# taz.de -- Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern: Die Hoffnung ist polnisch
       
       > Im Landkreis Uecker-Randow hetzt die NPD besonders heftig gegen Polen.
       > Dabei profitiert die Region im Osten Mecklenburg-Vorpommerns von der
       > offenen Grenze.
       
 (IMG) Bild: Bushaltestelle in Löcknitz mit Hetzplakat der NPD.
       
       LÖCKNITZ taz | Jessica Przybylski ärgert sich über ihre Heimat. Das liegt
       nicht daran, dass Jugendlichen nicht viel geboten würde in Löcknitz im
       Landkreis Uecker-Randow, hier ganz im Osten von Mecklenburg-Vorpommern, wo
       auf Feldern Strohballen in der Sonne trocknen. Eine idyllische Gegend,
       eigentlich.
       
       Dass sich die 15-Jährige ärgert, liegt an der rechtsextremen NPD, die vor
       der Landtagswahl, die am kommenden Sonntag stattfindet, hier präsenter ist
       als die anderen Parteien. In keinem anderen Landkreis hat die NPD bei den
       letzten Wahlen 2006 so viele Stimmen erhalten. Um die 14 Prozent waren es
       hier in der Grenzregion zwischen Deutschland und Polen, 23 Kilometer
       westlich von Stettin.
       
       Jessicas Eltern sind vor vielen Jahren aus Polen hierher gekommen, sie
       selbst wurde hier geboren. Jetzt ist sie gerade in die elfte Klasse
       gekommen. Sie findet es erschreckend, dass auch in ihrer Klasse einige
       sagen, dass sie die NPD wählen würden.
       
       Zusammen mit Paul Gast, dem zweiten Schülersprecher am Gymnasium, will sie
       vor der Wahl einen Aktionstag organisieren, das Motto: "Bunt statt braun".
       
       Gerhard Scherer findet das gut. Er ist der Schulleiter der Europaschule, in
       der ein Teil der Schüler aus Polen kommt und die Deutschen Polnisch lernen
       können. Toleranz, das ist das, um was es geht, sagt er. Scherer redet sich
       schnell in Rage, sein Kopf wird rot.
       
       Er will es nicht hinnehmen, "dass sich die NPD so breit macht". Deshalb
       sage er seinen Schülern immer wieder: Es ist egal, welche Partei ihr wählt,
       Hauptsache nicht NPD.
       
       Das Gymnasium gibt es bald zwanzig Jahre, ein anderes Beispiel
       deutsch-polnischen Zusammenlebens ist ganz neu. Es liegt am Rande eines
       Wohngebietes, ein einladendes Gebäude mit Glastüren, über dem Sandkasten
       ein Sonnensegel.
       
       Als der Bürgermeister vor einer Woche den deutsch-polnischen Kindergarten
       eröffnete, sprach er von einem Paradies. 41 von gut 250 Kindern sind
       polnisch und die Nachfrage steigt.
       
       Denn seit einiger Zeit ziehen wieder Familien hierher, vor allem aus Polen.
       Wojciech Weglewski kam vor vor knapp drei Jahren. Er hat für seine Familie
       ein Haus gekauft, weil es hier deutlich günstiger ist als in Stettin.
       Weglewski hat dort eine Sprachschule, doch seine Kinder gehen hier in die
       Grundschule und die neue Kita. Ihm gefalle es hier, sagt er.
       
       ## Einwohnerzahl wächst
       
       Wegen der Zuzüge ist die Einwohnerzahl von Löcknitz wieder gestiegen, auf
       derzeit 3.200 Einwohner. "Wir müssen hier keine Wohnungen abreißen, im
       Gegenteil", freut sich Bürgermeister Lothar Meistring von der Linkspartei.
       
       "Ohne die Ausländer wäre hier gar nichts los", sagt Jessica Przybylski.
       Viele Polen kommen hierher, um einzukaufen.
       
       Doch auch wenn manche der neuen Einwohner Jobs schaffen, die
       Arbeitslosigkeit im Landkreis ist weiterhin hoch. Wenn dann einer der
       größten Arbeitgeber Mitarbeiter entlässt, ist die Verunsicherung groß.
       
       Gut eine halbe Autostunde ist es von Löcknitz nach Torgelow zur
       Eisengießerei, die Teile für Windkraftanlagen baut. Weil die Lage sich
       verdüstert hat, will das Unternehmen jetzt bis zu 200 Zeitarbeiter
       loswerden. Schnell hieß es, dass diese Beschäftigten bald durch
       Leiharbeiter aus Polen ersetzt würden - ein Thema für die NPD. Auf einem
       ihrer Plakate steht: "Polen offen? Arbeit futsch!"
       
       ## Zu wenige protestierten
       
       Am vergangenen Dienstag sind NPD-Leute angereist und mit Trommeln und
       Transparenten durch Torgelow gezogen. Politiker von SPD, Linkspartei und
       CDU haben dagegen protestiert, doch sie waren deutlich weniger.
       
       Das mit den polnischen Leiharbeitern stimme so gar nicht, sagt Peter
       Krumhoff, Geschäftsführer der Eisengießerei. Es sei noch nicht entschieden,
       ob von den 130 Stellen in der Putzerei welche ausgelagert werden und wenn
       ja, wie viele.
       
       Sollte es dazu kommen, könnte der Dienstleister natürlich auch polnische
       Arbeiter einsetzen. Wieso auch nicht im Europa der
       Arbeitnehmerfreizügigkeit?, fragt er. Hat das Unternehmen da nicht der NPD
       in die Hände gespielt, indem es die Entscheidung jetzt bekannt gab? "Der
       Zeitpunkt ist nie richtig", sagt Krumhoff. "Dass die NPD damit Wahlkampf
       macht, das tut uns auch Leid."
       
       ## Vom Saarland lernen
       
       Nicht alle glauben, dass die NPD mit ihren Anti-Polen-Parolen überhaupt
       noch viele Menschen erreicht. Siegfried Wack war 18 Jahre lang
       Bürgermeister im Saarland, nahe der französischen Grenze. Nach der Wende
       kam er hierher, um zu zeigen, "wie wichtig es ist, dass man gut mit den
       Nachbarn zusammenlebt".
       
       Er wurde Landrat, baute die Deutsch-Polnische Gesellschaft auf und war
       viele Jahre ihr Vorsitzender. "Am Anfang gab es eine latente Antihaltung
       gegenüber den Polen", sagt er. "Das hat sich schon deutlich verbessert."
       
       Aber dass für manche die Polen immer noch die Sündenböcke sind, das findet
       Jessica Przybylski einfach ärgerlich. Es ist einer der Gründe, warum sie
       nach dem Abitur wegwill, knapp zwei Jahre wird sie noch zur Schule gehen.
       Solange will sie immer wieder rüber nach Polen fahren, zum Ausgehen.
       
       "Stettin ist eine richtige Clubstadt", sagt sie. Die deutsche Seite kann da
       absolut nicht mithalten.
       
       29 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Erb
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Wahlen in Berlin
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