil zurück nach Libyen
       
       Der libysche Thronfolger Mohammed al-Senussi kann sich nach über zwei
       Jahrzehnten im Exil eine Rückkehr in sein Heimatland vorstellen. "Zu sehen,
       wie die Freiheitsflagge über Tripolis weht, macht mich unglaublich
       glücklich und stolz auf mein Volk", sagte der 48-Jährige dem Wochenmagazin
       Die Zeit am Mittwoch in London. Wenn die Menschen es wollten, sei er
       "bereit zu dienen". Darüber müsse aber das Volk entscheiden.
       
       Der Prinz forderte den Aufbau eines demokratischen Staatswesens. Nach
       seiner Einschätzung ist Libyen nicht auf dem Weg, ein unregierbares Land zu
       werden: "Nein! Libyen ist nicht Afghanistan oder der Irak oder der Jemen.
       Das Stammessystem ist ein völlig anderes. Die Clans wollen keine Macht, sie
       wollen nur ein vernünftiges Leben. Die Libyer sind keine muslimischen
       Fanatiker."
       
       Libyens langjähriger Machthaber Muammar al-Gaddafi hatte sich 1969 mit
       einer Gruppe von Offizieren an die Macht geputscht und das Königshaus
       abgeschafft. Mohammed al-Senussi verließ 1988 mit seinem kranken Vater, dem
       damaligen Kronprinz Hassan, Libyen in Richtung Großbritannien. Zuvor hatte
       Gaddafi das Haus der Königsfamilie niederbrennen lassen.
       
       1992 starb Kronprinz Hassan. Seither organisierte Prinz Mohammed, wie er
       genannt wird, Treffen und Demonstrationen von Oppositionellen in den
       Vereinigten Staaten, in Frankreich und in England. Er lebt von den
       Zuwendungen von Exillibyern und königstreuen Familien in der Heimat.
       
       24 Aug 2011
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
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       den neuen Generationenkonflikt.
       
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       Weltweit sind 30 Milliarden US-Dollar eingefroren. Wer kriegt sie und wann?
       
 (DIR) Kampf um Tripolis: Journalisten wieder frei
       
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       ausländischen Journalisten sind aber wieder frei. WikiLeaks stellt derweil
       US-Dokumente über Libyen online.
       
 (DIR) Kommentar Der Westen und Libyen: Besser machen als in Bagdad
       
       In Libyen muss der Westen die Fehler aus den Kriegen im Irak und in
       Afghanistan vermeiden. Es gilt, Gaddafis Anhänger ins Machtgefüge zu
       integrieren.
       
 (DIR) Libyen nach Gaddafi: Westerwelle will wieder mitspielen
       
       Außenminister Guido Westerwelle sieht Deutschland in einer Schlüsselrolle
       bei der wirtschaftlichen Entwicklung Libyens. Muammar al-Gaddafi will
       unerkannt durch Tripolis gelaufen sein.
       
 (DIR) Aufstand in Libyen: "Nur ein taktischer Rückzug"
       
       Noch immer ist der libysche Machthaber Muammar el Gaddafi in Tripolis nicht
       aufzufinden. Die Preisgabe seines Hauptquartiers habe nichts zu bedeuten,
       sagt er. Die Rebellen rücken auf Sirte vor.
       
 (DIR) Französische Blogger über Libyen: Frankreichs Sieg über „Kadhafi“
       
       Freude bei den Befürwortern des Einsatzes in Libyen, Erleichterung bei
       allen. Französische Journalisten und Blogger diskutieren über EU, Öl und
       Intellektuelle.
       
 (DIR) Kampf um Gaddafis Residenz: Tausende Tote in Tripolis
       
       Es herrscht Krieg in der Hauptstadt. Der Ex-Machthaber Gaddafi bleibt
       bislang verschwunden. Rebellen stürmen seine Residenz. Dort gibt es jedoch
       ein ausgedehntes Tunnelsystem.
       
 (DIR) Sechs Monate Krieg in Libyen: Von allen Seiten auf die Hauptstadt
       
       Die Spaltung der Aufständischen aus Ost, West und Süd ist eher politisch
       denn regional, die Koordination funktioniert. Wie die Aufständischen
       Tripolis umzingelten.
       
 (DIR) Kommentar Sturz Gaddafis: Die Revolution geht weiter
       
       Nordafrika befindet sich im Wandel, aus eigener Kraft. Die junge Generation
       verändert die Welt. Jetzt ist die Zeit für eine soziale Neuordnung des
       zerrissenen arabischen Raums.