# taz.de -- Gefechte im Zentrum von Tripolis: Gaddafi-Regime am Ende
       
       > Libyens Ministerpräsident soll sich auf die tunesische Insel Djerba
       > abgesetzt haben. In Tripolis dauern die Gefechte um die Residenz Gaddafis
       > an. Wo sich Gaddafi aufhält, ist weiter nicht bekannt.
       
 (IMG) Bild: In Tripolis haben die Rebellen eine Militärbasis eingenommen.
       
       DOHA/TRIPOLIS dpa/dapd/afp/rtr | Die libyschen Rebellen haben nach
       Einschätzung Italiens fast ganz Tripolis unter ihre Kontrolle gebracht. Die
       Regierungstruppen hätten nicht mehr als zehn bis 15 Prozent der Hauptstadt
       noch unter ihrer Kontrolle, sagte der italienische Außenminister Franco
       Frattini.
       
       "Die Lage ist nicht stabil", sagt ein Vertreter der Rebellen der
       Nachrichtenagentur Reuters in einem Telefonat. "Überall wird geschossen."
       Gaddafi-Einheiten hätten Panzer im Bereich des Hafens von Tripolis und des
       Militärkomplexes des Machthabers in Stellung gebracht. Das Hauptproblem
       seien Scharfschützen.
       
       Die Rebellen wissen nach eigenen Angaben nach wie vor nicht, wo sich
       Gaddafi aufhält. Niemand wisse, wo sich Gaddafi befinde, sagt der Chef des
       Übergangsrats der Aufständischen, Mustafa Abdul-Dschalil, dem Fernsehsender
       Al-Arabija. Libyens Ministerpräsident Al Baghdadi Ali al-Mahmudi befindet
       sich nach einem Bericht des Fernsehsenders Al-Dschasira auf der tunesischen
       Insel Djerba.
       
       Die Rebellen haben am Montag das Gebäude des Staatsfernsehens in Tripolis
       eingenommen. Der ganze Gebäudekomplex sei in den Händen der Aufständischen,
       berichteten Mitarbeiter des Senders der Nachrichtenagentur dpa. Zuvor war
       die Satellitenübertragung des Programms, das zu den Propaganda-
       Instrumenten des Regimes von Muammar al-Gaddafi gehört, unterbrochen
       worden. Nach Angaben aus Tripolis wurde die Sendung dann aus einem Studio
       in Gaddafis Heimatstadt Sirte zunächst wieder aufgenommen.
       
       Aus der östlich gelegenen Rebellenhochburg Misrata seien mehr als 1000
       Bewaffnete nach Tripolis vorgestoßen, meldeten die Aufständischen am Montag
       vormittag. Die Kämpfe konzentrierten sich demnach auf das Gebiet um die
       Residenz von Muammar al-Gaddafi. Dort haben sich nach diesen Angaben
       mehrere hundert afrikanische Söldner verschanzt.
       
       Der arabische TV-Sender Al Arabija berichtete unterdessen, Chamis
       al-Gaddafi, ein Sohn des Machthabers, sei mit Eliteeinheiten des Regimes
       unterwegs in das Zentrum von Tripolis. Eine starke Präsenz von
       Gaddafi-Truppen gebe es auch um das Hotel Rixos, wo sich die aus Tripolis
       berichtenden internationalen Journalisten befinden.
       
       Die Nato setzt ihre Patrouillenflüge über Libyen fort, bis sich alle
       Truppen von Muammar al Gaddafi ergeben oder in ihre Kasernen zurückgezogen
       haben. Das verlautete am Montag aus Bündniskreisen in Brüssel. Ob die Nato
       angesichts der Kämpfe im Stadtzentrum von Tripolis auch weiter militärische
       Ziele bombardiere, ließ der Gewährsmann zunächst offen.
       
       ## Gaddafi-Söhne festgenommen
       
       In der Rebellenhochburg Bengasi und anderen Städten wurden in der Nacht
       Feuerwerkskörper gezündet und Freudenschüssen abgefeuert. "Wir gratulieren
       dem libyschen Volk zum Sturz von Muammar al-Gaddafi und rufen das libysche
       Volk auf, auf die Straßen zu gehen und das öffentliche Eigentum zu
       beschützen. Lang lebe das freie Libyen", heißt es in einer am Morgen
       verbreiteten Erklärung des Übergangsrates, berichtete die New York Times
       auf ihrer Website.
       
       Die Leibgarde von Gaddafi habe die Waffen niedergelegt, berichteten
       Sprecher der Aufständischen im Sender Al-Dschasira. Im Westen von Tripolis
       nahmen die Rebellen laut Al-Dschasira drei Söhne von Gaddafi gefangen,
       darunter den mit internationalem Haftbefehl gesuchten Saif al-Islam. Er sei
       gemeinsam mit seinem Bruder Al-Saadi in einem Touristendorf festgesetzt
       worden, berichtete ein Sprecher der Aufständischen, Abu Bakr al-Tarbulsi.
       
       Der älteste Sohn, Mohammed al-Gaddafi, wurde in seinem Anwesen unter
       Hausarrest gestellt. Die Aufständischen würden für seine Sicherheit
       garantieren, sagte Mohammed al-Gaddafi in der Nacht zum Montag in einem
       Telefoninterview des Fernsehsenders Al-Dschasira. Über den Aufenthaltsort
       von Gaddafi selbst lagen zunächst keine Informationen vor.
       
