# taz.de -- Ströbele über das Ende des Gaddafi-Regimes: "Der Nato-Einsatz war und bleibt falsch"
       
       > Der Zweck der UN-Resolution zu Libyen sei missachtet worden. Der Schutz
       > von Zivilisten war nie das Ziel der Nato, sagt der Grüne Hans-Christian
       > Ströbele.
       
 (IMG) Bild: "Der Kampf der Rebellen ohne Nato-Unterstützung wäre anders verlaufen": Luftangriff im März.
       
       taz: Herr Ströbele, wenn Libyen jetzt eine Demokratie wird - war es dann
       richtig, dass Deutschland sich aus dem Einsatz herausgehalten hat? 
       
       Hans-Christian Ströbele: Auch ich freue mich, wenn das Töten endlich zu
       Ende und das Gaddafi-Regime weg ist. Aber ich habe die Nato-Bombardements
       für falsch gehalten und werde diese Ansicht jetzt nicht ändern. Bis heute
       ist nicht bekannt, wie viele Menschen Opfer der Bombardierung wurden,
       vermutlich viele Tausende. Der Zweck der UN-Resolution 1973 war eigentlich
       nur, eine Flugverbotszone einzurichten und die Zivilbevölkerung zu
       schützen. Der ist missachtet und durch die Nato unendlich erweitert worden.
       
       Die Frage nach zivilen Opfern beiseitegestellt - mit UN-Mandat von Diktatur
       zu Demokratie in fünf Monaten: Wer wollte etwas dagegen haben? 
       
       Die Frage lässt sich nicht beiseitestellen. Es gab über 12.000 Luftangriffe
       - glaubt irgendwer ernsthaft, diese hätten nicht Menschen und auch
       Zivilpersonen getroffen? Der TV-Sender, die Gebäude von Behörden und
       Militärs, die bombardiert wurden - waren die alle menschenleer und keiner
       in der Nähe? Für eine Bewertung des Libyen-Einsatzes müssen die Schäden und
       Opferzahlen aufgeklärt werden.
       
       Aber wenn sich bald sagen lässt: Der erste Einsatz, der mit dem
       völkerrechtlichen Konzept der "Schutzverantwortung" begründet wurde, war
       erfolgreich. Müssen Sie dies dann nicht anerkennen? 
       
       Richtig ist: Der Kampf der Rebellen ohne Nato-Unterstützung wäre anders
       verlaufen. Die Nato hat den Vormarsch der Rebellen erheblich beschleunigt,
       sie war faktisch ihre Luftwaffe. Aber um welchen Preis an Eskalation und
       Opfern? Was nun wird - ob es halbwegs demokratisch und human wird, ob die
       Leute, die an die Macht kommen, für Demokratie stehen, ob nicht noch ein
       Desaster wie in Afghanistan oder dem Irak passiert - das wissen wir nicht.
       Jetzt etwa ein Bombardement von Syrien zu verlangen, halte ich für falsch.
       Ich denke, man muss über die ,Schutzverantwortung' noch einmal diskutieren.
       Aktuell halte ich Skepsis für angebracht.
       
       Erst nicht mitmachen, jetzt abwarten: Wäre es nicht Aufgabe aller Linken,
       an der Seite der Rebellen zu stehen? Wie war das mit "Waffen für El
       Salvador" 1980 bis 1992? 
       
       Auch in El Salvador wäre ich gegen Angriffe der Nato oder des Warschauer
       Pakts gewesen. Ich war aber für eine Intervention in Ruanda. Als sich in
       diesem März die konkrete Frage stellte, wie wir mit der bedrohlichen Lage
       in Bengasi umgehen, nachdem Gaddafi drohte, die Rebellen zu töten, wäre es
       angebracht gewesen, alle Vorkehrungen zu treffen, ein Blutbad zu
       verhindern. Man hätte Truppen bereitstellen können, um mit dem Äußersten
       für den Fall, dass ein Massaker unmittelbar bevorsteht, ernsthaft drohen zu
       können…
       
       …um im Zweifel auch etwas unternehmen zu müssen. 
       
       Aber eben wirklich nur, um einen Massenmord an der Bevölkerung zu
       verhindern. Es spricht vieles dafür, dass die konkret mit militärischem
       Aufmarsch unterlegte Drohung wirksam gewesen wäre. Stattdessen hat man eine
       UN-Resolution formuliert, die von allen unterschiedlich interpretiert
       werden konnte. Dagegen hätte auch die Bundesregierung sich engagieren
       müssen, statt sich aus der Debatte in der UNO fein herauszuhalten.
       
       Sie wollen Verfassungsklage einreichen, weil Deutsche in den Nato-Stäben
       daran beteiligt waren, Ziele in Libyen zu benennen. Halten Sie daran fest? 
       
       Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Es geht mir um die Wahrung des
       Parlamentsrechts auf Entscheidung über Kriegseinsätze. Ich werde prüfen, ob
       ich als Einzelner oder die Grünen-Fraktion dagegen klagen sollte, dass
       deutsche Soldaten an der Auswahl von Bombenzielen in Libyen beteiligt
       wurden, ohne dass der Bundestag befasst wurde. Dafür wurde extra ein
       zusätzlicher Gefechtsstand in Norditalien eingerichtet. Es wurde nicht etwa
       nur das Nato-Hauptquartier in Neapel genutzt, wo deutsche Soldaten
       mitarbeiten.
       
       23 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Winkelmann
       
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