       Am frühen Montagmorgen brachten die Rebellen auch den Grünen Platz im
       Herzen von Tripolis unter ihre Kontrolle. Auf dem Platz hatten seit Beginn
       des Aufstandes im Februar regelmäßig Kundgebungen von Anhängern des
       Machthabers stattgefunden. Fernsehsender zeigten Hunderte von Menschen, die
       auf dem Platz in der Nähe des Anwesens von Gaddafi feierten und
       Freudenschüsse abgaben. Andere schossen auf Riesenposter mit dem Konterfei
       von Gaddafi. Laut Al-Dschasira kündigte die Rebellen an, den Platz wieder
       in "Platz der Märtyrer" umzubenennen.
       
       ## "Es ist passiert"
       
       "Wir haben auf das Signal gewartet und es ist passiert", sagte der
       50-jährige Nur Eddin Schatuni, der sich wie viele andere an den Feiern
       beteiligte. Reporter, die sie begleiteten, berichteten, die Rebellen seien
       auf ihrem Vormarsch von den westlichen Randbezirken der Hauptstadt auf
       keinen nennenswerten Widerstand gestoßen. Viele Soldaten Gaddafis seien
       gefangen genommen worden, hieß es. Gaddafis Regierungssprecher Mussa
       Ibrahim sagte am Sonntagabend, in Tripolis habe es seit dem Mittag
       mindestens 1.300 Tote gegeben.
       
       Ein führender Vertreter des Nationalen Übergangsrats hat zur Zurückhaltung
       aufgerufen. Er appelliere an das "Gewissen und Verantwortungsbewusstsein"
       aller Kämpfer gegen Machthaber Gaddafi, sagte Mahmud Dschibril in einer in
       der Nacht zum Montag vom Fernsehsender der Rebellen, Libya el Ahrar,
       übertragenen Ansprache: "Rächt Euch nicht, plündert nicht, greift keine
       Ausländer an und achtet die Gefangenen". Niemand dürfte Gefangene töten,
       auch dann nicht, wenn es sich um Vertraute Gaddafis, seine Kinder oder
       seine Familie handelt.
       
       Die Übergangszeit biete eine gute Möglichkeit, "alle die Rechte vorzuleben,
       für die wir gekämpft haben", sagte Dschibril weiter, der als Regierungschef
       der Rebellen fungiert. "Ich bitte alle meine libyschen Brüder zu beweisen,
       dass wir in diesem kritischen Moment verantwortungsvoll handeln. Alle Welt
       beobachtet uns: Entweder wir schaffen die Demokratie oder wir entscheiden
       uns für die Rache". Dschibril versprach, dass alle Bürger am [1][Aufbau des
       neuen Libyen] beteiligt würden. Libyen müsse zum Vorbild für die arabische
       Welt werden.
       
       US-Präsident Barack Obama sieht Libyen vor dem Wendepunkt. Tripolis
       entgleite dem "Griff eines Tyrannen", das Regime zeige Anzeichen des
       Zusammenbruchs, [2][erklärte Obama am Sonntagabend (Ortszeit) nach einer
       Mitteilung des Weißen Hauses in Washington]. Der sicherste Weg, um das
       Blutvergießen zu beenden, sei einfach: "Muammar al-Gaddafi und sein Regime
       müssen erkennen, dass ihre Herrschaft zu einem Ende gekommen ist."
       
       ## Gaddafi-Sohn nach Den Haag?
       
       ## 
       
       Gegen Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam und seinen Schwager, den
       Geheimdienstchef Abdullah Senussi, liegen internationale Haftbefehle vor.
       Ihnen werden schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Der
       Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) rief den
       libyschen Übergangsrat in Bengasi deshalb auf, Saif al-Islam nach Den Haag
       zu überstellen. Schon an diesem Montag wolle man darüber verhandeln, wie
       die Auslieferung ablaufen könnte, sagte der Staatsanwalt Luis Moreno-Ocampo
       dem US-Sender CNN.
       
       Der nationale Übergangsrat setzt aber offenbar darauf, die Verantwortlichen
       in Libyen vor Gericht zu stellen. Dazu habe Libyen das volle Recht, betonte
       der frühere Botschafter des Landes in den USA, Ali Aujali, der inzwischen
       für den Übergangsrat spricht, im Sender Al-Dschasira.
       
       Gaddafi selbst wandte sich am späten Sonntagabend zum dritten Mal an diesem
       Tag an seine Anhänger. In einer Audio-Botschaft beschwor er im
       Staatsfernsehen seine Gefolgsleute: "Ihr müsst auf die Straße gehen, um die
       Ratten und Verräter zu bekämpfen. Alle Stämme müssen nach Tripolis
       marschieren, um es zu beschützen. Wenn nicht, werdet Ihr Sklaven der
       Kolonialisten werden." Plötzlich stoppte seine Stimme. Für die
       Unterbrechung der Nachricht gab es keine Erklärung. Unklar war, von wo aus
       Gaddafi gesprochen hatte.
       
       22 Aug 2011
       
       ## LINKS
       
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